JVA

Landtag Nordrhein-Westfalen - 5 - APr 14/1016

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we zusetzen. Ein solches Verhalten lag außerhalb aller dienstlichen Erfahrungen der jahrzehntelang im Vollzug Tätigen und auch außerhalb ihrer Vorstellungskraft.

Der unter Verdacht stehende Beamte wurde am 27. November 2009 festgenommen.

Am 28. November 2009 erging gegen ihn Haftbefehl unter anderem wegen des dringenden Tatverdachts der Gefangenenbefreiung im Amt und des Verstoßes gegen das Waffengesetz. Er befindet sich jetzt in Untersuchungshaft.

Seit 17 Jahren arbeitete er in der Justizvollzugsanstalt Aachen. Im Hafthaus 1 war er seit 1995 als Abteilungsbeamter eingesetzt. Die Bediensteten des Hafthauses 1 sind zuständig, kurzzeitig ­ das heißt für jeweils maximal zehn Minuten ­, an der Pforte auszuhelfen, damit die Pforte nicht unbesetzt ist, wenn sich der Pfortenbeamte und derjenige der Fahrzeugstreife abwechseln. Gewechselt wird in bestimmten Zeitabständen aus Sicherheitsgründen. Aus diesem Grund hat der Beamte am fraglichen Tag sowohl um 18 Uhr wie auch um 20 Uhr kurzzeitig in der Pforte ausgeholfen.

Über die Motive des Beamten gibt es noch keine verwertbaren Erkenntnisse. Mit den beiden Gefangenen hatte er im Vorfeld Gelegenheit, in Kontakt zu treten, weil sich die Bediensteten der angrenzenden Hafthäuser 1 und 4 gegenseitig im Dienstablauf unterstützen. ­ So weit, meine Damen und Herren, die hier und jetzt mitteilbaren Informationen nach der bisherigen Erkenntnislage.

Zu den Diskussionen über ein Interview mit dem Gefangenen Heckhoff ist festzuhalten, dass es kein Interview gegeben hat, wie auch der Pressesprecher der Staatsanwaltschaft Aachen aus der Pressekonferenz vom WDR zitiert wurde. Die wiedergegebenen Angaben des Ausbrechers stehen in keiner Weise mit den Erkenntnissen der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen in Einklang.

Sehr geehrte Damen und Herren, zu Ihrer Anfrage bezüglich der Geschäftsprüfung der Justizvollzugsanstalt Aachen teile ich Ihnen Folgendes mit: Seit der Auflösung des Landesjustizvollzugsamtes zum 1. Januar 2008 werden seitens des Justizministeriums in den Justizvollzugseinrichtungen des Landes regelmäßig und fortlaufend strukturierte Geschäftsprüfungen durchgeführt. Gegenstand der Geschäftsprüfungen sind die Aufgabenerfüllung, der Personal- und Sachmitteleinsatz und die Aufbau- und Ablauforganisation. Die Geschäftsprüfungen finden im zweijährigen Rhythmus als Hauptgeschäftsprüfung statt. In den dazwischenliegenden Jahren erfolgen zusätzlich Schwerpunktprüfungen in den Bereichen Medizin und Sicherheit.

Solche Geschäftsprüfungen, die unter anderem die Sicherheitslage in den Anstalten überprüfen, hat es unter Rot-Grün nicht gegeben. Wir haben die regelmäßige Geschäftsprüfung mit der Auflösung des Landesjustizvollzugsamtes eingeführt. Bei der Geschäftsprüfung in Aachen handelte es sich um die erste Hauptgeschäftsprüfung in dieser Anstalt.

Gegenstand der Hauptgeschäftsprüfung der Justizvollzugsanstalt Aachen am 29. September 2009 waren auch der Mehrarbeitsstundenstand und die Krankenquote. Zum Ende des Monats September 2009 betrug der Mehrarbeitsstundenstand in der Anstalt insgesamt 44.821 Stunden. Damit entfielen auf jeden Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes der Anstalt durchschnittlich 178,47 Mehrarbeitsstunden. Ende September 2009 wies der allgemeine Nordrhein-Westfalen - 6 - APr 14/1016

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we dienst wie im Vorjahresmonat eine Krankenquote von 17,89 % auf. Dagegen lag sie in den Monaten April bis August und wieder im November jeweils um erfreuliche 2 bis 3 Prozentpunkte unter denen des Vorjahres.

Als eine Maßnahme neben weiteren Maßnahmen, auf die ich gleich zurückkommen werde, hat die Anstaltsleiterin gemeinsam mit dem Personalrat ein Dienstplanmodell entwickelt, durch das die dauerhafte Belastung mit Diensten im Wechsel von zwölf Tagen Dienst und zwei Tagen frei verändert wird in eine Regelung elf Tage Dienst und drei Tage frei. Diese wird seit Anfang November umgesetzt.

In diesem Zusammenhang ist auch das Schreiben des Personalrats der Justizvollzugsanstalt Aachen vom 27. August 2009 zu sehen. Darauf habe ich wie folgt reagiert: Unmittelbar nach Erhalt des Schreibens hat sich die Fachabteilung mit der Anstalt in Verbindung gesetzt. Darüber hat sie mir am 17. September 2009 berichtet und Vorschläge gemacht, die am 21. September 2009 besprochen und dann umgesetzt wurden.

Dazu gehörte die Besetzung von fünf Stellen, die Zusage von organisatorischen Hilfen bezüglich der Krankenhausbewachung erkrankter Gefangener ­ konkret wurden zwei Dialysepatienten, die zweimal wöchentlich zur Dialyse ausgeführt werden mussten, aus der JVA Aachen in andere Anstalten verlegt ­­ und die bereits in Angriff genommene Umgestaltung des Dienstplans.

