Inklusion

Klaus Hebborn (Städtetag Nordrhein-Westfalen): Ich will gerne versuchen, sehr kurz auf die Fragen zu antworten. ­ Zunächst erlaube ich mir eine Bemerkung zu dem Begriff Rückbau. Ich finde es zu einseitig, bei Demografie nur von Rückbau im Sinne negativer Entwicklungen zu sprechen.

(Prof. Dr. Bernd Zymek [Institut für Erziehungswissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität, Münster]: Rückbau und Umbau!)

­ Ich wollte es nur einmal sagen. Unter unseren Mitgliedern gibt es nämlich auch Städte, die Zugewinne haben werden. Das sind zum Beispiel die ganzen Städte auf der Rheinschiene ­ Bonn, Köln, Düsseldorf usw. ­, aber auch eine Reihe von Städten im kreisangehörigen Raum. Hier bedeutet die demografische Entwicklung also nicht nur Rückbau. Natürlich ist aber richtig, dass es in der Gesamtsicht zum Teil Rückbau ist ­ aber auch Umbau.

Darauf basiert meine nächste Bemerkung. Demografie ist auch eine Chance. Ich will jetzt nicht das oft gebrauchte Wort der Demografierendite bemühen. Dieser Begriff macht aber schon deutlich, dass mit diesen Veränderungen auch durchaus positive Entwicklungen in der Bildung erreicht werden können, wenn man es denn richtig macht. Dieser Hinweis ist mir wichtig.

Die Frage von Frau Hendricks lautete, wie die Kommunen mit den Konflikten umgehen. Unsere Mitglieder sind nun vor allen Dingen Großstädte, größere Städte und mittlere Städte. Unter ihnen ist eine gewisse Konkurrenz ­ ich will gar nicht von Konflikten sprechen ­ normal. Die Großstädte befinden sich alle in einer Konkurrenzsituation. So gibt es im Ruhrgebiet eine ganz verdichtete Konkurrenz. Sie ist normal und liegt im Übrigen in allen anderen Bereichen genauso vor, also auch bei der Wirtschaftsförderung und allen möglichen Dingen. Diese Konkurrenz ist im Übrigen nicht negativ zu sehen; denn sie befördert durchaus auch Entwicklungen. Unser Eindruck ist, dass sich diese Konkurrenz gerade auch in der Bildung in Form eines zusätzlichen kommunalen Engagements positiv niederschlägt. Insofern muss man versuchen, trotz dieser Situation tragfähige Modelle zu finden. Dorthin kommt man aber nur mit Kompromissen. Bei unserem Vorschlag handelt es sich um ein sehr pragmatisches Kompromissmodell, das auch den unterschiedlichen politischen Verantwortlichkeiten Rechnung zu tragen versucht.

Wichtig ist mir aber folgender Punkt, der auch in unserem Verband eine große Rolle spielt: Trotz dieser Konkurrenz brauchen wir eine Chancengleichheit der Städte; denn wir haben Städte mit sehr unterschiedlichen Finanzsituationen ­ wobei man im Moment eigentlich nur davon sprechen kann, dass ihre finanzielle Lage unterschiedlich schlecht ist. Es gibt also bestimmte Eskalationsstufen, die von gewissen Städten dann überschritten werden. Wir brauchen aber eine Chancengleichheit der Städte, damit sie in vergleichbarer Art und Weise in der Lage sind, sich für die Bildung in ihrer Stadt zu engagieren. Für die Sicherstellung dieser Chancengleichheit ist natürlich insbesondere das Land mit dem kommunalen Finanzausgleich zuständig. Dieses Problem haben wir. Auf andere Aspekte wie die Altschuldenproblematik usw. will ich an dieser Stelle gar nicht eingehen. Frau Pieper-von Heiden, es ist natürlich eine Fundamentalfrage, wie man bei dem Problem der inneren und äußeren Schulangelegenheiten weiterkommen kann. Sie ist ähnlich umfassend wie die Frage, wie man den Föderalismus in Deutschland neu regeln kann. Ich sage einmal so: Die Analyse ist relativ klar. Wir nehmen unsere Schulaufgaben als Kommunen und Land im Moment auf einer Grundlage von 1959 wahr.

Damals ist nämlich die Schulfinanzierung im Grundsatz so geregelt worden, wie sie jetzt besteht. Wenn man sich anschaut, wie viel Schulentwicklung inzwischen stattgefunden hat ­ denken Sie nur an die Ganztagsangebote, die völlig andere Vernetzung von Schule mit dem örtlichen Umfeld und das Thema Inklusion; ich könnte noch viele weitere Beispiele nennen ­, stellt man fest, dass sich die Bedarfe der Schule sowohl in Bezug auf die Sachausstattung als insbesondere auch in Bezug auf die Personalausstattung sehr stark verändert haben. Dafür bietet das Schulrecht keine Lösungen. Immer dann, wenn etwas anderes als Verwaltungspersonal oder lehrendes Personal an den Schulen erforderlich wird, stehen wir im Streit mit dem Schulministerium über die Frage, wer das denn bezahlt. Dieser Zustand ist unerträglich. Das ist das eigentliche Problem im Zusammenhang mit der Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten.

Unser Vorschlag lautet, dass wir uns an den Bedarfen der Schulen orientiert über eine neue Verteilung der entsprechenden Lasten verständigen ­ natürlich auch unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit der Partner. Ich kann Ihre Frage im Moment nur so allgemein beantworten.

