Einordnung der unterschiedlichen Sachverständigengutachten

Wir sind besonders dankbar, dass Sie heute hier sind und uns Ihre Präsentation zur Verfügung stellen.

Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, dass der Haushalts- und Finanzausschuss die heutige Anhörung am 26. November auswerten wird. Deshalb wäre es schön, wenn uns noch nicht eingegangene Stellungnahmen heute oder morgen erreichten. Für die kommende Woche ist dann die abschließende Beratung des zweiten Nachtrags im Landtag vorgesehen.

Gibt es Fragen an die Sachverständigen? ­ Als Erstes hat sich der Kollege Körfges gemeldet.

Hans-Willi Körfges (SPD): Ich habe eine Reihe von Fragen, die sich aus den ersten Debatten ergeben haben. Es geht zum Teil um Dinge, die gut eingeübt und vielfach erörtert worden sind. Das hört sich sehr förmlich an, ist uns aber in der Argumentation seitens der Regierungskoalition und der sie tragenden Abgeordneten nach der Einordnung des Lenk-Gutachtens immer wieder vorgehalten worden.

Erstens. In der vorletzten Woche ist mir verschiedentlich gesagt worden, Lenk sei auf Vorschlag der kommunalen Spitzenverbände ans Werk gegangen ­ das zieht sich wie ein roter Faden durch die gesamten Diskussionen ­, und insoweit könne man das Grundsätzliche in der Argumentation, das ja abweicht von Lenk, gar nicht nachvollziehen.

Zweitens zur Einordnung der unterschiedlichen Sachverständigengutachten: Es wird einmal argumentiert, dass wir einen haben, der dafür ist, dass die kommunale Seite eine Menge zurückzubekommen hat. Wir haben darüber hinaus eine Stellungnahme, nämlich Lenk, die besagt: Es ist genau umgekehrt, das Land hat etwas zurückzubekommen. Insoweit steht Meinung gegen Meinung, und deshalb muss man sich ja irgendwo treffen.

Drittens. Von welchem Betrag, der noch auszugleichen wäre, gehen die kommunalen Spitzenverbände nach ihrer Berechnungsmethodik insgesamt aus? Wie verteilt sich das auf die einzelnen Jahre?

Darüber hinaus habe ich bezogen auf die 251 Millionen, über die wir heute im Wesentlichen reden, und auf den Verteilungsmaßstab, der in der Diskussion mit dem Innen- und dem Finanzminister noch nicht so klar geworden ist, die Frage: Welchen Verteilungsmaßstab würden die kommunalen Spitzenverbände bezogen auf diesen Betrag für angemessen halten? Welcher konkrete Verteilungsmaßstab, den die Landesregierung in Ansatz bringen will, ist Ihnen bekannt? Was ist der Hintergrund für den abweichenden Verteilungsmaßstab? ­ Mir kommt es so vor, als sollten die Abundanten klaglos gestellt werden.

Christian Weisbrich (CDU): Mir kommt es zunächst einmal darauf an, ein bisschen Ordnung in das Gesamtsystem zu bekommen. Davon können wir alle profitieren.

In der ersten Phase wurde die kommunale Familie vor dem Verfassungsgerichtshof durch Prof. Junkernheinrich vertreten.

Dann hat das Land die kommunale Familie gefragt: Wen wollen wir nochmals hören? ­ Die Antwort lautete: Prof. Lenk.

Der wird vom Land beauftragt, nicht als Gutachter für die Kommunen, aber auf Empfehlung der Kommunen. Die Kommunen beauftragten dann ihrerseits, nachdem dieses Gutachten zu einem für sie überraschenden Ergebnis geführt hat, einen dritten Gutachter. Wir haben also drei Gutachter, drei juristische Meinungen zu dem gleichen Problem ­ was ja nicht übermäßig überraschend ist. Ich bin froh, dass es nicht vier juristische Meinungen geworden sind.

Nach der Systematik des Verfassungsgerichtshofs, so wie sie Herr Prof. Junkernheinrich, der heute dankenswerterweise hier ist, angelegt hat, komme ich zu dem Ergebnis, dass, wenn wir diese Systematik auf die Jahre 2007 und 2008 fortschreiben würden, die Kommunen noch 338 Millionen zuzüglich der 99 Millionen aus der Spitzabrechnung 2006 zu beanspruchen hätten. Das würde zusammen 437 Millionen ausmachen.

Ich habe die kommunale Familie so verstanden, dass sie auf dem Kompromissweg bereit wäre, für das Haushaltsjahr 2006 dieses vom Verfassungsgerichtshof grundsätzlich akzeptierte Verfahren auch für die Fortschreibung anzuerkennen. Was die Kommunen nach meinem Verständnis nicht wollen, ist die neue Berechnungssystematik, die vom Finanzminister ab 2007 angesetzt wurde. Zu diesem Sachverhalt wurde keine Klage erhoben, es ist kein Urteil ergangen, sodass zwei fundamental abweichende Meinungen im Raum stehen. Für mich stellt sich die Frage: Gibt es dazwischen eine Kompromisslinie?

