Grundschule

Landtag Nordrhein-Westfalen Ausschussprotokoll 14/199

Zum Zweiten sollte die Verbindlichkeit der Grundschulgutachten erhöht werden. Auf diese Weise sollte die Verteilung neunjähriger Kinder auf sogenannte begabungsgerechte Schulformen staatlich geregelt werden - mit immerhin weitreichenden Folgen für ihre Zukunftschancen.

In der Schule muss es aber nach Meinung der Katholischen Elternschaft Deutschlands in NRW heute mehr denn je auch um Erziehung gehen. Natürlich ist sie primär das Recht und die Pflicht der Eltern. Jeder andere kann nur in ihrem Auftrag und mit ihrer Zustimmung einen Teil des Erziehungsauftrages übernehmen. Erziehung ist bestenfalls ein kontinuierlicher und verlässlicher Beziehungsprozess, dessen Gelingen auch von der engen Kooperation zwischen Elternhaus und Schule abhängt. Die Gesellschaft hat ein hohes Interesse am Gelingen der Erziehung. Das wurde in den vergangenen Tagen unter anderem von der Bundesfamilienministerin deutlich gemacht, als sie ihr Bündnis für Erziehung vorstellte.

Schulische Bildung und Erziehung wollen gestaltet werden: nach Umfeld, Schulprofil, Schulform und anderen Faktoren. Der Erfolg hängt eben nicht - das ist das zugrunde liegende Missverständnis - von der perfekten Organisation der Lehre oder von einer vollständig erteilten Stundentafel ab. Sie sind Prozesse, die wesentlich von der Qualität der pädagogischen Beziehungen leben. Der Erfolgsmesser von Schule sind die Lernentwicklungen, die Kindern und Jugendlichen ermöglicht werden. Schule muss Kindern und Jugendlichen Kompetenzen und Kenntnisse vermitteln, die sie zu lebenstüchtigen Menschen und verantwortlichen Bürgern machen.

Schule darf sich nicht hinter verschlossenen Türen abspielen. Sie muss bereit sein, über das, was dort geschieht, Rechenschaft abzulegen, sich messen zu lassen und sich der Diskussion zu stellen. Sie muss für Veränderungen offen sein.

Gemeinsame Verabredungen zwischen Schülern, Lehrern und Eltern über Werte, Spielregeln und Verfahrensweisen sind nötig und für das Lernen unabdingbar. Partizipation und Gleichberechtigung aller Beteiligten sind Voraussetzungen für ihre Akzeptanz und Bestandteil gelingender Erziehungspartnerschaft. Die Abschaffung der Drittelparität in der Schulkonferenz schwächt auch die wichtigsten Partner der Schule, die Eltern, von denen sie sich in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag unterstützen lassen will. Sie degradiert das Mitspracherecht der Eltern und Schüler zu einer theoretischen Marginalie und stattet Lehrer plus Schulleitung vorbeugend mit einer Stimmenmehrheit aus. Ein Elternverband kann das nicht hinnehmen.

Der katholische Elternverband KED in NRW baut entschieden auf ein ganzheitliches Erziehungsverständnis, in dem Partnerschaft unabdingbar ist. Eltern sind Partner der Schule, weil sie die primär Verantwortlichen für ihre Kinder sind. Ohne demokratische Mitwirkungsmöglichkeiten und Mitwirkungsrechte ist Erziehungspartnerschaft nicht zu haben.

Lars Grajewski NRW): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Im Namen der Schülerschaft Nordrhein-Westfalens möchte ich herzlich danken, hier angehört zu werden. Ich freue mich, dass Sie dieses Thema, das für Schülerinnen und Schüler wichtig ist, in einer Ausschusssitzung diskutieren und behandeln. Unsere Stellungnahme müsste Ihnen zugegangen sein.