Ich glaube aber, dass es schon Wege gibt. Man muss das Ganze dann auch sehr differenziert betrachten und sich zum Beispiel auch das Thema Schülerfahrkosten ansehen. Hier ist die Frage in den Blick zu nehmen, ob denn das Wohnortprinzip oder das Schulträgerprinzip durchgängig für alle Belastungen gilt. Es handelt sich also schon um ein größeres Thema, an dem man arbeiten muss. Unsere Kritik ist, dass man bisher nicht darangegangen ist und dass es keine erkennbaren Tendenzen gibt, sich mit diesem Thema zu befassen. Auf der anderen Seite nehme ich zur Kenntnis, dass die ifo-Kommission, die sich im Moment mit dem kommunalen Finanzausgleich beschäftigt, sehr wohl über genau diese Dinge spricht. Das geschieht aber ohne Einbeziehung des Schulbereichs ­ jedenfalls von der Seite der Landesregierung her; dort ist das Innenministerium federführend. In diesem Rahmen unterhält man sich über den Schüleransatz sowie die Schul- und Bildungspauschale. Meines Erachtens muss das alles zusammengebunden werden, um zu einem vernünftigen Konzept zu kommen.

Frau Schäfer, Sie haben nach der Reaktion der Landesregierung auf unseren Vorschlag gefragt. Dazu kann ich Folgendes sagen: Nach gewissen Verzögerungen hat es Kontakte und Gespräche gegeben. Wir haben auch mit den Fraktionen des Landtags darüber gesprochen. Ganz konkret steht nächste Woche noch ein Termin des Städtetages mit Herrn Staatssekretär Winands zu dieser Frage an. Wir befinden uns hier also in einer Diskussion. Im Übrigen ist es nicht verwunderlich, dass dieser Vorschlag nicht sofort mit Begeisterung aufgenommen und umgesetzt worden ist. Es finden aber durchaus Gespräche darüber statt. Herr Kaiser, Sie haben eine Frage zur Erhöhung der Schulpauschale gestellt. Ich habe schon einmal gesagt, dass wir zu der Schulpauschale stehen, die Erhöhungen aber kritisch sehen ­ auch für Nothaushaltsgemeinden. Das ist nämlich nur eine vordergründige Hilfe für die Gemeinden; denn wenn die Verbundmasse sich nicht erhöht, wird durch solche Umschichtungen der kommunale Handlungsspielraum insgesamt natürlich eingeschränkt. Für den Schulbereich mag man das vielleicht auf den ersten Blick befürworten. Wir stellen aber fest, dass die Kommunen versuchen, die Verluste, die sie an anderer Stelle erleiden, auch durch eine entsprechende Gestaltung ihrer Haushalte mit Bezug auf die Schule aufzufangen, um das Ganze einigermaßen in der Waage zu halten. Darüber hinaus weise ich darauf hin, dass die Anhebung der Schulpauschale von ursprünglich 460 Millionen auf jetzt 600 Millionen aufgrund der Zweckerweiterung zu einer Bildungspauschale, mit der nun auch der gesamte Bereich der frühkindlichen Bildung abgedeckt werden muss, keine wirkliche Erhöhung darstellt, sondern letztlich eine Festschreibung des Status quo. Trotzdem sage ich für unseren Verband: Wir stehen zu dieser Pauschale und halten sie vom Grundsatz her für ein sinnvolles Instrument.

Dr. Matthias Menzel (Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen): Frau Pieper-von Heiden, Sie haben nach der Unterscheidung zwischen inneren und äußeren Schulangelegenheiten gefragt. Hierzu hat Herr Hebborn hinreichend ausgeführt.

Die von ihm dargestellte Position vertreten auch wir. Das Problem ist, dass man in diesem Bereich nur sehr schwierig zu einer Einigung kommen wird. Zu Beginn der Legislaturperiode haben bereits Gespräche mit dem Ministerium für Schule und Weiterbildung stattgefunden. Wir haben also schon über dieses Thema diskutiert. Außerdem haben wir eine Umfrage über Schulkosten durchgeführt. Das Problem bei diesen Diskussionen ist immer das gleiche: Jede Seite achtet im Grunde genommen darauf, dass sie nicht mehr zahlen muss als bislang. Daran haben die Gespräche immer ein bisschen gehakt, was dazu geführt hat, dass man dann wieder auseinandergegangen ist. Herr Hebborn hat recht: Dieses Thema muss einmal grundlegend angegangen werden, weil die momentan geltende Aufteilung nicht mehr aktuell ist.

Dann muss man aber die Scheuklappen ablegen und über Themenbereiche diskutieren, die zugewiesen werden, ohne dass jede Seite ständig nachrechnet, ob sie sich dabei schlechter oder besser steht.

Ihre zweite Frage bezog sich auf den Genehmigungsvorbehalt. Ich gebe zu, dass unsere schriftliche Stellungnahme an dieser Stelle etwas misslich formuliert sein mag. Wir meinten Folgendes: Mit der Genehmigung einer Verbundschule beschäftigt sich nach unserem Eindruck stets intensiv das Schulministerium. Das halten wir nicht für erforderlich. Eine Verbundschule sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wenn dieser Wunsch vor Ort artikuliert wird und das Ganze mit der Bezirksregierung abgestimmt ist, sollte dies klar sein. Das wollten wir in unserer Stellungnahme letztendlich zum Ausdruck bringen.

Herr Kaiser, Sie haben das Thema Inklusion angesprochen. In der Tat war die Veranstaltung im Ministerium für Schule und Weiterbildung am Montag dieser Woche sehr wichtig. Sie war ein erster Aufschlag mit sämtlichen Akteuren. Meines Wissens haben über 80 Vertreter von Organisationen daran teilgenommen.