Gesine KortWeiher Ich kann mich im Wesentlichen den Ausführungen von Herrn Keller anschließen
Aber dann frage ich: Was ist die Konsequenz? Schaffe ich dann die Ausgleichszahlungen landesweit ab, oder nehme ich die Kommunen, in denen nachweisbar die Differenz nicht mehr oder kaum noch existiert, aus der Gebietskulisse heraus und erspare ihnen damit den Verwaltungsaufwand, der mit einer Vielzahl von Nullbescheiden einhergeht? - Auch das ist für mich eher ein Argument, die Gebietskulisse sehr sorgfältig zu durchforsten, aber nicht zwingend ein Argument für eine landesweite Abschaffung der Ausgleichszahlung. Denn auch wenn ich mich damit über unser eigenes Verbandsgebiet hinauswage, glaube ich, dass der Wohnungsmarkt regional oder von Kommune zu Kommune sehr unterschiedlich sein kann. Deshalb bin ich der Meinung, dass es in einzelnen Städten und Gemeinden durchaus noch Problemlagen gibt, die zu lösen sind.
Gesine Kort-Weiher: Ich kann mich im Wesentlichen den Ausführungen von Herrn Keller anschließen. Selbstverständlich sind die Wohnungsmärkte regional und örtlich sehr verschieden. Das sagten Sie selbst, Herr Sahnen. Nach dem Feedback aus unseren Mitgliedstädten, aus den Großstädten also, ist auch bei ihnen in sehr unterschiedlichem Maße zum Teil Anspannung, zum Teil Entspannung zu verzeichnen. In vielen Städten herrscht, bezogen auf das hier relevante preiswerte Segment, tatsächlich immer noch Anspannung. Das hängt natürlich auch mit der allgemeinen wirtschaftlichen Lage einerseits und den rapide sinkenden Sozialwohnungsbeständen andererseits zusammen.
Wenn jedoch keine nennenswerten Unterschiede mehr zwischen Sozialmiete und Miete auf dem frei finanzierten Markt existieren, dann kann man in der Tat die entsprechenden Gemeinden aus der Gebietskulisse herausnehmen.
Im Übrigen ist die Abschöpfung der Ausgleichsabgabe auf die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt. Das heißt: Mehr müssen die Mieter auf keinen Fall zahlen.
Sie sprachen außerdem über Kostenbewusstsein. - Das mag den einen oder anderen Mieter zu der Überlegung veranlassen, ob er nicht, wenn er in der Sozialwohnung 50 mehr bezahlen muss, lieber umziehen sollte. Kostenbewusste Menschen jedoch denken auch daran, dass auch ein Umzug mit Kosten verbunden ist und er für den gleichen Preis, so die Sozialwohnung ordentlich instand gehalten ist, was viele auch sind, nichts nennenswert Besseres bekommt. Insofern bietet die Entspannung eigentlich kein Argument, landesweit auf die Ausgleichsabgabe zu verzichten.
Herr Becker, ich glaube, ich habe Ihre Frage gleich mit beantwortet. In vielen Städten ist die Lage gerade im preiswerten Segment auch mit Blick zum Beispiel auf die Unterkunftskosten für ALG-II-Haushalte mittlerweile nicht entspannt. Aber es herrschen natürlich Unterschiede. Man kann Köln nicht mit Duisburg und Gelsenkirchen vergleichen; wobei die dann natürlich wieder einen hohen Druck durch hohe Arbeitslosenquoten haben.
Bernhard von Grünberg (Deutscher Mieterbund NRW e. V.): Meine Damen und Herren! Wir haben eben schon gehört, dass der in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion enthaltene Vorschlag 60 % dazu führte - wir haben das aufgrund der Statistiken der genau berechnet und in unserer Stellungnahme dargelegt -, dass die Einnahmen geringer wären als die Ausgaben. Das heißt: Das rechnete sich nicht mehr. Deswegen kann man diesen Gedanken eigentlich ad acta legen.
