Krankenversorgung

Medizinisch ist zu überprüfen, ob die gute Qualität der Versorgung sichergestellt ist und es nicht zu Verschleppungen bzw. vermeidbaren Verschlimmerungen von Erkrankungen kommt, weil der Hausarzt womöglich zu lange der Auffassung ist, die Dinge selber regeln zu können, obwohl ein Facharzt sinnvoller und effektiver arbeiten könnte.

Eines darf allerdings nicht passieren, werte Kolleginnen und Kollegen: Die Einführung des Hausarztmodells darf nicht zur erneuten Verwirrung der Patienten führen. Jeder Versicherte muss sich gut informieren können, um dann zu entscheiden, ob er die freie Arztwahl haben oder lieber 40 im Jahr sparen möchte. Wenn er dies entschieden hat - das geht nur mit einer vernünftigen Aufklärung -, dann ist es seine Entscheidung, und damit sind wir bei der Eigenverantwortung des Patienten.

Das Hausarztmodell muss dem Patienten auch weiterhin den Zugang zu einer erforderlichen Krankenversorgung mit breit verfügbarer Qualität sicherstellen. Die Diskussion, die wir zu Fachärzten bekommen werden, darf nicht dazu führen, dass wir Fachärzte - die Befürchtung stand ja im Raum - zurückdrängen, sondern Fachärzte müssen in einem ausreichenden Maße zur Verfügung stehen. Es darf nicht der Effekt eintreten, dass wir Fachärzte zugunsten des Hausarztes zurückdrängen. Fachärzte werden gebraucht.

Frau Dedanwala, in diesem Zusammenhang möchte ich auf Ihr Beispiel der Angstneurose der Patientin eingehen. Im umgekehrten Fall ist es so:

Wenn die Patientin wirklich Herzprobleme gehabt hätte und an einen Neurologen gelangt wäre, dann hätte es natürlich einen viel fataleren Ausgang haben können. Insofern wird an diesem Beispiel auch deutlich, dass von jedem Gedanken, den man denken kann, durchaus auch das Gegenteil richtig sein kann.

(Dietmar Brockes [FDP]: Der internistische Arzt schließt die Erkrankungen auch aus! Ich bitte Sie! - Zuruf von Dr. Jana Pavlik [FDP]) Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass wir auch noch andere Modelle denken können und auch über andere Konzeptionen nachdenken können. Mit Zuschlägen zu den Beiträgen können wir z. B. dahin gelangen, naturheilkundliche Behandlungen ersetzt zu bekommen. Damit könnten wir die Eigenverantwortung des Patienten noch mehr herausheben und ihm die Entscheidung überlassen, auf welche Art er medizinisch betreut werden möchte. Diese Möglichkeit bietet das Gesetz. Auch das sollten wir wirklich tun.

Fazit: Bevor dieses Hausarztmodell eingeführt wird und bevor ein erstes Modell in die Praxis geht, gilt es, dies genau zu prüfen. Aus dem Hause der Barmer ist zu hören, dass sie selbst glaubt, dieses Modell gelange erst im vierten Quartal zur Realisierung. Ich hoffe, dass es wirklich in einer Professionalität vorbereitet wird, die sich von dem, unterscheidet, was wir bei der Umsetzung durch Frau Bundesministerin Schmidt erlebt haben.

(Zuruf von der SPD: Seehofer hatte die Idee!)

Ich hoffe, dass es professionell gemacht wird, und dass es zum Schluss wirklich zu einem - da stimme ich ausnahmsweise mit Frau Steffens überein - Modell kommt, dass den Intentionen des Gesetzes entspricht. Hinterher sollte es nicht dazu kommen, dass wir feststellen müssen, dass das von der Barmer angekündigte Hausarztmodell doch vielleicht nur ein Werbegag der Kasse für sich selbst war. Wollen wir hoffen, dass es nicht so ist!

Wir werden - wie gesagt - jeden Schritt unterstützen, der diesem Gesetz zu seiner Wirkung verhilft. Richtig ist: Es darf nicht nur um Sparen gehen; es muss um Qualitätssicherung gehen. Um diese Qualitätssicherung bemühen wir uns alle gemeinsam in diesem Hause. Deswegen halte ich es auch für fair, jedem den gleichen Ansatz zuzubilligen, das Ziel einer qualitativ sichergestellten medizinischen Versorgung erreichen zu wollen.

Über den Weg kann man streiten. Jeder hat das Recht auf seine Meinung, Frau Steffens. Das zu akzeptieren gehört zum demokratischen Stil. Danke schön.

(Beifall bei CDU und FDP) Präsident Ulrich Schmidt: Vielen Dank, Kollege Hovenjürgen. - Das Wort hat der Abgeordnete Scheffler, SPD-Fraktion.

Michael Scheffler (SPD): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir als SPD wollen den Patientinnen und Patienten einen starken Partner zur Seite stellen. Deshalb wollen wir den Hausarzt stärken und begrüßen ausdrücklich, dass immer mehr Krankenkassen auf das Hausarztmodell setzen. Die Redebeiträge haben es gezeigt.