Das Land hat jetzt noch einmal 251 Millionen bereitgestellt.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Ist doch gar nicht wahr, Herr Kollege!)

­ Doch. 251 Millionen hat der Finanzminister zunächst einmal bereitgestellt. Welchem Zweck Sie dem zuordnen, das ist etwas anderes.

(Ewald Groth [GRÜNE]: Dann sagen Sie das doch bitte auch dazu!)

Ich habe die kommunale Seite so verstanden, dass in diesen 251 Millionen 99 Millionen, die für 2006 noch fehlen, enthalten sind. Somit könnte man sagen, dass 2006 damit vollständig abgerechnet wäre. Für 2007 hat das Land einen neuen Berechnungsmodus gewählt. Dieser ist strittig, rechtlich bisher noch nicht geklärt.

Für mich stellt sich die Frage: Kann man hier einen Kompromiss finden oder nicht?

Denn eines ist klar: Nicht ausreichendes Geld haben sowohl die Kommunen als auch das Land genügend. Zu verschenken hat niemand etwas. Was die eine Seite bezahlen muss, muss dann über Kreditaufnahmen finanziert werden. Ob das sinnvoll ist, sei dahingestellt.

Ich frage die kommunalen Spitzenverbände und Herrn Prof. Junkernheinrich, ob ich das so richtig verstanden habe oder ob es gravierend andere Meinungen dazu gibt.

Vorsitzende Anke Brunn: Herzlichen Dank. ­ Kollege Groth, würden Sie Ihre Frage zurückstellen? Herr Prof. Junkernheinrich sollte als Erster antworten, da die Zeit begrenzt ist. ­ Danke schön.

Dann bitte ich Herrn Prof. Junkernheinrich um seinen Wortbeitrag. Der ganze Folienvortrag würde allerdings die Zeit sprengen.

Prof. Lenk hat uns in der Kürze der Zeit eine ausführliche schriftliche Stellungnahme zukommen lassen. Er selbst kann aber nicht teilnehmen.

Prof. Dr. Martin Junkernheinrich (TU Kaiserslautern): Ich bemühe mich um eine knappe Darstellung. Zunächst einmal zur Aufklärung: Es sind drei verschiedene Gutachten im Raum, und zwar von Junkernheinrich/Micosatt, Lenk und Färber.

Mit dem ersten Gutachten haben wir keine neue Methodik vorgelegt, sondern wir haben so gerechnet wie das Land. Da das Land vor Gericht nicht widersprochen hat, hat der Verfassungsgerichtshof in dem Sinne entschieden.

Danach gab es zwei Gutachten, die diametral auseinanderliegen: Herr Lenk auf der einen Seite und Frau Färber auf der anderen Seite. Wir liegen tendenziell in der Mitte, besetzen mit dem alten Gutachten also keine der Extrempositionen.

Gerade sind die neuen Zahlen angesprochen worden. Ich würde Sie gern dafür sensibilisieren.

In der Ergänzungsvorlage für den Ausschuss steht die Summe von 251 Millionen.

Das ist ein Stückchen Füllhorn für die Kommunen, es kommt zusätzliches Geld. Aber was beschließt man eigentlich? ­ Man beschließt eine Regelung, die über 2006 hinausgeht. Das heißt, das Land möchte dem Tenor des Urteils Rechnung tragen, nimmt zusätzliches Geld in die Hand, aber ­ und an keiner Stelle ist genau ausgeführt, wie das passieren soll ­ ändert für 2007 ff. den Berechnungsmodus, sodass es für die Jahre bis 2019 und gegebenenfalls darüber hinaus zu Milliardenbelastungen für die Kommunen kommen würde, also eine deutliche Umverteilung.

Wie sieht das aus? Als wir die Einladung bekamen, war der erste Reflex: Die Zahlen sind nirgendwo erläutert, man kann eigentlich gar keine Stellung dazu nehmen. Wir haben aber versucht, die Logik zu rekonstruieren: Wie hat man höchstwahrscheinlich gerechnet? Es gab für die Jahre 2006 bis 2008 Abschlagszahlungen in Höhe von 280, 220 und 150 Millionen ; das sind die bekannten 650 Millionen. Noch offen waren 99 Millionen. Jetzt nimmt man zusätzlich 152 Millionen in die Hand. Dann kommt man auf die 901 Millionen, die genannt worden sind (siehe Stellungnahme 14/2932, Seite 4). Spannend ist jetzt ­ da liegt die Krux der anstehenden Entscheidung ­, dass, wenn man die Zahlen zugrunde legt, also das, was Tenor der Entscheidung war oder bislang als Zahlung im Raum stand, ab 2007 schon deutlich gekürzt wird (siehe Stellungnahme 14/2932, Seite 5). Man geht in den Rechnungen implizit für 2007 von 78 Millionen aus, obwohl es schon einen Abschlag von 220 Millionen gab. Das heißt, man geht davon aus, dass eigentlich 142 Millionen zu viel gezahlt worden sind.

Für das Jahr 2008 geht man von etwa 140 Millionen aus. Das heißt, bei einem Abschlag von 150 Millionen sind 10 Millionen zu viel gezahlt worden.