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Habe ich Sie darüber hinaus richtig verstanden, dass Sie bei der darauf abstellen, die Ermittlung des Nutzens auf wenige Indikatoren zu beschränken? Vor dem Hintergrund kann ich mich fast an die Frage des Kollegen Rasche anschließen: Würden Sie empfehlen, ein solches kompliziertes Verfahren für die Zukunft beizubehalten?

Ulrike Nestmann (Planungsgruppe Ökologie und Umwelt): Zur Frage nach der Bewertung der Umwelt und insbesondere danach, wie die Umweltfaktoren bei Vorhaben berücksichtigt worden sind, die erst eine geringe Planungsintensität aufweisen, die also recht grob im Raum stehen: Wie Sie gehört haben, lagen uns mehrere Hundert Vorhaben vor, die teilweise schon fast bis zum Ende geplant worden waren, zum Teil noch sehr grob gewesen sind. Das heißt es stellt natürlich in gewisser Weise auch ein Problem dar, diese Vorhaben nach einem einheitlichen Maßstab zu bewerten. Die Anwendung eines einheitlichen Maßstabes war aber aufgrund des Planungsprozesses in der IGVP eine Vorgabe, die wir entsprechend umzusetzen hatten.

Alle gemeldeten Vorhaben sind in Netzmodellen und in Datenbanken aufbereitet worden. Diese Daten sind uns zur Verfügung gestellt worden, und wir konnten in den entsprechenden Feldern schauen, ob es sich um einen Neubau, einen Ausbau, einen Ausbau mit zusätzlicher Flächeninanspruchnahme oder ohne handelt und wie die Verkehrsstärke der Strecken ist. Die Verkehrsstärke war immer der maßgebliche Faktor, um zu einer Inanspruchnahme zu kommen, sprich: Die Verkehrsstärke wurde über die Lärmimmission umgerechnet. Daraus ergab sich eine betroffene Fläche, die in Schutzgebiete hineinragte oder nicht. Wenn das der Fall war, sind sie entsprechend berücksichtigt worden. Neben der Verkehrsstärke ist natürlich auch die direkte Flächeninanspruchnahme berücksichtigt worden. Das möchte ich zum grundsätzlichen Umgehen mit den Vorhaben sagen, die uns gemeldet worden sind.

Prof. Dr. Christian Holz-Rau (Universität Dortmund): Ich möchte auf die Frage von Herrn Wißen antworten, ob es sinnvoll ist, die Bewertungssystematik beizubehalten, wenn man zu so unterschiedlichen Einschätzungen kommt. Ich glaube gar nicht, dass wir zu so unterschiedlichen Einschätzungen gekommen sind. Die Abbildung zeigt, dass ein Aushandlungsprozess über Infrastrukturprojekte aber auch über alle anderen Planungsprojekte immer dazu führt, dass man von den erst einmal orientierenden Werten eines Bewertungsverfahrens abweicht. Ich sehe im Moment in der Diskussion das Problem, dass die Qualität der Bewertungsverfahren so stark betont wird, um über sie als einzigem Indikator an der Abwägung vorbei fast allein aufgrund dieses Wertes eine Entscheidung zu treffen.

Hinsichtlich der Nutzwertanalyse sehe ich es ein Stück anders als der Kollege Baum: Sie gibt viele zusätzliche Informationen, die in der Kosten-Nutzen-Analyse erst einmal nicht enthalten sind. Ich denke, dass man sich auf beide Bewertungsverfahren stützen kann und sollte. Wichtiger scheinen mir an der Stelle die Maßnahmen, mit denen man sich qualifiziert auseinander setzt, zu sein. An dem Programm, das hier irgendwann beschlossen werden wird, sollte man weitermachen, als auf die Frage der Infrastrukturvorhaben einzugehen.

Das ist vielleicht gleichzeitig die Antwort auf die Frage von Herrn Rasche. Wir haben eine Tradition in der Verkehrsplanung: Wenn wir von Verkehrsplanung sprechen, denkt eigentlich jeder erst einmal an Straßen- und Schienenbau. Das entspricht in einer Gesellschaft, die insbesondere an Bevölkerungswachstumsgrenzen gestoßen ist und langfristig mit eher sinkenden Einwohnerzahlen zu rechnen hat, wohl nicht mehr der primären Orientierung eines solchen Planungsprozesses. Deshalb müssen wir uns insgesamt auch aus finanziellen Gründen viel mehr Gedanken darüber machen, wie wir Konzepte umsetzen, die bestandswirksam sind und den Bestand erhalten. Das wird im IGVPGesetz nicht so ausdrücklich gefordert wie die Infrastrukturbedarfspläne. Wir alle - in der Planungsdisziplin selber und in Ihren Kreisen, die über die vorbereitenden Arbeiten von Planern entscheiden - müssen den Schritt vollziehen und verstehen, dass Verkehrsplanung langfristig viel mehr als Infrastrukturplanung ist.

Dr. Christoph Walther (PTV Planung Transport Verkehr AG): Ist der Umfang des Bewertungssystems sinnvoll? Abgeleitet aus dem Zielsystem ist das Bewertungsverfahren sehr umfangreich. Das impliziert immer, dass bei gewissen Vorhaben gewisse Indikatoren keinen Beitrag liefern. Es ist ganz klar, dass gewisse Vorhaben nicht auf alle angesprochenen Bereiche reagieren. Aber Sie haben auch gehört, dass sogar noch weitere Bereiche gefordert werden - mehr, als wir jetzt erfasst haben.

