Zunehmende Verstöße gegen Lenkzeitbestimmungen und andere arbeitsrechtliche Auflagen im Bereich des Güterkraftverkehrs

Nach Gesprächen mit Fachleuten der Güterverkehrsbranche und nach eigenen Erkenntnissen scheint die Umgehung von Verbotsvorschriften durch ausländische Unternehmen im Güterfernverkehr auf hessischen Straßen schon fast zur Normalität zu werden.

Vorbemerkung der Sozialministerin:

Die Regelungen über die Lenk- und Ruhezeiten im Personen- und Güterverkehr sind ein wichtiger Bestandteil für den Gesundheitsschutz des Fahrpersonals sowie der Verkehrssicherheit insgesamt. Unter besonderer Berücksichtigung gleicher Wettbewerbschancen der im internationalen Güterverkehr tätigen Fuhrunternehmen, der Anforderungen an die Verkehrssicherheit und der spezifischen Arbeitsbedingungen im Güter- und Personenverkehr sind die Arbeitsschutzvorschriften für Berufskraftfahrerinnen und -fahrer im gesamten europäischen Rechtsraum harmonisiert worden.Kernstück sind die so genannten EG-Sozialvorschriften, die in allen EU-Mitgliedstaaten sowie in den EWR-Vertragsstaaten Island, Liechtenstein und Norwegen unmittelbar geltendes Recht darstellen. Ergänzend werden die Bedingungen des Güterfernverkehrs zwischen den osteuropäischen Staaten und den EU-Mitgliedstaaten sowie des internationalen Transitverkehrs durch Europa durch die Bestimmungen des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) geregelt. Mit diesem Vertrag wurden die EG-Sozialvorschriften über Arbeits- und Lenkzeiten, Pausen, Lenkzeitunterbrechungen und Ruhezeiten nahezu identisch von allen osteuropäischen Staaten sowie von der Schweiz, Andorra, Liechtenstein und Norwegen übernommen.

Die Aufsicht über die Ausführung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr obliegt den zuständigen Kontrollorganen. In Hessen sind dies die Staatlichen Ämter für Arbeitsschutz, die Behörden und Beamten des Polizeidienstes sowie das Bundesamt für Güterverkehr, das nach den einschlägigen Bestimmungen des Güterkraftverkehrsgesetzes auch auf hessischen Straßen dazu berechtigt ist, Fahrzeuge des Gütertransports anzuhalten und zu überprüfen.

Um die Effizienz der Aufsichtstätigkeit in diesem Bereich zu erhöhen, hat die Hessische Landesregierung im vergangenen Jahr das Bundesamt für Güterverkehr vertraglich außerdem dazu ermächtigt, Kraftomnibusse auf hessischen Straßen zu überprüfen.

Im Rahmen der Verkehrsüberwachung wird die Kontrolle aus dem fließenden Verkehr in aller Regel von den Polizeibehörden wahrgenommen, während die Aufsicht über die Ausführung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr in den Betrieben von den Bediensteten der hessischen Arbeitsschutzverwaltung ausgeübt wird. Werden bei Straßen- oder Betriebskontrollen Verstöße festgestellt, erfolgt im Regelfall die Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens, für dessen Durchführung die Arbeitsschutzverwaltung sachlich zuständig ist, sofern die oder der Betroffene in Hessen ansässig ist. Hat das betroffene Fuhrunternehmen oder die betroffene Fahrerin oder der betroffene Fahrer seinen/ihren Betriebsoder Wohnsitz im Ausland, ist das Bundesamt für Güterverkehr zuständig.

Um das Harmonisierungsziel der Sozialvorschriften im Straßenverkehr in der Praxis wirksam werden zu lassen, sind wesentliche Eckpunkte der Kontrollmaßnahmen ebenfalls europarechtlich determiniert. So werden im Interesse eines möglichst europaeinheitlichen Vollzuges in den Mitgliedstaaten Mindestquoten jährlich durchzuführender Straßen- und Betriebskontrollen vorgegeben. Im Jahr 2000 hatten die hessischen Aufsichtsdienste nach diesen Vorgaben rund 118.000 Arbeitstage im Hinblick auf die Einhaltung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu überprüfen.