Damit unterscheiden wir uns deutlich von der FDP und auch von Positionen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Meine Damen und Herren, ich habe mich eben beim Redebeitrag der Kollegin Pavlik gewundert, dass sich die FDP, die Partei der Bes serverdienen, auf einmal als Anwalt der kleinen Leute, als Anwalt der sozial Schwachen geriert.

(Zurufe von der FDP)

Wenn man sich das gesundheitspolitische Gruselkabinett der FDP in Berlin einmal ansieht, (Zurufe von der FDP - Beifall bei SPD und GRÜNEN) wird man feststellen, dass dort ganz andere Dinge auf der Agenda stehen: dass man den Kassenbeitrag netto auszahlen will, dass man Risiken privatisiert und eine Amerikanisierung in Deutschland einleiten will. Dazu können wir nur sagen: Mit uns nicht, meine Damen und Herren!

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Ich war etwas erstaunt bei dem Redebeitrag des Kollegen Henke, weil er sich doch auch deutlich von Positionen, die in Papieren der CDU/CSUBundestagsfraktion festgehalten sind, unterscheidet. Ich habe in einem Dokument folgenden Satz gefunden: Ein Bonus im Sinne einer Beitragsermäßigung für den Hausarztbesuch führt zur Entsolidarisierung im Gesundheitswesen.

Ich muss schon sagen: Diesen Satz habe ich mir auf der Zunge zergehen lassen, weil von Entsolidarisierung im Gesundheitswesen die Rede ist bei einer Partei, die gleichzeitig Kopfpauschalen im Gesundheitswesen einführen will und ohne Differenzierung nach Einkommen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler belasten will, damit die solidarische Krankenversicherung zerschlagen will und die Kopfpauschale als Aus für die Solidarität im Gesundheitswesen nimmt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, wir wissen: Die Sekretärin zahlt so viel wie der Vorstandschef. Angela Merkel hat gesagt: Hausmeister und Manager sind vor dem Herrgott gleich.

Ich kann nur sagen: Dies ist ein merkwürdiges Verständnis christlicher Nächstenliebe. Wenn Hausmeister und Manager auf Erden gleich sind, würde sich der Hausmeister sicherlich freuen, wenn er einmal im Jahr den Betrag auf der Gehaltsabrechnung stehen hätte, den mancher Manager auf der Gehaltsabrechnung stehen hat.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN)

Das ist der völlig verkehrte Weg. Ich will noch einmal ausdrücklich die Hausarztmodelle begrüßen, weil darin - Kollegin Dedanwala hat das ausführlich geschildert - in der Tat die Chance liegt, auf die Praxisgebühr zu verzichten, die CDU und CSU in die Verhandlungen zum Gesundheitsmodernisierungsgesetz eingebracht haben.

Die Hausarztmodelle werden auch von den meisten Versicherten befürwortet. In der vorigen Woche ist eine Umfrage der Bertelsmann Stiftung veröffentlicht worden, wonach sich 81 % der Befragten eine hausarztzentrierte Versorgung gut vorstellen können. Voraussetzung hierfür ist aber eine qualitativ gute Vorbereitung der Hausärztinnen und Hausärzte.

(Zurufe von Dr. Jana Pavlik [FDP] und Dietmar Brockes [FDP])

Viele Kassen nutzen jetzt in der Tat konsequent die Möglichkeiten des § 73b Abs. 1 GMG. Ich will ihn hier nicht noch einmal wiederholen, weil er schon einmal zitiert worden ist. Ich glaube, es ist wichtig, dass der Versicherte bei der Wahl des Hausarztes ein Jahr gebunden ist und nur bei wichtigem Grunde wechseln darf.

Die AOK in Baden-Württemberg hat bereits im Dezember einen Modellversuch mit 111 Ärztinnen und Ärzten und über 3.000 Patientinnen und Patienten aufgelegt. Die Nachfrage ist groß. Dieser Versuch kann sicherlich als Pilotprojekt für andere Projekte angesehen werden.

Dieses Modell in Baden-Württemberg sieht vor, dass sich Patienten für einen Hausarzt entscheiden und im Krankheitsfall zunächst zu ihm gehen, sodass er stets den Überblick über die gesamte Behandlung behält. Er kennt die Situation seiner Patienten, bespricht Therapiemöglichkeiten und überweist gegebenenfalls zum Facharzt. Wer an einem solchen Modell z. B. für ein Jahr teilnimmt, kann auch finanzielle Vorteile in Form eines Bonus, beispielsweise den Fortfall der Praxisgebühr, in Anspruch nehmen. Die AOK will dieses Modell ausweiten. Wir haben gehört, dass die Barmer Ersatzkasse, aber auch die DAK und die Techniker Krankenkasse ebenfalls Hausarztmodelle entwickeln.

Für uns sollen Hausärztinnen und Hausärzte Partner und Lotsen der Patientinnen und Patienten im System werden. Bei Hausarzt bzw. Hausärztin sollen alle Fäden der Behandlung zusammenlaufen. Dadurch können überflüssige, oft sogar schädliche Mehrfachuntersuchungen vermieden werden. Die gesamte Behandlung wird besser koordiniert. Dies dient zum einen der Therapiesicherheit der Patientinnen und Patienten, und zum anderen werden überflüssige Kosten vermieden.

