Fortbildung

Arbeitsleistungen auch aus den verschiedenen Frauenhausleitungen? Das möchte ich ganz klar sagen.

Marion Steffens (LAG Autonomer Frauenhäuser NRW): Ich möchte mich auf drei Punkte konzentrieren: Frau van Dinther hat angesprochen, ob nicht die vielen Einrichtungen, die kommunal geschaffen wurden, zur Entlastung führen ­ denn das sei ja der Sinn der Schaffung dieser Einrichtungen gewesen ­ und ob nicht auch die von Gewalt betroffenen Frauen die Entlastungen spüren und damit weniger Unterstützung brauchen würden. Das ist das eine Spektrum. Sie sprachen in Ihrer Frage auch das Frühwarnsystem und die Reduzierung der Plätze an. Auch darauf möchte ich noch kurz eingehen. Ferner wurde die Verschärfung des § 36 a SGB II thematisiert, wobei es um den kommunalen Ausgleich geht, zu dem ich auch noch etwas sagen möchte.

Zunächst zu der grundsätzlichen Frage: Schaffen Einrichtungen Entlastung? Wir können aus Sicht der Frauenhäuser ­ ich darf in diesem Fall auch aus der Perspektive der Frauenberatungsstelle sprechen, da ich da auch arbeite ­ sagen, dass eine Einrichtung an sich erst einmal überhaupt keine Entlastung schafft. Wenn, dann sind es die Menschen, die darin arbeiten. Das ist genau das Problem, das wir haben, dass wenigen Frauen zu viele Aufgaben gegenüberstehen. Diese Aufgaben haben sich verstärkt, unter anderem durch den § 34 a. Ich sage das immer an Beispielen, damit Sie sich das besser vorstellen können.

Für den Bereich Frauenberatung Ennepe-Ruhr hat der § 34 a NRW ­ das ist die polizeiliche Wohnungsverweisung ­ dazu geführt, dass wir einen jährlichen Anstieg der Beratungen der proaktiven, also der aufsuchenden Beratung von 40 % haben, seitdem das Gesetz erlassen wurde. Es ist bis jetzt kontinuierlich so fortgeschritten. Wir haben dadurch keine Entlastung, sondern einen erheblichen Mehraufwand, der allerdings damals nicht berücksichtigt wurde. Die Frauenberatungsstellen haben ja deshalb nicht mehr Personal für die Beratungen bekommen.

Nehmen wir die Felder Frühwarnsystem, den gesamten Kontext frühe Hilfen, Kooperation mit der Polizei, mit den Gerichten, den gesamten Gesundheitsbereich: All das bedeutet für uns als Expertinnen in der Anti-Gewalt-Arbeit, dass wir uns einem stärkeren Ausmaß an Kooperationsanforderungen gegenübergestellt sehen, die wir wahrnehmen müssen. Es gibt mehr Treffen, es gibt Fortbildungen, die wir durchführen sollen, zu denen wir angefragt werden, was wir auch tun. Wir haben zusätzlich immer wieder Arbeitsbesprechungen auch mit der Polizei, um das Verfahren nach § 34 a NRW zu optimieren.

Frau Köhler hat es gerade angesprochen. Es geht auch um die Frage des Gewaltschutzgesetzes. Das Gewaltschutzgesetz funktioniert ja auch nicht einfach so, sondern die Frauen, die das in Anspruch nehmen wollen, kommen in die Beratungsstelle und wollen Beratung, die auch dringend notwendig ist. Es hat sich herausgestellt, dass die Tatsache, dass ein Mann Widerspruch gegen einen Beschluss einlegt, der im Rahmen des Gewaltschutzgesetzes ergangen ist, in unserem Polizeibezirk regelmäßig zu einem Vergleich führt. Vergleich heißt: Die Frau muss sich damit auseinandersetzen und sich fragen: Worauf kann ich mich im Gespräch mit dem Täter, also mit dem Mann, der mir Gewalt antut, einlassen? Kann ich davon ausgehen, dass er mich, wenn ich jetzt zu dem und jenem Ja sage, dann in Ruhe lässt? Es ist eigentlich ein Mehraufwand.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Frauenhäuser, das gilt ja nicht nur für die ambulante Beratung. Auch die Frauenhäuser sind genau den gleichen Fragen ausgesetzt. Gewaltschutzgesetz, die Frage der Schutzanordnung betrifft Frauenhäuser, die Kooperation betrifft Frauenhäuser. Mit anderen Worten bedeutet das: immer weniger Geld, immer weniger Personal, immer mehr Aufgaben.

Die Frage der 130 Plätze ­ es waren, genau genommen, nur 129 ­ ist eine direkte Auswirkung der Kürzung in 2006 gewesen, die natürlich nicht sofort in 2006 zu spüren war. Die Frauenhäuser mussten eine 30-prozentige Kürzung hinnehmen. Es wurde Personal abgebaut. Wir hatten höchstens drei Wochen Zeit, die Kürzung umzusetzen, die zum 1. Januar galt. Die Frauenhäuser haben natürlich zunächst versucht, den Personalbestand und die Platzzahl zu halten. Sie haben versucht, die Kürzung anders zu kompensieren. Das war auf Dauer nicht durchführbar. Insofern kam es unter anderem zum Platzabbau von 129 Plätzen. Es kam darüber hinaus zur reduzierten Wahrnehmung von Aufgaben. Frauenhäuser konnten weniger an Kooperationen teilnehmen, obwohl sie nachgefragt wurden etc. Das haben wir schon alles ausführlich dargestellt und ist auch unserer Stellungnahme zu entnehmen.