Aber auch bei Umsetzung des in dem Regierungsentwurf enthaltenen Vorschlags hätten sich die Einnahmen nach zwei Jahren auf quasi null reduziert. Die Festlegungen würden nicht mehr für drei Jahre, sondern nur noch für jeweils ein Jahr gelten, da die Grenze für die Abgabepflicht jedes Jahr um 10 % angehoben werden soll. Es werden Überprüfungen bei 800.000 Menschen notwendig, und das à 31. Die Zahl der noch unter die Abgabepflicht fallenden Personen und damit die Einnahmen hingegen wären am Ende ganz gering.
Von daher sind eigentlich beide Entwürfe unsinnig.
Wenn Sie aber das System ändern wollen, dann sagen wir: Verzichten Sie ganz auf die Ausgleichszahlungen. Denn alle wollen eine Reduzierung beziehungsweise Abschaffung von Bürokratie, was dann aber auch an dieser Stelle Konsequenz erfordert.
Unverhältnismäßig wäre eine Überprüfung einer großen Zahl von Personen bei nur geringen Erträgen auch deshalb, weil sie für die 800.000 Betroffenen eine Tortur bedeutet: Sie müssen regelmäßig die Einkommensnachweise aller Familienangehörigen beibringen, müssen von ihren Chefs Verdienstnachweise einholen, müssen Fristen einhalten, müssen Kontakt mit ihrem Vermieter aufnehmen, da die Vergleichsmiete angegeben und die Standards der Wohnungen genau beschrieben werden müssen, sie müssen eine Meldebescheinigung vorlegen, damit klar ist, wie viele Leute in dem Haushalt leben.
Und schließlich und endlich müssen die Formulare mit diesen Angaben richtig ausgefüllt werden.
Möglicherweise wird verkannt, welche Klientel im Augenblick noch in den öffentlich geförderten Wohnungen lebt: Es sind oft Migranten, oft ältere Menschen. Und leider ist die Quote derjenigen, die mit Bürokratie umgehen können, gerade bei diesem Personenkreis gering. Vielleicht können manche sogar nicht ausreichend lesen und schreiben.
Das heißt: Es entsteht hoher Verwaltungsaufwand und ein hoher psychischer Druck.
Für die Familien diesen ganzen Druck aufzubauen, um dann eine kleine Gruppe von Leuten herauszufiltern, die möglicherweise Abgaben zahlen müssen, das erscheint mir wie ein Goldsucher, der erst einmal unglaubliche Mengen von Gestein schreddern muss, um ein klein bisschen Gold zu finden.
Diese Situation macht das Wohnen im sozialen Wohnungsbau - im Gegensatz zum Wohnen im frei finanzierten Wohnungsbau, wo eine solche Überprüfung nicht stattfindet - außerordentlich belastend. Und auch bei der Eigentumsförderung geschieht nichts Vergleichbares. Die bisherige Eigenheimzulage wurde einkommensunabhängig gewährt, war eine richtige Subvention. Nur bei dem in den Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus lebenden Personenkreis wird im Einzelnen überprüft, ob jemand eine Subvention bekommen darf oder nicht. In keinem anderen Bereich unserer Subventionslandschaft schauen wir so genau hin.
Streiten kann man im Übrigen auch darüber, ob es sich überhaupt um eine Subvention handelt. Denn der Vermieter bekommt das Geld. Er bekommt Geld für Anfangsphasen, und dann steigt die Mietbelastung. Sprich: Der Vermieter unterliegt für das Geld einer Mietpreisbeschränkung; der Mieter profitiert von der Mietpreisbeschränkung, erhält aber keine Subvention. Dass man bei dieser Art von Subvention bisher unvergleichlich zugeschlagen hat und es immer absurder wird, je kleiner der Goldklumpen ist, der 14 von 39 kommt, das ist für uns unverständlich. Deswegen unsere Aufforderung: Seien Sie mutig, schaffen Sie die Ausgleichsabgaben ab.