Wir brauchen - davon bin ich fest überzeugt - die Hausärzte aber auch, weil die Menschen bei uns immer älter werden und so lange wie möglich in ihrer angestammten Umgebung verbleiben wollen und hier einen Partner haben möchten, der für ihre Gesundheit sorgt.

Wir wollen die vernetzte, die integrierte Versorgung zum Leitbild des deutschen Gesundheitssystems machen. Dazu brauchen wir einen starken Hausarzt. Hausärzte, Fachärzte und Krankenhaus sind auch keine getrennten Welten, sondern müssen Partner in der Kooperation für die Patientinnen und Patienten sein.

Dass mit intelligenten Modellen der integrierten Versorgung Patientenzufriedenheit und Kostenbewusstsein gesteigert werden können, hat das Herdecker Modell des eindrucksvoll bewiesen.

Das Präventionsgesetz, das kommen wird, wird außerdem einen starken Hausarzt brauchen.

Wir wollen im Gesundheitssystem gute Leistungen für gutes Geld, moderne Strukturen, Wettbewerb, Transparenz, Patientensouveränität und Patientenrechte. Dies in dem vermachteten deutschen Gesundheitssystem umzusetzen, ist ein steiniger Weg. Ich will nach den Redebeiträgen der Opposition noch einmal darauf hinweisen: Die GKV ist für die Versicherten, für die Patientinnen und Patienten gegründet worden und nicht für die Ärzte, nicht für die Pharmaindustrie und nicht für die Apothekerschaft.

(Beifall bei der SPD)

Ab und zu daran zu erinnern, ist gut und richtig. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei SPD und GRÜNEN) Präsident Ulrich Schmidt: Vielen Dank, Kollege Scheffler. - Für die FDP-Fraktion hat Frau Dr. Dreckmann das Wort.

Dr. Ute Dreckmann (FDP): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Fischer, liebe Frau Dedanwala, liebe Frau Steffens, wenn Sie die Praxisgebühr hätten überhaupt nicht haben wollen, verstehe ich nicht, warum Sie sie beschlossen haben. Ich habe immer gedacht, Sie hätten im Bundestag noch die Mehrheit. Aber irgendwie scheint sie nun zu bröckeln, (Widerspruch bei SPD und GRÜNEN) was mich persönlich sehr befriedigt.

Ich möchte Ihnen aus eigener Erfahrung erzählen, was Ihnen passieren kann, wenn Sie sich auf Ihren Hausarzt verlassen. Ich kann Ihnen versichern: Ich bin immer noch Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Unter der Betreuung meines Hausarztes habe ich ganze eineinhalb Jahre an einer tückischen Bronchitis herumgedoktert, bis der gute Mann es endlich vonnöten hielt, mich an einen Facharzt zu überweisen.

Während dieser Zeit habe ich ohne die geringste Wirkung 400 Tabletten geschluckt und literweise Hustensaft unterschiedlicher Hersteller in mich hineingekippt. Ich bin mehrfach geröntgt worden und habe mehrere ausführliche Blut- und Allergietests über mich ergehen lassen.

Das Ganze war auch nicht ganz billig. Die meisten der damals verschriebenen Medikamente sind zwar nicht verschreibungspflichtig, aber damals wurden sie noch von den Krankenkassen bezahlt.

Heute hätte ich das alles selber bezahlen müssen.

Ich frage Sie ernsthaft: Welcher Mensch, der Geringverdiener ist, kann sich eine solche Behandlung überhaupt noch leisten?

(Beifall bei der FDP)

Ich bin sicher: Die meisten werden zur Selbstmedikation greifen und die Krankheit verschleppen oder sich überhaupt nicht behandeln lassen, was die spätere Behandlung durch den Facharzt weiter verteuert.

Ich habe während der besagten Zeit mit Sicherheit mehrere Tage, wenn nicht sogar Wochen im Wartezimmer verbracht. Ich habe zweimal, einmal im Herbst und einmal im Frühjahr, auf eigene Kosten meine Wohnung auf Schimmelpilze und andere Erreger untersuchen lassen. Ich habe allergiegetestete Betten, Kopfkissen und Matratzen angeschafft, den Teppichboden einer Intensivreinigung unterziehen lassen und einen neuen Staubsauger speziell für die Bedürfnisse von Allergikern erworben - alles auf Anraten meines Hausarztes. Aber auch diese Maßnahmen blieben erfolglos.

Erst danach, als er wohl mit seinem Latein wirklich am Ende war, hat sich mein Hausarzt, den ich im Übrigen immer als sehr zuverlässigen Arzt geschätzt habe, entschlossen, mich zu einem Pneumologen zu überweisen. Dort bekam ich nach einer erneuten Untersuchung die richtigen Medikamente. Nach einem weiteren halben Jahr die Bronchitis hatte sich in der Zwischenzeit gut verfestigt - war ich den Dauerhusten endlich los.