Arbeitslosigkeit

Ich wünsche mir, dass wir wieder Möglichkeiten gewinnen, in Form sozialrechtlicher Dreiecksverhältnisse mit Trägern vor Ort neue Maßnahmen auszuprobieren, ohne in eine Ausschreibungsproblematik zu kommen, um damit zeitnäher auf Anforderungen reagieren zu können.

Ulrich Odebralski, Geschäftsführer der Arge Märkischer Kreis, gibt folgende mündliche Stellungnahme ab (siehe auch Stellungnahme 14/202): Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bilanz nach 15 Monaten - ich mache das kurz, weil vieles bereits gesagt worden ist - lautet nach meiner Kenntnis und auch nach den Erfahrungen der anderen Geschäftsführer der Argen in NRW: Wir haben eine voll funktionsfähige Leistungsgewährung erreicht. Wir haben eine qualifizierte Beratung und Betreuung erreicht. Wir haben eine weitgehend geregelte Verfolgung des Leistungsmissbrauchs implementiert. Wir haben eine individuelle Maßnahmenplanung und -zuweisung. Und wir haben, soweit uns das möglich ist, auch die soziale Verantwortung übernommen, die uns mit dem Gesetz zugewiesen worden ist. Das alles haben wir trotz des schon genannten Anstiegs der Zahl der Betroffenen und Bedarfsgemeinschaften um teilweise weit über 40 % erreicht.

Ich will das mit wenigen Zahlen aus dem Märkischen Kreis belegen:

Wir haben insgesamt - stichtagsbezogen - 14.000 Arbeitslose. Im vergangenen Jahr konnten wir trotz aller Hemmnisse die Integration von 3.500 Personen in den ersten Arbeitsmarkt erreichen. In diesem Jahr sollen es 5.000 werden. Die Zahl der Arbeitslosenhilfeempfänger, die im Jahr 2004 in den ersten Arbeitsmarkt integriert wurden, lag bei 1.900. Es fehlen natürlich Zahlen über die Integration von Sozialhilfeempfängern, aber ich glaube, schon so wird sichtbar: Es bewegt sich in die richtige Richtung.

Die Zahl der Abgänge aus der Arbeitslosigkeit im Märkischen Kreis betrug insgesamt 14.000. Auch da zeigt sich, dass das Gesetz aufgrund unterschiedlicher Faktoren seine Wirkung entfaltet.

Wir hatten im vergangenen Jahr 8.500 Menschen in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, davon allein 2.500 Jugendliche. Mit diesem Fördern, mit dieser Leistung ist natürlich auch eine Forderung einhergegangen. So blieb es nicht aus, dass wir ca. 3.000 Sanktionen ausgesprochen haben. Weil es aus unserer Sicht bei Jugendlichen besonders wichtig ist, sehr schnell und sehr nachhaltig eine Entwicklung in die richtige Richtung zu befördern, waren die Jugendlichen daran mit 1.

Sanktionen beteiligt.

Die Probleme, die wir in den Arbeitsgemeinschaften haben, will ich nur kurz benennen. Ich glaube, es war und ist ein Irrtum, anzunehmen, dass die Mitarbeiter als funktionierende Einheiten in eine Organisation hineinkommen. Dem ist nicht so. Die Mitarbeiter in den Arbeitsgemeinschaften sind Mitarbeiter in einem Dienstleistungsunternehmen. Diese Identität muss entwickelt werden. Sie muss mit den Zielen und Leitbildern der Organisation übereingebracht, sie muss verinnerlicht werden. Das bedeutet, dass wir aus meiner Sicht uneingeschränkt die 29 von 53 hoheit, die Organisations- und die Finanzverantwortung benötigen. Ein Sammelsurium von Mitarbeitern wie im Märkischen Kreis - von 19 Dienststellen unter Beteiligung von 19 Personalräten, 19 Gleichstellungsbeauftragten usw. - kann nicht zu einer schlagkräftigen Organisation zusammengeführt werden.

Die Probleme mit einer zentralen Einheit wie der Bundesagentur sind ja bekannt.

Ich will hier nur ein kleines Problem ansprechen: Wir haben keinen eigenen Zugang zu unseren operativen Daten. Wir als Märkischer Kreis haben an einem Pilotprojekt zur Entwicklung eines Benchmarkings teilgenommen. Daraus hatten wir Zugang zu unseren operativen Daten. Von daher weiß ich sehr genau, wie hilfreich das ist. Das ist uns vor wenigen Wochen genommen worden - mit Hinweis auf das Sozialgeheimnis. Das heißt, statistische Daten dürfen wir selber nicht mehr erheben. Das kann aus meiner Sicht nicht sein: dass wir uns zwar bundesweit alle Datensätze aller Empfänger von Arbeitslosengeld II anschauen können, dass uns aber, wenn es darum geht, unser eigenes Geschäft operativ zu steuern, der Zugang zu eigenen Informationen verwehrt wird. Ich hoffe, dass sich da eine deutliche Änderung ergibt.

Etwas gegen diese Möglichkeit spricht, dass die Agentur beabsichtigt, bundesweit einige Hundert Kontrolleure einzusetzen, die in Zukunft nichts anderes tun werden, als die Zahl der Arbeitsgemeinschaften zu kontrollieren, den Agenturverantwortlichen zu berichten und die Lenkungsgruppen oder Sonstige damit zu überraschen. Wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Ich glaube, es gibt vor Ort in Nordrhein-Westfalen ein hohes Maß an Konsens, dass das so nicht sein kann, dass das Controlling in den Argen selber funktionieren muss, denn sonst kann man eine erfolgreiche Zielerreichung nicht steuern.

