Die Anstalt in Aachen ist mit einer ich nenne es untechnisch Anschubfinanzierung versehen worden

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we hat in ihrer Rede schon auf die Historie hingewiesen. Was war denn eigentlich mit der hoch technisierten Justizvollzugsanstalt Aachen, als sie ans Netz gegangen ist?

Die Anstalt in Aachen ist mit einer ­ ich nenne es untechnisch ­ Anschubfinanzierung versehen worden. Man hat ihr ganz bewusst, einen deutlich überhöhten Teil Personal zugewiesen. Das, meine Damen und Herren, finden Sie auch in dem eben von Herrn Giebels zitierten Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Es ging um eine Entschließung zur Beschlussempfehlung und zum Bericht des Haushalts- und Finanzausschusses, also konkret um das Haushaltsgesetz und das Haushaltssicherungsgesetz 1999. Da finden Sie unter der Überschrift Zusätzliche Stellen für den Vollzug folgenden Hinweis, ich zitiere wörtlich:

Im Jahr 2003 können ­ unter der Voraussetzung eines entsprechenden Baufortschritts beim Erweiterungsbau der JVA Aachen ­ 40 Stellen des mittleren Dienstes eingespart werden.

Warum haben die Abgeordneten das damals geschrieben? Sie haben das aus gutem Grund geschrieben, weil sie natürlich wussten, dass Aachen ganz bewusst überproportional ausgestattet worden ist, um die Anstalt erst einmal ans Laufen zu bringen.

Meine Damen und Herren, im Jahr 2004 ist die Zweiganstalt aufgegeben worden.

Spätestens ab diesem Zeitpunkt war die Angelegenheit so geregelt.

Jetzt komme ich auf den neuen Dienstplan zu sprechen, meine Damen und Herren, der mehrmals von Ihnen genannt worden ist. Es wurde darauf hingewiesen, es habe Reduzierungen gegeben und was auch sonst. Ich sage Folgendes: Beanstanden kann man an dem Dienstplan etwas, und zwar die Terminologie. Sie erweckt nämlich den unzutreffenden Eindruck, es handele sich bei diesem neuen Dienstplan nicht um eine notwendige und längst überfällige Bereinigung, sondern um eine Interimsmaßnahme. Das ist natürlich nicht der Fall.

(Ralf Jäger [SPD]: Besser: Der Notdienstplan!)

Bei diesem neuen Dienstplan ist nichts anderes getan worden, als lupenrein bezogen auf die Hafthäuser 1 bis 5... Wenn Sie das von mir erbitten, werde ich Ihnen sehr gerne die Einzelheiten für jede Abteilung im Einzelnen aufschlüsseln; ich wäre dann für einen Hinweis dankbar. Ich sage Ihnen zunächst einmal, was im Einzelnen geschehen ist, meine Damen und Herren.

Man hat sich angeschaut, wie viele Dienstposten für welche Schicht und für jeweils welche Abteilung vorgesehen sind. Dann hat man festgestellt, dass bei diesen Dienstposten teilweise opulente Vorgaben existierten, die dazu führten, dass dabei eine Betreuungsrelation von um die 20 herauskam. Das ist natürlich in der heutigen Landschaft, in der wir landesweit bei einer vergleichbaren Klientel in der Größenordnung von ungefähr 45 liegen, nach Ablauf dieser Anschubfinanzierung unter keinem Gesichtspunkt mehr vertretbar. Die Leiterin der Anstalt hat nichts anderes getan, als den Dienstplan zu bereinigen, indem sie die Dienstposten dieser Betreuungsrelation angepasst hat.

Was ist dabei herausgekommen, meine Damen und Herren? Dabei ist im Ergebnis eine jetzt verbleibende Betreuungsrelation von 1:2,9 herausgekommen. Oder anders

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we ausgedrückt: Nur im allgemeinen Vollzugsdienst kommen auf einen einzigen Bediensteten weniger als drei Gefangene. Sie wissen alle, dass der AVD nicht der Einzige ist, sondern dass wir auch noch Fachdienste und dergleichen mehr haben.

Wenn wir einen Vergleich mit anderen Anstalten im Lande ziehen, dann stellen wir fest, dass 2,9 eine sehr komfortable Ausstattung ist.

Es gibt eine Anstalt, die eine sehr vergleichbare Klientel hat und die sich auch mit Sicherungsverwahrung befasst, nämlich die Justizvollzugsanstalt Werl. Sie hat auch eine Relation von 1:2,9. Allerdings hat diese Anstalt nicht die Hightech-Ausstattung mit Fassadendetektion und vielen anderen Dingen. Deshalb ist sie genötigt, über sogenannte Kanzeln zu arbeiten und diese Kanzeln im Dreischichtbetrieb mit Personal auszustatten. Das heißt, dieses Personal braucht die Anstalt bei dieser Betreuungsrelation von 1:2,9. Aachen braucht das nicht.

Meine Damen und Herren, ich komme zu den Antworten auf die weiteren Fragen.

Herr Abgeordneter Giebels hatte die Frage gestellt: Wie sieht das eigentlich mit den Überstunden aus? Bei den Überstunden kann man darauf hinweisen, dass wir ein großes Kontingent zur Anweisung bereitgestellt hatten, dass dieses Kontingent aber ganz erstaunlicherweise nur zu einem Bruchteil ausgeschöpft worden ist. Ende August 2009 wären insgesamt 29.000 Mehrarbeitsstunden anweisungsfähig gewesen.

