Als ich den Antrag gestellt habe war ich im dritten Semester

Deshalb fordere ich, dass die Landesregierung das genau prüft, damit auch Gehörlose, Schwerhörige und Spätertaubte einen Dolmetscher oder eine Schreibkraft bekommen und die Kosten übernommen werden. Es geht darum, dass diese Menschen nicht dauernd auf Barrieren stoßen dürfen und somit nicht studieren können.

Als ich den Antrag gestellt habe, war ich im dritten Semester. Jetzt wurden die Kosten endlich übernommen. Dies geschah aber erst, nachdem mir die Arbeitsagentur bestätigt hatte, dass ich in meinem erlernten Beruf in Deutschland keine Jobchance hätte. Deswegen wurden die Kosten im Rahmen des Studiums übernommen.

Hinzu kommt Folgendes: Dass die Kosten übernommen werden, ist an die Bedingung geknüpft, dass ich mein Erspartes bis auf 2.500 aufbrauchen muss. Ich musste meinen Bausparvertrag kündigen. Ich musste das Geld, das ich von meinen Großeltern bekam und für meine Rente, für ein Auto und für eine Eigentumswohnung sparte, einbringen. Das war für mich wirklich schlimm. Ich bin aber nicht der Einzige in dieser Situation, sondern habe von vielen Gehörlosen und Schwerhörigen gehört, dass es bei ihnen ähnlich gelaufen ist. Deswegen möchte ich Sie darum bitten, dass es ermöglicht wird, dass die Kosten für ein Aufbaustudium für Schwerhörige, für Gehörlose und für Spätertaubte übernommen werden.

Bei Hörenden ist es auch so: Wenn Hörende noch studieren wollen, dann ist das kein Problem. Sie müssen ihr Vermögen nicht reduzieren. Sie haben alle Möglichkeiten. Bei uns ist es anders.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Vielen Dank. ­ Herr Riekötter hat eben erwähnt. Hierzu gibt es eine Nachfrage. Sind dies diejenigen, die nicht von Geburt an taubblind sind, sondern aufgrund eines genetischen Defektes erst später taubblind werden? Ist das die richtige Erklärung?

Hermann Riekötter (Landesverband der Gehörlosen NRW): Ja, das ist richtig.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Nun ist auch der Ausschuss aufgeklärt. Herzlichen Dank. ­ Als Nächstes spricht für den Landesverband NRW des Deutschen Schwerhörigenbundes Herr Norbert Merschieve. Bitte schön.

Norbert Merschieve (Landesverband NRW des Deutschen Schwerhörigenbundes): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte an die Ausführungen von Herrn Woltemate anknüpfen. An diesem markanten Beispiel kann man sehen, dass gerade bei Menschen mit Sinnesbehinderungen das Thema Barrierefreiheit sehr oft vergessen wird. Aufgrund dieser unsichtbaren Behinderungen ist es oft so, dass das Thema Barrierefreiheit zwar für sehr viele Behindertengruppen umgesetzt wird, Schwerhörige, Gehörlose und auch Sehbehinderte aber vergessen werden.

Ich möchte ergänzen, was Frau Vollmer zum Bereich Bildung sagte. Nicht nur die Regelschulen müssen sich verändern. Vielmehr müssen alle Weiterbildungseinrich4 tungen, alle Universitäten testen, prüfen und erforschen, was sie im Sinne der Menschen mit Behinderungen verändern können.

Herr Zimmer sprach das Thema Demenz an. Leider ist es oft so, dass nicht erkannt wird, dass demente Patienten eigentlich nur schwerhörig sind. Die Kommunikationsfähigkeit ist eingeschränkt. Das Verhalten ist demenzähnlich. Leider wird sehr oft der Aspekt vergessen, dass ein anderes Krankheitsbild vorhanden sein kann. Ich finde die Ausführungen von Herrn Zimmer sehr hilfreich.

Hinsichtlich der Ausbildung von Ärzten möchte ich ergänzen, dass es sehr wichtig und auch notwendig wäre, gerade die Behindertenselbsthilfe von Anfang an in die Ausbildung und in die Weiterbildung mit einzubinden. Gerade in Bezug auf die Curricula, die angesprochen sind, können wir als Betroffene Empfehlungen zum Zeit- und Kostenfaktor geben und uns einbringen. Wir können uns auch in die Unterweisung bzw. den Unterricht der angehenden Ärzte und Schwestern einbringen. Es müssen keine studierten Fachleute sein, die aus der Theorie kommen.

Gerd Kozyk (Blinden- und Sehbehindertenvereine in Nordrhein-Westfalen e. V.): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Vielen Dank für die Einladung und die Möglichkeit, hier Stellung zu nehmen. Ich möchte für die Arbeitsgemeinschaft der Blinden- und Sehbehindertenvereine in Nordrhein-Westfalen zur Evaluation des Gesetzes über die Hilfen für Blinde und Gehörlose von der Landesregierung sprechen.