Ich möchte drei wichtige Punkte aus dieser Stellungnahme herausgreifen: Die Nordrhein-Westfalen kritisiert als legitime Vertretung aller Schülerinnen und Schüler in unserem Bundesland die Abschaffung der paritätischen Gleichberechtigung aller am Schulleben Beteiligten, der sogenannten Drittelparität, auf das Schärfste. Durch diese von der CDU/FDP-Regierung angestrebte Abschaffung der Drittelparität wird klar: Dem Schüler wird von vornherein misstraut. Ihm wird misstraut: ein Verantwortungsgefühl für sich und andere zu haben, Entscheidungen zu treffen, die über seine Schulzeit hinauswirken können und seine Schule gleichberechtigt mit Lehrerinnen und Lehrern positiv mitzugestalten. Ich stelle mir die Frage: Was haben Schülerinnen und Schüler getan, dass ihnen so misstraut wird und dass ihnen vor der Schulkonferenz die Tür zugeschlagen wird?

Ein Blick nach Hamburg, wo die Drittelparität schon seit circa zehn Jahren erfolgreich existiert, reicht aus, um zu belegen: Schülerinnen und Schüler sind sehr wohl fähig, Verantwortung für sich und für andere zu übernehmen. Sie sind sehr wohl fähig, Entscheidungen zu treffen, die über ihre Schulzeit hinaus Wirkungen zeigen können, und sie sind fähig, gleichberechtigt mit Lehrern und Eltern Schule positiv mitzugestalten. In NRW gibt es sechs Bereiche, die nur mit Zustimmung der Lehrerkonferenz in der Schulkonferenz verabschiedet werden können. In Hamburg ist man 2003 sogar so weit gegangen, diese Barriere zu kippen, weil es so erfolgreich war. Entschlüsse in diesen sechs Entscheidungsfeldern werden in Hamburg nun mit einer Zweidrittelmehrheit gefasst.

Aber, meine Damen und Herren, ich frage mich: Woran liegt es, dass eine Schülerin in Hamburg und eine Schülerin in Nordrhein-Westfalen so unterschiedlich wahrgenommen werden, welche Verantwortung sie in der Schule und für die Schule tragen können? Die Antwort ist einfach: Es hängt an den Entscheidungsträgerinnen und an den Entscheidungsträgern, die meinen, ein Maß zu haben, das besagt: Ihr könnt keine Verantwortung tragen - Ihr hingegen seid fähig, Verantwortung zu tragen. Darin liegt der konkrete Unterschied. Es ist nicht so, dass Schülerinnen und Schüler dies nicht könnten.

Sie, meine Damen und Herren, werfen der Jugend immer Politikverdrossenheit vor. Die geringe Wahlbeteiligung wird auch von Ihnen bemängelt. Zu bemerken ist: Nur noch 30 % der Jugendlichen sehen sich als politisch interessiert an, wie die Shell-Studie herausstellt. Das sollten wir doch alle zum Nachdenken mit nach Hause nehmen. Wir sollten vielleicht einmal darüber nachdenken, wo etwas falsch läuft. Mit dem Wettbewerb demokratie leben ruft die Landesregierung Schülerinnen und Schüler auf, sich für Demokratie einzusetzen und Vorschläge zu machen, Demokratie zu leben. Doch wenn es ernst wird mit der Umsetzung, wie mit der Drittelparität in der Schulkonferenz als eine Säule, Demokratie zu lernen und zu leben, kneifen Sie! Demokratie ist nun einmal mehr als nur ein Schülerwettbewerb; sie ist ein Lebensgefühl. Eine demokratische Gesellschaft kann es sich aber nicht leisten, die Schule als einzige Institution, die wir alle durchlaufen, undemokratisch zu gestalten. Denn nur eine demokratische Schule macht Demokratie für Schülerinnen und Schüler aktiv erfahrbar und lässt sie für Demokratie eintreten und sie weitertragen.