Dazu muss man wissen, dass Anweisungsfähigkeit gewisser gesetzlicher Voraussetzung bedarf. Insbesondere muss eine Prognose gemacht werden, wie lange es dauern wird, bis man sie abgelten kann. Diese 29.000 Stunden sind nicht ausgeschöpft worden. Lediglich sind 6.060 Stunden angewiesen worden. Dann stellt sich die Frage: Warum ist dieses bereitgestellte Geld nicht abgerufen worden? Nun, den Bediensteten steht es frei, sich zu entschließen, ihr dazu erforderliches Einverständnis in Gestalt eines Antrags eben nicht zu erklären.

(Thomas Stotko [SPD]: Das bestätigt meine Einschätzung!)

­ Ich kritisiere das nicht, Herr Stotko, Sie haben völlig recht: Es steht dem Personal zu, Freizeitausgleich zu verlangen.

Das Prozedere, das völlig von anderen Anstalten des Landes abweicht, führt natürlich dazu, dass diese Anstalt viele Jahre lang ein Polster von Überstunden vor sich herschiebt, die natürlich aus gutem Grund nicht verfallen.

Jan Söffing (Justizministerium): Nachdem wir so viele Fakten im Einzelnen gehört haben, würde ich gerne noch auf eine Bemerkung eingehen, Herr Vorsitzender, meine Damen und Herren. Herr Jäger, ich meine, Sie eben so verstanden zu haben, als dass Sie zum Vollzugsamt und seiner Auflösung ausgeführt haben, früher sei alles in Ordnung gewesen. Deshalb habe man auch keine Geschäftsprüfungsberichte benötigt.

Das deckt sich nicht so ganz mit meiner Wahrnehmung aus der letzten Legislaturperiode, als ich noch Vorsitzender der Vollzugskommission war. Unter Umständen mag meine persönliche Wahrnehmung aus Sicht der Opposition falsch sein. Deswegen möchte ich einfach noch einmal auf einige Überschriften hinweisen, die ich in der Presseschau gefunden habe: Häftlinge holten sich nachts Alkohol für die Party. ­

54. Sitzung (öffentlicher Teil) we Nachts steigt im Knast die große Party. ­ Das düstere Geheimnis vom Gefängnis Ulmer Höh.

Ich denke, das wird sich in der Wahrnehmung nicht ganz voreinander bringen lassen, wenn es denn so gemeint war, Herr Jäger, dass früher alles in Ordnung gewesen sei.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Ich habe jetzt noch zwei Redner auf der Rednerliste ­ zufälligerweise ein Mitglied der Regierungsfraktionen und ein Mitglied der Opposition. Dann haben wir noch den Kollegen Stotko und den Kollegen Jäger. Ich möchte fragen, ob wir dann die Rednerliste schließen können.

Ralf Jäger (SPD): Herr Vorsitzender, wegen der Fragen, die wir noch stellen, und ihrer möglicher Beantwortung finde ich es nicht sinnvoll, jetzt schon zu sagen, ob die Rednerliste geschlossen wird oder nicht. Man sollte von der Beantwortung der gestellten Fragen abhängig machen, ob eine weitere Diskussion erforderlich ist.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Verstehen Sie das nur als einen dezenten Hinweis von mir ­ auch mit Blick auf die Uhr, mit Blick auf den PUA und mit Blick auf den vor uns liegenden nichtöffentlichen Teil. Aber ich will nichts abwürgen. Deswegen habe ich gefragt.

Harald Giebels (CDU): Ich möchte nur zwei kurze Punkte ansprechen. Noch einmal zu den Ausbruchszahlen: Im Jahr 1997 sind 26 Gefangene aus Gefängnissen ausgebrochen, (Thomas Stotko [SPD]: Null im Jahr 2004!) 18 im Jahr 2000, drei im Jahr 2005 und bisher einer im Jahr 2009 ­ hoffen wir, dass es dabei bleibt.

Von meinen Vorrednern von SPD und Grünen ist verschiedentlich das Thema Krankenstand thematisiert worden. Wir haben das Thema auch in der Vollzugskommission des Öfteren diskutiert. Aber Fakt ist doch ­ und das muss noch einmal deutlich werden ­: Bis 2005 haben Sie, Rot-Grün, bewusst keine Statistiken über die Krankenstände der Bediensteten führen lassen. Das muss man sich vor Augen halten.

Sie haben es bewusst unterlassen, Krankenstände unter den Bediensteten zu erfassen, weil Sie Angst hatten, überhaupt in solche Diskussionen hineinzukommen, geschweige denn, Maßnahmen dagegen treffen zu müssen. Das war Ihre Politik für den Vollzug seinerzeit.

Monika Düker (GRÜNE): Noch einmal zurück zu den Fakten. In dem Bericht der Ministerin heißt es, dass der Geschäftsbericht, der Ende September vorgelegt wurde, ein Überstundenkontingent von 44.821 Stunden ausweist. Frau Ministerin, ich fände es ganz schön, wenn Sie und nicht Herr Mainzer das beantworten würden, weil ich glaube, dass sich gerade diese Fakten und diese Zahlen für uns politisch dramatisch darstellen.