Regine Schwarzhoff Elternverein NRW Es gibt eine Menge Themen und Aspekte die wir bewältigen müssen

Der Zeitung von Samstag wiederum konnten wir entnehmen, in welchem Bereich der Landeselternbeirat sinnvoll ist, nämlich mitunter gegen Lehrerverbände oder Personalvertretungen. Die Schulen in Baden-Württemberg sollen mehr finanziellen Spielraum bekommen, das heißt, Pädagogen sollen von Schulleitern für spezielle Pflichten unmittelbar eingesetzt werden können. Der Hauptpersonalrat blockiert. Der Landeselternbeirat opponiert und unterstützt das Kultusministerium. Das steht überall in der Presse. In Gesprächen mit der GEW wird der LEB vielleicht etwas bewegen können. Insofern ist er oft ein hilfreicher Partner für das Kultusministerium.

Regine Schwarzhoff (Elternverein NRW): Es gibt eine Menge Themen und Aspekte, die wir bewältigen müssen. Hier den Überblick zu behalten, ist sehr schwierig. Ich möchte zunächst auf die Frage eingehen, wie man mit gewachsenen Strukturen umgeht. Frau Picker hat es dargestellt: Wenn die Elternschaft in Baden-Württemberg gefragt würde, ob sie eine andere Struktur, eine andere Organisation als bisher einführen wollte, dann würde höchstwahrscheinlich die überwiegende Mehrheit der Eltern sagen: Nein, wir sind mit dem zufrieden, was wir haben; denn das kennen wir.

Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Diese Haltung kann man sehr gut respektieren, denn Eltern sind ehrenamtlich tätig, offenbar auch in dem Landeselternbeirat. Sie schneiden sich die Zeit dafür aus den Rippen. Meistens sind sie neben ihrer eigenen Familientätigkeit auch noch berufstätig und müssen sehen, wie sie die Arbeit bewältigen. Sich dann noch in ein völlig neues System einzuarbeiten, alles umzukrempeln und gewachsene Strukturen zugunsten des mühsamen Aufbaus neuer Strukturen abzuschaffen, wäre aus meiner Sicht eine Zumutung für Eltern.

Das, was Frau Picker dargestellt hat, was der Landeselternbeirat an Vertretung der einzelnen Schularten in Gesprächen mit den Referenten im Ministerium, mit den schulpolitischen Sprechern der Fraktionen leistet, machen wir auch alles, nur mit den entsprechenden Verbänden. Diese Arbeit findet in Nordrhein-Westfalen genauso gut statt. Mit genauso gut will ich das nicht in der Qualität werten, sondern meine damit, dass es durch engagierte Elternvertreter stattfindet, denn nur sie lassen sich in solch einen Verband wählen.

Dort haben wir den entscheidenden Unterschied. Wer lässt sich denn in schulische Ämter wählen? Ich habe drei Kinder und kenne es schon aus den Klassenpflegschaften. Es sind entweder diejenigen, die nicht Nein sagen können und ohnehin engagiert sind, oder diejenigen, die unbedingt Einfluss haben und ihre Dinge durchziehen möchten. Wir haben gerade kürzlich von einer Grundschulmutter ­ schütteln Sie nicht den Kopf, Frau Beer ­ die Beschwerde auf dem Tisch gehabt, dass ein gewählter Klassenpflegschaftsvertreter seine Stellvertreterin und die Mehrheit der Eltern systematisch übergangen ist und sich an das Amt geklammert hat, nur um Einfluss auszuüben. Das ist ein ganz außergewöhnlicher Fall, der mich sehr erstaunt hat. Die Mehrheit der Eltern hat nur auf Klassenebene... (Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE]) Darf ich ausreden, Frau Beer? Vorsitzender Wolfgang Große Brömer: Ich bitte um Nachsicht. Wir sind jetzt nicht in einer Debatte. Ich habe den Eindruck, dass Frau Beer nur noch auf einen kleinen Aspekt hinweisen möchte. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn sie ihn loswerden könnte, dann können Sie direkt darauf eingehen, Frau Schwarzhoff, aber nur mit Ihrem Einverständnis. Wenn Sie lieber fort fahren möchten, bitte.

Regine Schwarzhoff (Elternverein NRW): Bitte sehr.

Sigrid Beer (GRÜNE): Danke schön. Ich möchte nicht unhöflich sein, empfinde es aber im Augenblick als eine äußerst merkwürdige Situation für Frauen Picker. Sie unterstellen einer Elternvertreterin bestimmte Dinge, die so nicht zutreffen. Vielleicht können Sie das noch einmal deutlich machen. Es ist ein sehr theoretisches Konstrukt. Ich empfinde es als eine sehr unangenehme Situation für Frau Picker, wenn Sie diese Äußerungen so abgeben. Das finde ich schwierig.

Regine Schwarzhoff (Elternverein NRW): Vielen Dank für den Hinweis, Frau Beer.

Ich glaube, Frau Picker hat es nicht so aufgefasst, dass ich ihr als einer sehr engagierten Mutter, wie wir sie hier erleben, irgendwelche Unterstellungen unterschieben möchte. Ich meine, sie hat verstanden, dass ich nur darauf hinweisen wollte, dass in unserer Systematik auf allen Ebenen engagierte Menschen am Ball sind.

Ich kann und will das System Baden-Württembergs nicht bewerten und halte mich dort vollkommen heraus. Ich bitte Sie alle, das nicht so zu verstehen. Das wäre eine unverschämte Anmaßung, die mir vollkommen fernliegt. Ich kann nur unser System bewerten, in dem wir über lange Jahre intensiv mit vielen Verbänden und vielen verschiedenen Ministerien zusammengearbeitet haben.