Im Zusammenhang mit der Kleinen Anfrage ist ferner besonders hervorzuheben, dass eine differenzierende Kontrollhäufung bei Straßenkontrollen nach gebietsansässigen und gebietsfremden Fahrerinnen und Fahrern als unzulässige Diskriminierung verboten ist. Über die Resultate der Kontrollen einschließlich der festgestellten Verstöße gegen die EGSozialvorschriften und das AETR sowie der durchgeführten Maßnahmen haben die Mitgliedstaaten der Kommission anhand eines festgelegten Musters im Turnus von zwei Jahren zu berichten. Allerdings können aus diesen Berichten nur quantitative Angaben zum Mindestumfang der Kontrolltätigkeiten und ihren Ergebnissen herausgezogen werden.

Eine differenzierende Auswertung nach Nationalitätenzugehörigkeit der überprüften Person bzw. des überprüften Fahrzeuges sowie der konkret heranzuziehenden Rechtsgrundlage ist wegen des hierfür erforderlichen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwandes nicht möglich. Da die Anfrage zum überwiegenden Teil Informationen statistischer Art betrifft, wurde aus Gründen der Übersichtlichkeit eine Darstellung in tabellarischer Form gewählt. Soweit keine gesonderte Antwort vorliegt, wird auf die Angaben in den Tabellen Bezug genommen. Für die Kontrolltätigkeit der hessischen Polizei können nur die Auswertedaten der Jahre 1997 bis 1999 vorgelegt werden. Für das Jahr 2000 liegen noch keine Zahlen vor.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage im Einvernehmen mit dem Minister des Innern und für Sport sowie dem Minister für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung wie folgt:

Frage 1. a) Wie viele Kontrollen haben seit dem 1. Januar 1997 in jedem Jahr stattgefunden?

b) Wie viele Verstöße gegen die Lenkzeitvorschriften im Güterkraftverkehr wurden seit dem 1. Januar 1997 - verteilt auf die einzelnen Kalenderjahre - festgestellt?

c) Wie verteilen sich diese auf welche Nationalitäten?

Nach Maßgabe der gemäß Art. 16 der Verordnung (EWG) 3820/85 in Verbindung mit den §§ 2, 3 der EG-Kontrollrichtlinienverordnung festgelegten Vorgaben wurden von den Arbeitsschutzbehörden bei Straßenkontrollen von 1997 bis 2000 pro Jahr durchschnittlich 950 Fahrzeuge des Güterverkehrs überprüft. Die Anzahl der im Bezugszeitraum bei Betriebskontrollen jährlich überprüften Fahrerinnen und Fahrer betrug ca. 3.000. Vonseiten der Polizeidienststellen wurden von 1997 bis 2000 im Jahresdurchschnitt ca. 55.000 Fahrzeuge und vom Bundesamt für Güterverkehr ca. 39.000 Fahrzeuge auf hessischen Straßen kontrolliert.

Die statistischen Angaben der Tätigkeiten der jeweiligen Kontrollorgane können den als Anlagen beigefügten Tabellen entnommen werden. Aus diesen Anlagen ergibt sich auch die Anzahl der hinsichtlich der Einhaltung der Fahrpersonalvorschriften kontrollierten Fahrzeuge mit den entsprechend festgestellten Beanstandungen. Eine Aufteilung der festgestellten Verstöße auf die einzelnen Nationalitäten ist nicht möglich. Für die Bereiche Polizei und Arbeitsschutzverwaltung kann den tabellarischen Übersichten eine Unterscheidung nach Zulassungsland der bei Straßenkontrollen überprüften Fahrzeuge entnommen werden. Das Bundesamt für Güterverkehr kann gemäß der Anlage lediglich eine Verteilung auf deutsche und gebietsfremde Fahrzeuge vornehmen.

Frage 2. a) Bei wie vielen Lastkraftwagen wurden bei Kontrollen seit dem 1. Januar 1997 auch im Verhältnis zu den insgesamt kontrollierten Fahrzeugen - technische Mängel festgestellt oder die Überschreitung zulässiger Gesamttonnage?

b) Wie verteilen sich diese auf welche Nationalitäten?

c) Wie viele Verstöße gegen Tiertransportauflagen wurden dabei verzeichnet?

