Ich möchte jetzt zu dem Gesetzentwurf kommen

Wenn das der Fall ist, kann man unseren Verein durchaus als Unterstützer gewinnen. Wenn allerdings wirtschaftlicher Wettbewerb oder irgendein Sparwille zulasten des Allgemeinwohls ausgetragen wird, dann stehen wir nicht dahinter. Der Staat, sprich: in unserem Fall das Land Nordrhein-Westfalen, muss vielmehr ein hohes Interesse daran haben, Entwicklungen im Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz lenkend und steuernd zu beeinflussen, vor allem wenn man bedenkt, dass gerade diese Bereiche einem durch Europa- und Bundesrecht vorgegebenen Rahmen unterliegen. ­

So viel zu meinen Vorbemerkungen.

Ich möchte jetzt zu dem Gesetzentwurf kommen. Wir haben in unserer Stellungnahme die Fragen, die von den Fraktionen gestellt wurden, hinreichend beantwortet. Für weitere Fragen stehe ich gleich gerne zur Verfügung.

Das Gesetz sieht im Grunde nur vor, sogenannte Sonderbehörden aufzulösen und in die Bezirksregierungen zu integrieren. Wir bezweifeln ganz entschieden, dass damit eine effektivere und effizientere Wahrnehmung der komplexen Aufgaben erreicht wird.

Wenn das erzählt wird, weiß ich nicht, wem man da Wind machen will.

Die genannten Sonderbehörden sind in ihrer Substanz im Übrigen Fachbehörden. Auch das wird meiner Ansicht nach in diesem Gesetzentwurf so nicht dargestellt. Wer derartige Fachbehörden in die allgemeine Verwaltung überleiten will, der muss befürchten, dass durch andere Prioritätensetzungen fachliche Erwägungen zurückstehen werden und als Folge eine deutliche Verschlechterung der Facharbeit in Nordrhein-Westfalen eintreten wird. Verschlechterung der Facharbeit bedeutet aber letztlich Abschied vom Arbeitnehmerschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz.

Negative Erscheinungen sind jetzt schon erkennbar, das berichten uns die Mitglieder unseres Vereins. Durch Bezeichnungen wie Straffung der Behördenstruktur oder Formulierungen wie Auflösung der Sonderbehörden wird offensichtlich der Eindruck erweckt, dass der Staat seine Überwachungspflichten bereits aufgegeben hat. Ich setze einmal kurz, wenn Sie gestatten, einen anderen Hut auf, und sage Ihnen als Leiter des Staatlichen Amtes für Arbeitsschutz in Essen, dass schon jetzt die Zahl der anonymen Beschwerden von Arbeitnehmern über zum Teil menschenverachtende Verhaltensweisen bestimmter Unternehmer deutlich zunehmen.

Bürokratieabbau wird mit Auflösung von Behörden erklärt und inzwischen auch so verstanden. Richtig ist aber, dass die Auflösung von fachbezogenen Aufsichtsbehörden weniger Schutz für den Bürger bedeutet. Die eigentliche Absicht der Landesregierung mit diesem Gesetz, nämlich die weitgehende Kommunalisierung beziehungsweise Privatisierung von staatlichen Aufgaben, ist, wie wir alle wissen ­ das haben wir heute schon mehrfach gehört ­, nicht dem Gesetz selbst zu entnehmen, sondern es ist aus der Begründung heraus zu finden, wohin nach dem ersten Schritt der vorgesehene zweite Schritt des Vorhabens führen wird.

Dazu, wie solche Dinge in der Praxis aussehen, gibt es durch mehr oder weniger abgeschlossenen Organisationsreformen in anderen Bundesländern durchaus Botschaften.

Da muss ich manchem Sachverständigen, der sich heute schon zu Wort gemeldet hat, widersprechen. Berichte unserer Mitglieder aus Hessen, Berlin, Niedersachsen und besonders aus Baden-Württemberg belegen, dass durch dort vollzogene Umstrukturierungen leistungsstarke Einheiten und deren Fachkompetenz unwiederbringlich zerstört wurden. Dies macht sich bereits an Qualitätsverlusten bei der Aufgabenerfüllung ­ zum Beispiel abnehmende Präsenz in den Betrieben ­ deutlich bemerkbar.

Zu der Präsenz von Aufsichtsbehörden in den Betrieben wird gelegentlich behauptet, dass diese auf Unternehmerseite nicht gewünscht sei. Ebenso wird behauptet, dass Behörden nur hinderlich beim notwendigen Wirtschaftswachstum seien. Aus unserer Erfahrung kann ich berichten, dass das behauptete Feindbild zwischen Unternehmen und Fachbehörden nicht existiert. Seriöse Unternehmen wissen die Fachkompetenz, Begleitung und Unterstützung durch die Aufsichtsbehörden zu schätzen. Seriöse Unternehmen wissen auch, dass die Aufsichtsbehörden einen wesentlichen Beitrag für einen fairen Wettbewerb leisten.

Ich erlaube mir, kurz einen großen deutschen Industrieverband zu zitieren; es geht um einen Brief an den Innenminister dieses Landes vom 12. Oktober 2006. Ich möchte den Verband nicht nennen, aber dort steht nachzulesen:

Nach einem langwierigen Optimierungsprozess haben wir mittlerweile in Nordrhein-Westfalen bei der Dauer immissionsschutzrechtlicher Zulassungsverfahren ein international wettbewerbsfähiges Niveau erreicht. Ein wesentlicher Faktor für diesen Erfolg liegt dabei in der fachlichen Kompetenz auf Behördenseite, der effizienteren Durchführung der komplexen Verfahrensabläufe sowie der immer stärker ausgeprägten Dienstleistungsmentalität der zuständigen Behörden.