Hierbei reicht es nicht aus, Demokratietheorien und Werte zu lernen; Demokratie muss alltäglich erfahrbar sein. Man kann naturgemäß nur in einer aktiven und direkten 5 von 38 nandersetzung mit Demokratie ein Bewusstsein für sie entwickeln. Diese pädagogische Naturmäßigkeit beruht auf der sogenannten Handlungsorientierung, die mit der Erfahrungsorientierung verknüpft werden muss, um somit die bestmögliche Vermittlung und Erfahrung von Demokratie zu ermöglichen. Demokratie zu lernen und zu leben, muss ein Grundpfeiler von Schule sein. Dieser Grundpfeiler hat viele Facetten, baut aber auf dem Fundament der gleichberechtigten Mitbestimmung von allen Beteiligten, also von Schülern, von Eltern und von Lehrern in der Schulkonferenz auf.

Die drittelparitätische Mitbestimmung, die im jetzigen Schulgesetz noch verankert ist, ist der Bestandteil, der Schüler, Eltern und Lehrer zusammen auf gleicher Augenhöhe Schule gestalten und sich an alltäglichen Entscheidungs- und Veränderungsprozessen beteiligen lässt. Das Lern- und Schulklima wird erheblich verbessert. Nur in einem solchen Schul- und Lernklima ist höhere Leistung zu erzielen.

Die Drittelparität war ein Meilenstein bei der Demokratisierung von Schule. Aber hier darf nicht aufgehört werden, meine Damen und Herren. Hier muss weitergearbeitet werden. Hier muss Schülermitwirkung ausgebaut werden. Hier muss professionalisiert werden. Hier muss Partizipation im Unterricht einbezogen werden. Aus Lehrplänen müssen Lernpläne werden. Denn wie Carl Friedrich von Weizsäcker sagte: Demokratie ist Entscheidung durch die Betroffenen. Jede Beschneidung in der Schule ist ein Rückschritt, der Konsequenzen für Demokratie und Schule haben wird.

Felix Heinrichs (Bezirksschülervertretung Mönchengladbach): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Vertreter der LSV, die so zahlreich erschienen sind! Ich bedanke mich, dass ich heute hier sprechen darf. Das ist meine erste Rede hier - auch zu diesem Thema, das mir sehr am Herzen liegt. Ich bin Schüler in der 11. Klasse.

Zur Drittelparität: Ich denke, es ist noch viel zu früh, darüber zu reden, inwieweit sich die Drittelparität bewährt haben könnte. Sie wird erst seit einem Jahr an den Schulen angewandt - an einigen Schulen wahrscheinlich erst in der zweiten Sitzung der Schulkonferenz. Die Abschaffung wäre auf jeden Fall ein falsches Signal. Denn wir sind Schüler, und wir können Verantwortung tragen. Wir haben Potenzial. Das möchten wir auch nutzen. Das möchten wir an unserer Schule, dem Ort, an dem wir den Großteil unserer Jugend verbringen, auch einbringen. Wir möchten gestalten. Ich denke: Das können wir auch. Es wäre wirklich ein falsches Zeichen, sie jetzt schon, nach so kurzer Zeit, wieder abzuschaffen. Das würde eher Resignation als irgendwelche Vorteile mit sich bringen.

Dass die Schule die Schüler zu mündigen Bürgern macht, ist zweifelsohne so. Schule ist, wie Lars eben schon gesagt hat, ein Ort, den wir alle durchlaufen. Dort muss auch Demokratie erlebt werden. Das ist wichtig. Man kann Demokratie nicht theoretisch lernen. Man muss sie erleben, und man muss sie durchleben. So etwas geschieht eben am besten in der Schule. Wir als Schüler haben in der Schule zum ersten Mal die Möglichkeit, demokratisch auf irgendetwas Einfluss zu nehmen. Ein ganz einfaches Beispiel:

Wir wählen unsere Klassensprecher. Das ist das erste Mal, dass ein Schüler merkt, was seine Stimme bedeutet und wie sie sich auswirken kann.