Das Bundesamt für Güterverkehr ist befugt, bei Straßenkontrollen die zulässigen Abmessungen, Achslasten und Gesamtgewichte der Fahrzeuge zur Güterbeförderung zu überprüfen. Die festgestellten Verstöße gegen die zulässigen Gewichte der Fahrzeuge in den Jahren 1997 bis September 2000 sind der Anlage 2 zu entnehmen.

Hinsichtlich der sonstigen technischen Mängel der Fahrzeuge ist das Bundesamt für Güterverkehr nur berechtigt, offensichtlich vorliegende schwere Verstöße an die zuständigen Behörden weiterzuleiten. Konkrete Zahlen liegen nicht vor. Bei festgestellten Zuwiderhandlungen gegen die Tierschutzbestimmungen leitet das Bundesamt für Güterverkehr seine Kontrollergebnisse an die zuständigen Behörden weiter. Die Anzahl der festgestellten Beanstandungen aus den Jahren 1997 bis September 2000 sind der Anlage 2 zu entnehmen.

Vonseiten der Veterinärverwaltung wurden im Zeitraum Februar 1997 bis August 2000 203 Verstöße gegen die Tierschutztransportverordnung verzeichnet.

Frage 3. a) Wurde bei den Kontrollen festgestellt, dass Fahrzeugführer neben ihrem Arbeitslohn auch Beihilfeempfänger von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe sind?

b) Falls ja, um welche Fallzahlen handelt es sich in den Jahren 1997 bis 2000?

Die Straßenkontrolleure des Bundesamtes für Güterverkehr sind befugt, bei Mitgliedern des Fahrpersonals die Vorschriften des Sozialversicherungsrechts und Arbeitsgenehmigungsrechts sowie gegebenenfalls des Ausländerrechts zu überprüfen. Kontrollen bezüglich der Einhaltung der Bestimmungen des Sozialversicherungsrechts finden nicht obligatorisch, sondern nur bei Vorliegen entsprechender Verdachtsmomente statt. Bei fehlendem Sozialversicherungsausweis oder bei Verdacht, dass gegen das Arbeitsgenehmigungsrecht verstoßen wird, erstellt das Bundesamt für Güterverkehr eine Kontrollmitteilung, die zur weiteren Bearbeitung an das zuständige Hauptzollamt bzw. Arbeitsamt weitergeleitet wird.

Das Bundesamt für Güterverkehr hat in Hessen im Jahre 1998 insgesamt 72 (davon 66 deutsche Betroffene), im Jahre 1999 insgesamt 60 (davon 57 deutsche Betroffene) und im Jahre 2000 (bis einschließlich September) insgesamt 70 (davon 42 deutsche Betroffene) derartige Kontrollmitteilungen erstellt.

Eine Darstellung der polizeilichen Feststellungen ist in Ermangelung der Erfassung entsprechender Berichtspflichten im angesprochenen Bereich nicht möglich.

Frage 4. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor, dass gerade in Osteuropa ansässige Spediteure ihre Lademengen auf mehrere kleine LKW verteilen, um damit das in Deutschland geltende Sonn- und Feiertagsfahrverbot zu umgehen?

Es liegen keine Erkenntnisse über Logistiken in Osteuropa vor. Mit der Aufteilung von Lademengen auf LKW bis zu 7,5 t kann das Sonn- und Feiertagsfahrverbot umgangen werden. Es ist nach der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht verboten, mit diesen Fahrzeugen an Sonn- und Feiertagen zu fahren. Somit können diese Verkehre auch nicht unterbunden werden.

Frage 5. Welche Erkenntnisse liegen der Landesregierung vor, dass von solchen Spediteuren an Sonn- und Feiertagen in Hessen über den Zielverkehr hinaus auch vermehrt nicht erlaubte Güterverteilung vorgenommen wird?

Es liegen keine Erkenntnisse über eine unzulässige Güterverteilung an Sonnund Feiertagen vor.

Frage 6. a) Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, einem offensichtlich zunehmenden Unterlaufen des Sonn- und Feiertagsfahrverbots in Hessen, vor allem durch ausländische Spediteure, Einhalt zu gebieten?

b) Ist die Landesregierung bereit, hierzu in verstärktem Maße Fahrzeugkontrollen durchführen lassen?

Eine nicht erlaubte Güterverteilung bzw.