Schon wegen ihrer deutlich höheren Anzahl haben die Kreise und kreisfreien Städte kaum die Möglichkeit, dieses Maß an fachlicher Kompetenz zu gewährleisten. Erhebliche Mehrbelastungen der Unternehmen, unter anderem durch längere Verfahrenszeiten, sind sachlich nicht gebotene Nachforderungen und nach unserer Einschätzung die zwingende Folge.

Erste Erfahrungen aus Baden-Württemberg, wo dieser Weg beschritten wurde, bestätigen diese negativen Folgen einer Kommunalisierung auf die Zulassungsverfahren.

Diese Einschätzung deckt sich mit den Berichten unserer Mitglieder aus den vorgenannten Bundesländern. Ich habe noch ein Zitat aus diesem Schreiben des Unternehmerverbandes, dort heißt es:

Eine solche Verschlechterung kann sich Nordrhein-Westfalen als Industrieland Nummer eins nicht leisten.

Der VDGAB sieht ebenfalls das hohe Risiko bei einer Kommunalisierung der staatlichen Aufsichtspflicht. Mögliche Interessenkollisionen können die Entscheidungen der Behörden in Bereichen mit direkten Auswirkungen auf den Menschen beeinflussen. Das betrifft besonders den Arbeitsschutz, aber auch den Umweltschutz und Verbraucherschutz. Es geht schließlich um die Grundwerte Gleichbehandlung und Rechtsschutz.

Durch Ungleichbehandlung in der Region verringern sich einerseits die Wettbewerbschancen vor allem der gesetzestreuen Unternehmen, andererseits werden Menschen im Kampf um den Ausgleich häufig als Verlierer hervorgehen.

Wir meinen, dass sich Verwaltungshandeln in erster Linie an Kunden- und Bürgerbedürfnissen orientieren muss. Es geht besonders darum, dass der Staat Schritt hält mit der wachsenden Komplexität in allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Wichtige Entscheidungen für den Standort erfordern nach unserem Verständnis eine Verwaltung mit hoher Spezialisierung und fachlicher Breite. Daraus ergeben sich hohe Anforderungen an die Qualifikation des Personals, an die Arbeitsprozesse und vor allem an die Organisationen staatlicher Verwaltung.

Nach bisheriger Erfahrung werden bestmögliche Ergebnisse durch die Zusammenführung von Fach- und Ressourcenverantwortung erzielt. Die zurzeit in Nordrhein Westfalen bestehende Organisation hat vielfach trotz des bereits vollzogenen Stellenabbaus den Beweis dafür erbracht. Sowohl die Eingliederung der Fachbehörden in die allgemeine Verwaltung, also in die Bezirksregierungen, als auch erst recht die Übertragung der Fachaufgaben auf die Kommunen werden die Gestaltungsmöglichkeiten im jeweiligen Politikfeld einschränken beziehungsweise ausschließen.

Der gewählte Reformansatz wird faktisch zur Entkoppelung von Fach- und Ressourcenverantwortung mit hohen Verlusten an Fachkompetenz, Effizienz und Effektivität führen. Hinzu kommt, dass sich eine bedarfsgerechte Personalentwicklung kaum noch verwirklichen lässt. Die qualitative Verschlechterung der Aufsichtsarbeit im Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz in Nordrhein-Westfalen ist vorprogrammiert.

Gestatten Sie mir als berufserfahrenem Gewerbeaufsichtsbeamten dieses Landes zum Schluss noch die Einschätzung der sich aus dem Reformvorhaben abzeichnenden Konsequenzen. Zunächst ein paar Zahlen: Wir haben in Nordrhein-Westfalen ca. 600.000 Firmen, Betriebe, wovon 2 % die Zaunfirmen wären. Die kleinen und mittleren Unternehmer sind außerhalb eines Zauns, nicht im Loch. Wir haben ca. 6 Millionen Arbeitnehmer und zurzeit 633 Fachbeamte im Arbeitsschutz tätig. Wenn man sich vorstellt, dass davon nach der Aufgabenkritik noch 40 % eingespart werden sollen und verteilt die paar dann auf die Kommunen, weiß man ungefähr, was die Absicht sein könnte: Abschied vom Arbeitsschutz.

Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Besonders negativ betroffen von diesen beabsichtigten Veränderungen werde nicht ich und auch nicht meine Kollegen sein, wirklich betroffen werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Nordrhein-Westfalen sein.

Vorsitzender Edgar Moron: Herzlichen Dank, Herr Lemanski. ­ Herr Meyer-Lauber von der GEW ist nicht anwesend. Vertritt ihn jemand? ­ Bitte schön.

Ralf Woelk (DGB NRW): In Absprache mit der GEW habe ich sowohl in meinem mündlichen als auch in meinem schriftlichen Bericht ausführlich Stellung zu den Konsequenzen bezogen, die wir sehen, wenn das Institut für Weiterbildung in Soest aufgelöst wird.

Jetzt hat sich die Riege der Abgeordneten von heute Morgen nahezu ausgetauscht. Ist es insofern nötig, Herr Vorsitzender, dass ich meine Ausführungen zum Institut für Weiterbildung noch einmal wiedergebe?

Vorsitzender Edgar Moron: Wenn Interesse besteht, können wir es per Fragen klären.

Ich eröffne die Fragerunde. Als Erster hat sich Herr Schmeltzer gemeldet.