Ich komme damit zu den Themen, von denen ich glaube, dass ich damit hier an der richtigen Stelle bin und die uns auch besonders am Herzen liegen. Es geht um Landesinitiativen, arbeitsmarktpolitische Initiativen und die Verbindung mit dem, was wir machen. Wir haben als Märkischer Kreis in den Landesinitiativen Jugend in Arbeit plus, Job plus und Initiative für ältere Langzeitarbeitslose insgesamt 313 Personen. Diese Landesinitiativen zielen auf das dasselbe, was wir machen.

Im Grunde genommen ist das aber, da es sich auch um ESF-Mittel handelt, die ergänzt und weitergegeben werden, unsere ureigenste Aufgabe. Bei diesen Maßnahmen handelt es sich nicht um eine Ergänzung oder eine Erweiterung; es ist eigentlich mehr vom Selben. Was wir aber benötigen, sind andere Maßnahmen, insbesondere im sozialpolitischen Bereich.

Seit dem vergangenen Jahr gibt es das Werkstattjahr. Allerdings haben wir schon seit Sommer des vergangenen Jahres über 250 Jugendliche in Maßnahmen zur Erreichung des Hauptschulabschlusses. Wir haben diese Maßnahmen ganz unkompliziert aufgelegt und sie, da wir gerade bei den Jugendlichen einen sehr schwierigen Personenkreis betreuen, mit einer pädagogischen Begleitung ausgestattet. Die Schulen, mit denen wir das jetzt machen, die Berufskollegs, aber auch Bildungsträger, haben uns gebeten, unsere Maßnahmen fortzusetzen; denn beim Werkstattjahr ist die sozialpädagogische Begleitung nicht vorgesehen. Uns ist es ein Anliegen, zu sagen: Da ergänzen sich Maßnahmen. Wo auch immer das Land aktiv wird, können wir uns vor Ort ein wenig zurückziehen. Ich befürchte, an dieser Stelle wird es umgekehrt sein. Die Schulträger sagen: Bleibt bloß bei eurer Maßnahmenkonzeption. Das Werkstattjahr sollte dahinter zurücktreten. - Ich glaube, hier wird sichtbar, dass es Koordinierungs- und Abstimmungsbedarf gibt.

Ich will zu dem Personenkreis kommen, der bei all diesen Betrachtungen - das hatte Frau Schönefeld schon angesprochen -, vor allem bei der Bewertung, wer erwerbsfähig ist, hinten herunterfällt. Die Definition von Erwerbsfähigkeit kennen Sie. Nach Einschätzung aller Arbeitsgemeinschafts-Geschäftsführer in Nordrhein Westfalen haben 10 bis 25 % - das sind immerhin 120.000 bis 180.000 - selbst bei optimaler Förderung und Betreuung keine oder nur minimale Chancen, am ersten Arbeitsmarkt wenigstens teilweise Fuß zu fassen. Diese Menschen werden mit arbeitsmarktpolitischen Instrumenten, die nur auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet sind, nicht erfasst.

Dieser Personenkreis ist gekennzeichnet durch erhebliche Leistungsminderung, durch gravierende individuelle psychische und soziale Defizite und durch die Notwendigkeit an betreuenden Hilfen, ohne die die Betroffenen nicht oder nur eingeschränkt am Leben in der Gemeinschaft und damit auch an Beschäftigungsmaßnahmen teilnehmen können. Solange die Definition der Erwerbsfähigkeit nicht geändert wird - und das wird sie sicherlich nicht -, besteht auch für diesen Personenkreis die Notwendigkeit, Beschäftigungsmöglichkeiten zu organisieren, die ihnen Arbeitszufriedenheit verschaffen und eine Zugehörigkeit zur Arbeitswelt mit den damit verbundenen sozialen Kontakten. Diese Beschäftigungsmöglichkeiten sollten aus unserer Sicht längerfristig oder dauerhaft angelegt, sinnvoll und natürlich gesellschaftlich anerkannt sein. - An der Stelle könnte ich das Tabuwort zweiter Arbeitsmarkt in den Mund nehmen. Ich lasse das, weil die Diskussion sonst durch ganz viele andere Dinge überlagert würde. - Die Beschäftigungsmöglichkeiten für den genannten Personenkreis sollten diese Kriterien aus unserer Sicht erfüllen.

Diese Personen und die Maßnahmen, die wir planen, fallen damit aus dem nach SGB II und SGB III vorgesehenen Maßnahmenkatalog und entziehen sich auch der üblichen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung, denn die hat ihren Fokus ganz eindeutig auf die Kosten je Integration in den ersten Arbeitsmarkt ausgerichtet.

Die Befassung mit diesem Thema - da hoffen wir alle auf Unterstützung des Landes - ist aus unserer Sicht sehr dringlich; denn die Maßnahmen, die wir planen, gehen in der Regel nicht über sechs Monate oder - bei großzügiger Verlängerung - über neun Monate hinaus. Danach stehen insbesondere diese Menschen wieder vor der Situation, abzuwarten - hoffentlich -, bis sie nach sechs Monaten wieder Zugang zu neuen Maßnahmen haben. Auf jeden Fall sind sie im gesellschaftlichen Abseits und haben nicht mehr die Möglichkeit, am Gemeinschaftsleben teilzunehmen.

Von daher ist unsere Bitte, sehr schnell zu prüfen, ob es möglich ist, dass das Land gerade für diesen Personenkreis ergänzende Programme konzipiert, auflegt und mit den Arbeitsgemeinschaften und natürlich auch den Optionskommunen denn das Problem wird dort genauso sein - koordiniert, damit wir da tatsächlich Maßnahmen auf den Weg bringen können.