Die Klarstellung der Kostenerstattungsregelung ­ das ist keine Verschärfung ­ im Rahmen des SGB II: Das Problem, das wir haben ­ es wurde hinreichend in den unterschiedlichen Stellungnahmen dargelegt ­, ist ­ Frau Fischer hat es gerade noch einmal deutlich erörtert ­, dass es sich um eine arbeitsmarktpolitische Regelung handelt. Es geht eigentlich um die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt.

Der § 16 SGB II, nach dem die meisten Betreuungskosten abgerechnet werden, hat genau dieses Ziel. Das bedeutet, dass ­ wenn man es ganz eng sieht, war es auch schon immer so ­ eine ganze Menge an Kosten, die in Frauenhäusern und zur Führung eines Frauenhauses anfallen, gar nicht abrechenbar sind. Wir haben einerseits die Möglichkeit im Rahmen des SGB II, die Kosten für die Unterkunft zu übernehmen, und andererseits haben wir die Kosten für die Betreuung im Rahmen des § 16 a. Es bleiben also Kosten übrig.

Der Gesetzgeber bzw. das MAGS hat klargestellt ­ das hat auch etwas mit der Kostenerstattung durch den Bund zu tun ­, dass die Frauenhäuser nun genauer definieren sollen, was genau Kosten zur Unterkunft, die von allen sachfremden Kosten, die da möglicherweise enthalten waren, bereinigt werden, und was genau Kosten zur Betreuung sind. Vor Ort wird das ganz unterschiedlich umgesetzt ­ das für diejenigen, die mit der Umsetzung von Sozialgesetzen nicht so vertraut sind. Das ist ja die Regel im SGB II. Sie haben in Köln völlig andere Bedingungen als beispielsweise im Ennepe-Ruhr-Kreis, in Bonn oder in Stuttgart.

Für uns im Ennepe-Ruhr-Kreis heißt das, um es an einem Beispiel plastisch zu machen: Wir sollen auf der einen Seite deutlich machen, was Kosten zur Unterkunft bzw. Kosten zur Betreuung sind. Wir sollen aber auch die Betreuungskosten in Leistungspakete, in Leistungsmodule aufschlüsseln. Zum Beispiel: Eine Frau kommt zu uns ins Frauenhaus. Für die direkte Krisenintervention setzen wir im Durchschnitt zehn Stunden an, also Leistungsmodul zehn Stunden Beratung, Krisenintervention.

Natürlich sind die Frauen, die zu uns kommen, völlig unterschiedlich. Man kann es nicht pauschalieren. Aber das sind genau die Diskussionen, die im Moment geführt werden. Dazu kommt dann vielleicht ein Aufbaumodul Wohnungssuche oder ein Aufbaumodul Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. All das sollen wir also plötzlich spezifizieren, klassifizieren, in leicht handelbare Kistchen packen.

Abgesehen davon, dass es so nicht geht, wurde aber auch sehr deutlich und zwar wörtlich signalisiert: Die Finanzierung des Frauenhauses ist Ihr Problem. Unser Problem ist lediglich die Übernahme der Betreuungskosten. Mit anderen Worten, es war vollkommen klar, dass ein Teil der Leistungen, die Frauenhäuser erbringen, und ein Teil der Kosten, die in Frauenhäusern nun eben anfallen, durch die reine Übernahme der Unterkunftskosten und die reine Übernahme der Betreuungskosten nicht abgedeckt sind, auch nicht durch die Zuschüsse des Landes, sodass hier eine deutliche Finanzierungslücke entstehen wird ­ zumindest bei uns im Ennepe-Ruhr-Kreis. Ich bitte noch einmal ausdrücklich wahrzunehmen, dass das in allen Kommunen unterschiedlich ist. Fragen Sie jetzt nicht in Ihrer Gemeinde nach! Da ist es vielleicht ganz anders.

Aber bei uns ist es so. Dadurch wird eine erhebliche Finanzierungslücke entstehen, die uns natürlich in der Existenz bedroht. Es ist davon auszugehen, dass solche Regelungen, wenn sie einmal durchgesetzt sind, natürlich von anderen Kommunen übernommen werden, sofern darin ein Sparpotenzial steckt. Das ist auch nachvollziehbar, weil der finanzielle Druck immer so groß ist.

Es ist natürlich in keiner Weise sachgerecht, und es wird dem Problem, über das wir hier reden, und da möchte ich mich noch einmal auf Frau Fischer beziehen, die es mit dem fünften Gebot Du sollst nicht töten begründet, gerecht. Ich begründe es auch gerne mit unserer Verfassung, mit Art. 2 des Grundgesetzes. Es geht hier tatsächlich um körperliche Unversehrtheit, um das Recht der Frauen auf Leben und Freiheit. Das ist das, worüber wir hier reden. Insofern bitte ich, auch das verantwortlich aufzunehmen.

Das, was ich schon in der Bundestagsanhörung erlebt habe, möchte ich nicht weiter erleben, nämlich einen Verschiebebahnhof von Verantwortung, einerseits vom Bund auf das Land, indem der Bund sagt: Wir haben ein föderales System, die Länder sind zuständig. Die Länder meinen: Ist das nicht eine Frage der kommunalen Daseinsvorsorge? Die Kommunen sagen: Wir haben sowieso kein Geld, sollen es doch die Träger selber finanzieren. Ich möchte Ihnen nicht zu nahe treten, aber letztendlich ist es in der Praxis so. Sie alle sind sich Ihrer Zwänge natürlich sehr bewusst, die möchte ich auch gar nicht verneinen. Wichtig ist aber, dass wir alle gemeinsam sehen, wo die Handlungskompetenzen sind und was wir tun können, um die Frauenhäuser und die Beratungseinrichtungen zu erhalten.

Nicola Leiska-Stephan (Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e. V.): Jetzt bleibt, glaube ich, nicht mehr viel übrig. Alles, was ich jetzt sage, wird nur Wiederholung.