Deswegen kann ich Ihren Einwand, Frau Schäfer, nicht recht zuordnen. Sie sagten vorhin, nur zwei Elternverbändetreffen im Jahr würden nicht ausreichen. Zu Ihrer Amtszeit als Ministerin waren es auch nicht mehr, sondern eher weniger. Es hätte Ihnen ja freigestanden, das anders zu machen. Wenn der Gesprächsbedarf da ist, stehen wir Elternverbände gerne zur Verfügung.

Frau Picker hat uns bei der Beschreibung ihrer Arbeit auch einen sehr glücklichen Umstand dargestellt, nämlich dass sie, weil sie Mutter eines behinderten Kindes ist, sehr aktiv ein Minderheitsvotum hat wahrnehmen können. Ich fürchte, das ist nicht auf Dauer zu gewährleisten.

Um die Elternstiftung, die Elternfortbildungen und -qualifizierungen für die Mitwirkung leistet ­ das gebe ich zu, Frau Picker ­, beneide ich die Eltern in. Das könnten wir auch in Nordrhein-Westfalen gut gebrauchen, das würde uns helfen.

In Zusammenarbeit mit dem Schulministerium werden Elternsymposien abgehalten, ein Elternkongress ist geplant usw. Wir sind nach unserem Bedarf gefragt worden und welche Unterstützung wir brauchen. Dazu haben alle Verbände ihre Wünsche kundgetan. Diese sind nicht nur gehört worden, sondern sie befinden sich in Umsetzung.

Die Elternstiftung zeigt nach meiner Einschätzung ­ bitte korrigieren Sie mich, Frau Picker, wenn ich es missverstanden habe ­, dass auch Sie in Baden-Württemberg in der Qualifizierung und Befähigung der Eltern, ihre Mitwirkungsrechte wahrzunehmen, noch Verbesserungsbedarf haben. Das zeigt auch, dass sämtliche Systeme, so unterschiedlich sie sein mögen, nie das absolut Gelbe vom Ei sind, sondern sie können nur ein Konstrukt sein, aus dem jeder einzelne engagierte Mitwirkende das Beste machen kann oder auch nicht, wenn er darauf verzichtet.

Wir führen in gewisser Weise eine Stellvertreterdiskussion. Das, was ich in unserer parlamentarischen Demokratie ein bisschen vermisse, sind Entscheidungen, an denen man abliest, dass jeder einzelne gewählte Volksvertreter per Verfassung seinem Gewissen gegenüber verantwortlich ist und nach einem Gewissen ­ nach Abwägung sämtlicher Argumente, Für und Wider ­ möglichst reell entscheidet. Das kommt sehr wenig in der Öffentlichkeit oder für die Bürger sichtbar zum Ausdruck; es tut mir leid, das hier so sagen zu müssen. Es klingt nach einer sehr pauschalen Kritik, aber leider machen wir diese Erfahrung ganz häufig, die sich auf allen möglichen Ebenen wiederholt.

Mir scheint, ein Landeselternrat ist ein klein bisschen der Versuch, Verantwortung an gewählte Elternvertreter abzuschieben und sich darauf zurückzuziehen. Die Eltern haben entschieden, die Mehrheit will es so, deswegen setzen wir das um. Solche Versuche hat es schon gegeben. Das verkürzt die Sachverhalte und gibt bei uns in Nordrhein-Westfalen nicht genügend Raum, damit auch einzelne, von der Mehrheitsauffassung abweichende Äußerungen berücksichtigt werden. Das ist meine Hauptsorge, die ich auch den Ausführungen von Frau Pinkert entnommen habe.

Der Elternrat Hauptschulen zum Beispiel ist außer durch eine schriftliche Stellungnahme überhaupt nicht vertreten. Dort, wo Eltern gezielt politisch mit Stigmatisierung, mit Diffamierung konfrontiert werden, ihnen eingeredet werden soll, dass ihren Kindern keine guten Chancen erwachsen, wenn sie an einer bestimmten Schule angesiedelt sind, gehen sie mit einer schweren Bürde auf ihrem Selbstbewusstsein an solche Dinge heran oder trauen sich auch gar nicht. Bei uns in Nordrhein-Westfalen ist diese Diskussion leider, zu meinem tiefen Bedauern, viel zu sehr von politischen und ideologischen und viel zu wenig von pädagogischen Gesichtspunkten geprägt.

Die müssen meiner Meinung nach im Mittelpunkt stehen. Deswegen habe ich auch nichts dagegen, wenn ich als Lobbyistin bezeichnet werde. Ich bin nämlich Lobbyistin für Kinder.

Martin Depenbrock (Landeselternschaft Grundschulen NW): Frau Kastner hatte vorhin nach der demokratischen Legitimation eines Vereins gefragt, was ich meinerseits infrage gestellt hatte. Frau Beer hat das eigentlich klargestellt. Es gibt etwa 3.300 Grundschulen in NRW. Von diesen vertritt die Landeselternschaft Grundschulen etwa 10 %, mit Sicherheit die meisten, denn die anderen Verbände vertreten Grundschulen nur marginal. Insofern sind 90 % nicht vertreten. Ich habe es einmal durchgerechnet: Etwa 1,5 Millionen Eltern werden nicht vertreten. Deren Meinung hört niemand, danach fragt keiner.