Zur Nutzwertanalyse möchte ich sagen: Der wissenschaftliche Beirat, dem auch Prof. Baum angehört, hat festgelegt, dass die Nutzwertanalyse ihre Gewichtung dadurch erhält, dass die drei Bereiche gesellschaftliche Belange, Umwelt und Wirtschaft gleich gewichtet werden. Wir haben im Methodenband dargelegt, dass man aus der aus dem IGVP-Gesetz und aus dem Zielsystem abgeleiteten Anzahl von Indikatoren zwangsläufig zu Gewichtungen der einzelnen Indikatoren in den drei Bereichen kommt.

Es ist nach dem Range der Nutzwertanalyse gefragt worden. Gehen die Nutzwertpunkte von minus 1.000 bis plus 1.000? So etwas weiß man, wenn man alles durchgerechnet hat. Der Methodenband ist vorab ausgeliefert worden, damit sich vorab alle über die Methodik informieren konnten. Der Methodenband kann keine Interpretationshilfe für die Ergebnisse liefern.

Es ist angesprochen worden, dass in der Nutzwertanalyse keine oder nicht passende Indikatoren zur Wirtschaft enthalten sind. Dazu kann ich sagen, dass ich eine umfangreiche Studie für das Finanzministerium über Wachstumswirkungen von Verkehrsinvestitionen gemacht habe. Es lässt sich auch bei intensivster internationaler Recherche nicht konsequent ableiten, dass Infrastrukturmaßnahmen zwangsläufig wirtschaftliche Effekte auslösen. Die Diskussion ist noch ganz offen; es ist nicht einmal die Wirkungsrichtung klar. Bei der Frage der Erhaltung gehe ich allerdings mit Ihnen mit: Es kann sein, dass die Systeme die Infrastruktursysteme schlecht erhalten - nämlich unsere derzeitige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit einschränken. Der Erhaltungsplanung und ein Erhaltungsbedarfsplan waren allerdings nicht Aufgaben der IGVP. Das wird vom Bund durchgeführt und forciert.

Holger Dalkmann (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie): Herr Rasche hatte eine Nachfrage zu meiner Aussage zu den Zielen. Es geht in § 2 - ich zitiere - um die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur und der Mobilitätsangebote bei sinnvoller Zuordnung der Verkehrsaufgaben auf die dafür geeigneten Träger sowie deren Vernetzung und Schnittstellenoptimierung, wobei den öffentlichen Verkehrsträgern der Vorrang gebührt.

Zum einen geht aus der Beratungsgrundlage nicht weiter hervor, wie der Vorrang tatsächlich umgesetzt wurde. Bei einer Sichtung des Methodenbandes wird das meiner Ansicht nach auch nicht vertiefend erläutert.

Prof. Dr. Herbert Baum (Universität Köln): Zur Frage von Herrn Rasche, ob wir uns unterschiedliche Methoden in der Infrastrukturplanung erlauben können, möchte ich sagen: Die einen gehen so vor, die anderen gehen methodisch anders vor. Ich meine, dass ein unterschiedlicher methodischer Zugang im Grunde nicht vertretbar ist. Denn man muss sehen, dass ein einheitliches, integriertes Verkehrssystem geplant wird. Dazu müssen auch einheitliche Methoden angewendet werden. In Deutschland arbeitet der Bund im Rahmen der Bundesverkehrswegeplanung mit einer arbeitet. Die Europäische Union, die Europäische Kommission arbeitet bei der Bewertung der transeuropäischen Netze ebenfalls mit Nutzen-Kosten-Analysen. Jetzt kommt Nordrhein-Westfalen mit einem Schwerpunkt auf einer Nutzwertanalyse. Das halte ich für gefährlich, weil letztlich die Vergleichbarkeit und die Integrierbarkeit der Projekte aufgrund der unterschiedlichen Methoden nicht gegeben sind.

Zur Frage von Herrn Hilser, was der Vorwurf gegenüber der Nutzwertanalyse ist: Mein Vorwurf gegenüber der Nutzwertanalyse ist, dass man im Grunde ein völlig subjektives Verfahren hat. Man kann alle möglichen Wirkungen heranziehen und betrachten. Ob sie wichtig oder weniger wichtig sind, spielt überhaupt keine Rolle. Es kann alles gerechnet werden. Insofern muss man sagen, dass bei einer Nutzwertanalyse Tür und Tor geöffnet sind. Man kann alles Mögliche machen und rechnen. Das heißt, wir haben hier ein willkürliches Verfahren.

Demgegenüber ist die Nutzen-Kosten-Analyse streng auf Maßnahmen und auf Wirkungen eingeschränkt, die dadurch entstehen, dass produktive Faktoren eingespart werden. Im Rahmen einer Nutzen-Kosten-Analyse werden Umwelteffekte, Unfalleffekte, Zeitkosten, Betriebskosten und Trennwirkungen herangezogen. Darüber hinaus kann man durch eine Nutzen-Kosten-Analyse auch eine Aussage über bedeutende wirtschaftliche Wirkungen treffen, also insbesondere die Wachstumswirkungen und die Wirkungen auf die Beschäftigung. Darin liegt ein wesentlicher Vorteil gegenüber der Nutzwertanalyse. Ich meine, dass gerade diese beiden Komponenten - die Wachstumsträchtigkeit und die Wirkungen auf die Beschäftigung - von der Infrastruktur in einem sehr starken Maße tangiert werden. Daher sollten sie auch ein Maßstab zur Beurteilung und zur Auswahl der Projekte sein.

Stellv. Vorsitzender Bernhard Schemmer: Es gibt eine Nachfrage von Herrn Körfges.

Hans-Willi Körfges (SPD): Gerade an das anschließend, was Prof. Baum ausgeführt hat, habe ich noch eine Nachfrage an Frau Nestmann bezogen auf die Datengrundlage, die Sie herangezogen haben.