Wer also behauptet, es sei erst am 8. Oktober auf das Schreiben des Personalrats reagiert worden, kennt die Fakten nicht. Das Schreiben vom 8. Oktober 2009 war lediglich der förmliche Abschluss eines Prozesses, der gerade einmal einen Monat in Anspruch genommen hat.

Zusammen haben die von mir und der Anstaltsleiterin ergriffenen Maßnahmen bereits jetzt bewirkt, dass der Stand der Mehrarbeitsstunden schon um 2.670 Stunden gesenkt werden konnte. Die Veränderungen seit 2008 haben auch bewirkt, dass sich die Stimmung unter den Bediensteten bessert, was sicher zum Abbau des Krankenstandes beigetragen hat. Das hat der Personalrat im Gespräch mit dem Ombudsmann bereits am 2. Juli 2009 bestätigt. Ich darf aus dem Vermerk des Ombudsmanns zitieren:

Die Personalräte äußerten sich zunächst zufrieden mit der neuen Anstaltsleiterin. Im Gegensatz zu dem früheren Anstaltsleiter kümmere sie sich um die Angelegenheiten der Bediensteten und entscheide auch zeitnah.

Bestätigt haben mir das auch der Personalrat bei meinem Besuch in der Anstalt am 30. November 2009 und ebenfalls der Personalratsvorsitzende in der Sitzung des Hauptpersonalrats am 24. November 2009, in der er berichtet hat, dass die ergriffenen Maßnahmen, die auf einen kontinuierlichen Prozess angelegt seien, schon zu ersten Besserungen geführt hätten. Darüber haben mir der Personalratsvorsitzende und ein weiteres Mitglied des Hauptpersonalrats gestern berichtet.

Meine Dame und Herren, die Fakten sind eindeutig und können auch von SPD und Grünen nicht geleugnet werden: Nie war der Justizvollzug in Nordrhein-Westfalen so sicher wie heute.

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we (Lachen von SPD und GRÜNEN)

Während es insbesondere in den 90er-Jahren noch Ausbrüche zahlreicher Gefangener gab, konnten diese Zahlen in den letzten Jahren drastisch reduziert werden. In der Zeit von 1990 bis einschließlich 1999 sind insgesamt 242 Gefangene ausgebrochen. In den Jahren 2000 bis zum Regierungswechsel 2005 waren es noch 36 Gefangene. Im Jahr 2006 gab es keinen Ausbruch, im Jahr 2007 waren es 3, im Jahr 2008 gab es einen Ausbruch, und der aktuelle Ausbruch war der erste im Jahr 2009. Die Entwicklung ist auf dieser Grafik anschaulich dargestellt.

Meine Damen und Herren, das hat auch seine Gründe: Während die Koalition von SPD und Grünen in der letzten Legislaturperiode über 200 Stellen im Justizvollzug abgebaut hat, (Zuruf von der CDU: Hört! Hört!) haben wir über 500 Stellen neu eingerichtet und erhalten, sodass heute mehr Stellen als Ende 2005 vorhanden sind. Konkret heißt das: Wir haben durch unsere Personalverstärkung die Relation zwischen Stellen und Durchschnittsbelegung sowohl im allgemeinen Vollzugsdienst als auch in den Fachdiensten verbessert.

Die JVA Aachen ist mit 264 Stellen im allgemeinen Vollzugsdienst so ausgestattet wie die vergleichbaren Anstalten in Bochum und Werl. Hinzukommen zwei Ärzte, sechseinhalb Psychologen, vier Seelsorger, drei Pädagogen, elf Sozialarbeiter und 32 Werkdienstmitarbeiter, insgesamt also noch einmal 58 Mitarbeiter für die Betreuung der Gefangenen sowie 33 Verwaltungsmitarbeiter. Mit der jetzt vorgenommenen Dienstplangestaltung, die sich an das Modell der Dienstplangestaltung der JVA Köln anlehnt, ist eine sachgerechte Erfüllung der Aufgaben sichergestellt.

Mit der Personalausstattung, mit baulichen und technischen Maßnahmen wie beispielsweise kameraüberwachte Hafthausfassaden, Sicherheitszäune, verschiedene Detektionssysteme, Personennotrufanlagen und weitere Alarmierungssysteme ist in den Justizvollzugsanstalten des Landes ein hoher Sicherheitsstandard erreicht worden. Dieser wird durch eine gründliche Personalauswahl sowie eine gute Aus- und Fortbildung der Justizvollzugsbediensteten ergänzt.

Meine Damen und Herren, wenn unter Bezugnahme auf das Schreiben des Personalrats der Justizvollzugsanstalt Aachen behauptet wird, dass Stimmungen dort für den Ausbruch mit ursächlich geworden seien, bezeichne ich das als perfide Stimmungsmache. So sieht das auch der Personalrat, wie mir gestern der Vorsitzende gesagt hat.

Diejenigen, die jetzt weiter so argumentieren, sind es, die in Wirklichkeit der öffentlichen Sicherheit in unserem Lande schaden. Zudem diffamieren Sie auch die Vollzugsbeamten, die Tag für Tag ihren verantwortungsvollen Dienst tun. Stimmungslagen sind für die Vollzugsbeamten keine Veranlassung, ihre schwierige Aufgabe nicht verantwortungsbewusst zu erfüllen, ebenso wenig wie schlechte Stimmung für einen Arzt ein Grund wäre, nicht ordnungsgemäß zu operieren.

Die von der Ministerin gezeigte Grafik ist diesem Protokoll als Anlage beigefügt.