Nun zu dem schönen Geld, was uns verloren geht. - Natürlich brauchen wir dringend Geld für den öffentlich geförderten Wohnungsbau. Unseres Erachtens ist die Situation in den Kommunen katastrophal, und zwar in vielen Gemeinden und mit zunehmender Tendenz, weil der Wohnungsbau insgesamt zurückgegangen ist und zurückgehen wird und wir überall Wohnflächenerweiterungen bei den bestehenden Haushalten verzeichnen. Eine sinkende Wohnungsbauproduktion führt also automatisch zu Verknappungserscheinungen. Unserer Meinung nach wird es auch in den Gebieten, in denen bisher Entspannung herrschte, wieder zu einer Anspannung kommen.
Außerdem ziehen ältere Menschen gerne wieder in Gebiete mit optimaleren Infrastruktureinrichtungen, als sie sie jetzt schon und in Zukunft noch verstärkt auf dem Land vorfinden. Die Menschen in den älteren Generationen werden wieder in den Ballungszentren, wo die notwendige Infrastruktur wie Verkehranbindungen und Pflegeeinrichtungenund -personal vorhanden ist, zurückkehren.
Ferner nimmt die Armut in Deutschland unbestreitbar zu. Wir werden diese Entwicklung wahrscheinlich nicht verhindern können. Schauen Sie sich einmal die Situation an: Sie beobachten eine immer stärkere Segregation bei den Einkommen; immer größere Gruppen sind längerfristig arbeitslos, sie werden immer älter und ihre Rente wird möglicherweise nicht mehr so optimal sein etc. Diese Personengruppen aber müssen versorgt werden.
Ich möchte Ihnen gerne einmal die Zahlen aus Bonn darlegen. Die Einwohnerzahl beträgt zurzeit 320.000 und nimmt zum Glück zu. Demgegenüber stehen nur noch 7.
Wohnungen, über die wir verfügen können. Bis zum 1. Januar 2005 waren es 5. mehr, aber sie sind uns mit der Abschaffung des § 5a Wohnungsbindungsgesetz durch die Landesregierung und die Mehrheitsfraktion leider abgenommen worden. Aus dem ergibt sich, dass die Wechselhäufigkeit bei 6 % liegt. Daraus folgt: In diesem Bestand werden ungefähr 450 Wohnungen pro Jahr frei. Auf der anderen Seite stehen 3.500 Wohnungssuchende - die Zahl wächst dramatisch -, wovon 40 % und damit weit über 1.000 Personen schon zu den absoluten Wohnungsnotfällen zu rechnen sind. Die Sozialstruktur wird immer einseitiger. Wenn sich die Situation nicht ändert, wird eine Kommune diese Leute über kurz oder lang für viel Geld irgendwo teuer unterbringen müssen, während die Segregation zunimmt.
Zu dem Argument, man verzichtete auf große Einnahmen aus der Fehlbelegungsabgabe, muss ich sagen: Wenn Sie sich die Statistiken der anschauen, dann wohnen in den Sozialwohnungen gar nicht mehr viele reiche Leute. Gerade das ist ja unser Problem. Sie können aber aus einer Personengruppe, die sowieso dort relativ misslich wohnt und darüber hinaus über kein größeres Einkommen verfügt - das ist nicht mehr vergleichbar mit der Zeit von vor 20 Jahren bei der Einführung der Fehlbelegungsabgabe, als es große Bestände mit sehr unterschiedlichem Klientel gab -, nicht noch eine Menge Geld herauspressen, um damit die Wohnungsprobleme der Kommune oder des Landes lösen zu wollen. Diese Probleme muss das Land schon anders lösen als durch das Ausquetschen derjenigen Mieter, die noch in diesen Wohnanlagen leben.