Die Landesregierung zieht das Fazit, dass sich dieses Gesetz in seinem Grundsatz bewährt hat. Wir stimmen dem zu. Dieses Gesetz hat sich mehr als grundsätzlich bewährt. Wir betrachten es geradezu als Eckpfeiler in der bundesdeutschen und nordrhein-westfälischen Sozialpolitik. Es ermöglicht und hilft blinden Menschen, die selbstständige Teilhabe in unserer Gesellschaft zu finanzieren. Denn sie ist vor dem Hintergrund dieser Behinderung maßgeblich mit Assistenzleistungen der häuslichen Lebensführung, einem höheren Aufwand an Hilfsmitteln, Taxifahrten usw. verbunden. All diese Leistungen verursachen Kosten, die durch dieses Gesetz aufgefangen werden können. Insofern finden wir dieses Gesetz und die Koppelung an den § 72 SGB XII richtig und sinnvoll.

Es wird auch der vielzitierten UN-Behindertenrechtskonvention insofern gerecht, als dort in Art. 19 eine unabhängige Lebensführung und die Eingliederung in die Gesellschaft gefordert werden. Dieses Gesetz bietet dafür die notwendige Unterstützung.

Allerdings sehen wir auch einen Entwicklungsbedarf. Das Gesetz ist zwar erst zwölf Jahre alt, aber es gab Vorläuferregelungen, die den gleichen Tenor und die gleiche Zielsetzung hatten. Obwohl das Gesetz nicht neu ist, ist es für uns hoch aktuell, weil es auch der Idee des Persönlichen Budgets in einer nahezu unverfälschten Form entspricht. Es dient lediglich dem durch Behinderung bedingten notwendigen Nachteilsausgleich. Dieser ist bei Menschen unterschiedlichen Alters unserer Ansicht nach gleichermaßen gegeben. Dieses Gesetz unterscheidet aber die finanzielle Leistung unterhalb der Vollendung des 60. Lebensjahres von der darüber. Menschen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben, bekommen eine reduzierte Blindenhilfe. Das ist den Betroffenen nicht nachvollziehbar zu vermitteln. Auch Menschen in fortgeschrittenem Lebensalter und diejenigen, die spät erblinden, haben hohe Bedarfe an Assistenz und Hilfeleistung. Gerade diese Blindenhilfe ermöglicht es ihnen, zu Hause wohnen zu bleiben. Denn sie können noch alleine einkaufen gehen und sind dafür nicht auf eine Assistenz angewiesen. Sie müssen also nicht in eine Einrichtung, was letztendlich auch teurer wäre.

Diese Altersgrenze, die Vollendung des 60. Lebensjahres, erscheint uns willkürlich zu bestehen. Damals wurde sie mit der Beendigung des Erwerbslebens für Schwerbehinderte begründet. Da in dieser gesetzlichen Regelung nun aber die Vollendung des 63. Lebensjahres festgeschrieben wurde, sollte die Altersgrenze ­ zumindest dann, wenn diese Regelung aufrechterhalten wird, was unserer Meinung nach nicht den Bedürfnissen entspricht ­ auf 63 Jahre angehoben werden, bei der die Kürzung des Blindengeldes zum Tragen kommt.

Es wurden eben die Hilfen für Gehörlose angesprochen. Genauso wie die Hilfen für hochgradig sehbehinderte Menschen sind diese ­ wie auch das gekürzte Blindengeld ­ seit 1998 eingefroren. Eine Dynamisierung ist nicht vorgesehen. Der Bedarf, der vor zwölf Jahren als ausreichend angesehen wurde, ist heute sicherlich nicht mehr anzusetzen. Zumindest ist der Kaufkraftverlust der letzten zwölf Jahre auszugleichen. Insofern ist das Gehörlosengeld unserer Meinung nach anzupassen und an das nicht gekürzte Blindengeld zu koppeln, damit es auch dort zu einer Dynamisierung kommt und wir kein weiteres Jahrzehnt Stillstand hinnehmen müssen.

Zum Thema Taubblindheit. Taubblindheit ist mehr als die Addition zweier Behinderungen. Taubblindheit ist ein eigener Behinderungstatbestand, der eines eigenen Kennzeichens im Schwerbehindertenausweis ­ TBL wurde erwähnt ­ bedarf. Dieser Personenkreis hat einen großen Unterstützungsbedarf. Hier sehen wir dringenden Regelungsbedarf, um auch diesen Menschen zu helfen.

Karl-Heinz Hahne (Landeselternverband gehörloser und schwerhöriger Kinder und Jugendlicher Nordrhein-Westfalen e. V.): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ich möchte uns kurz vorstellen. Unser Verband wird als dritte Säule leider immer vergessen. Man lädt immer den Verband der Gehörlosen und den Verband der Schwerhörigen ein, und schon hat man sie alle umworben und am Tisch.

Das ist aber nicht ganz richtig. Es gibt die dritte Säule, und das sind die gehörlosen und schwerhörigen Kinder und Jugendlichen.

Was die meisten nicht wissen, ist, dass 90 % der hörgeschädigten Kinder hörende Eltern haben. Und hier fängt das Übel an: Die Eltern können die Gebärdensprache nicht. Dann haben wir das große Problem in den Schulen.

Wir haben am Wochenende unser Positionspapier im Land Nordrhein-Westfalen verteilt; wir werden es in der nächsten Woche auch auf Bundesebene ausgeben. Das ist ein Positionspapier, das wir zusammen mit unserem Bundesverband, der Deutschen Gesellschaft der Hörgeschädigten, erarbeitet haben und das für alle 16 Bundesländer Gültigkeit hat. Es war Schwerstarbeit; aber wir haben es nun hinter uns.