Fach und Dienstaufsicht gehören in eine Hand

Gemeinsame Sitzung (öffentlich) fi aufsicht letztlich bei einer anderen Behörde liegen würde? ­ Wenn der Minister einräumt, dass es weiterhin so vorgesehen ist, dann kann ich das nur begrüßen. Ob das letztlich schon so beschlossen ist, weiß ich nicht.

Fach- und Dienstaufsicht gehören in eine Hand. Das ist eine ganz klare Sache für uns.

Und die Fach- und Dienstaufsicht gehören in die Hand des Fachministeriums und nicht in den Bereich des Innenministeriums, der völlig andere Prioritäten hat und ­ das merkt man bei diesem Integrationsprozess ganz deutlich ­ über unsere Strukturen und Organisationsformen nichts weiß, weil er eine so flächendeckende Organisationsform, wie wir sie bei der Arbeitsschutzverwaltung als Landeseinrichtung haben, überhaupt nicht kennt.

Frau Steffens, die EU-Richtlinien müssen letztlich in nationales Recht umgesetzt werden. Der Arbeitsschutz ist zunächst einmal Bundesrecht; das macht sich an dem Arbeitsschutzgesetz fest. Die Ausführung dieses Gesetzes obliegt den Ländern. Nun stelle man sich einmal vor, dass irgendeiner in Hünxe oder Dinslaken ­ lassen Sie mich ein paar Städte aus meinem Amtsbezirk nennen ­ eine EU-Richtlinie in nationales Recht umsetzen soll. Dann kann man sich vorstellen, dass das nicht gelingen wird. Insbesondere werden wir nicht zu einem gleichen Standard kommen. Und ich betone noch einmal, dass wir zurzeit an einer deutschen einheitlichen Aufsichtsstrategie im Arbeitsschutz arbeiten. Dabei geht es nicht um das Thema, dass die WGs alles übernehmen sollen; das ist übrigens vom Tisch.

Allerdings muss es doch auch im Arbeitsschutz möglich sein, gleiche Standards hinzubekommen. Das kann nur gelingen, wenn man in einem Land Einheiten hat, die flächendeckend gleich sind. Das ist nach meinem Dafürhalten über eine Verteilung auf Kommunen nicht möglich.

Dieter Arnold (Verband Deutscher Sicherheitsingenieure, Wiesbaden): Ich kann gezielt zu den Erfahrungen in Hessen Position beziehen. In Hessen sind wir ganz gut in die Strukturveränderungen eingeklingt, die dort in den letzten Jahren vollzogen worden sind. Wir haben die Arbeitsschutzämter auf die Bezirksebene heruntergebrochen.

Ich hatte die Gelegenheit, in einem anderen Zusammenhang mit dem zuständigen Staatssekretär aus dem hessischen Sozialministerium, Herrn Gerd Krämer, noch vor drei Wochen reden zu können. Eine Kommunalisierung wird es in Hessen bezogen auf den staatlichen Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht geben.

Zu einem Herunterbrechen bis auf die Kommunen, wie das vielleicht in anderen Ländern durchgeführt worden ist, wird es nicht kommen, da man zum einen erkannt hat, dass es für die Kommunen gar nicht leistbar ist, die ganzen Fachkapazitäten vorzuhalten. Zum anderen gibt es weiterhin Synergien, wenn es irgendwo zentral geführt wird.

Ob dies weiterhin auf Bezirksebene oder vielleicht sogar im hessischen Sozialministerium abläuft, ist noch offen. Ich habe die Empfindung, dass man dort eine Zentrale aufbaut. Man holt sich also aus den einzelnen Bezirken wieder Fachkompetenz in das Sozialministerium hinein, um einen deutlich besseren Überblick zu bekommen. Es bleiben also strategische Aufgaben, Kommunikationsaufgaben beispielsweise in dem Sozialministerium, und diese werden wohl nicht so in die Fläche transportiert, wie das hier in

Gemeinsame Sitzung (öffentlich) fi diesem Gesetzentwurf angedeutet worden ist. Insofern kann ich nur empfehlen, über diesen Entwurf nachzudenken.

Dr. Wolfgang Braun (Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V., Essen):

Ich denke, meine beiden Vorredner haben die Frage, die an mich gestellt wurde, im Kern beantwortet. Trotzdem kann man es etwas ausschmücken.

Der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin ­ in der Regel der Arbeitsmediziner oder die Arbeitsmedizinerin ­ ist im Betrieb mal hier und mal da tätig. Das ist richtig und auch gut so. Auch das Arbeitssicherheitsgesetz will, dass der Unternehmer beraten wird und dass der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin in den Genuss arbeitsmedizinischer Erkenntnisse kommt. Das ist ja auch im Arbeitssicherheits- und Arbeitsschutzgesetz so dargelegt.

Jetzt ist es aber so, dass sich die Tätigkeit immer im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Kapital vollzieht. Das benötigt ein gewisses Standing, um dort wirtschaftliche, unternehmerische Interessen mit arbeitsmedizinischen Interessen in Einklang zu bringen.

Das ist nicht ganz einfach, aber ­ so denke ich ­ der Großteil der Fachärzte und Fachärztinnen für Arbeitsmedizin kann das in der Regel nach fünfjähriger Weiterbildung und einem sechsjährigen Studium ­ also nach elf Jahren Lernen ­, um dann einmal an einer Arbeitsschutzsauschusssitzung teilnehmen zu können, damit beides im Einklang stattfinden kann; nicht immer geht das so.

Ein Beispiel, das sich kürzlich in Heiligenhaus ergab: Da ging es um das Mutterschutzgesetz und die Gefahrstoffverordnung. Beide Gesetzesbereiche spielten in das Leben einer Mitbürgerin hinein, die in der Verwaltung einer Lackiererei beschäftigt war. Der Produktionsbereich und die Verwaltung ­ dort saß sie ­ waren durch eine leichte Tür, die immer offen stand, getrennt, sodass sich Toluole, Xylole und sonstige Lösungsmittel als ideelle Gase nicht gut verbreiten konnten. Sie atmete das ein. Und in der Frühschwangerschaft kann man auch ohne größere toxikologische Kenntnisse erkennen, dass da was im Argen war, und genau darin ­ das hat Kollege Lemanski auch angesprochen ­ besteht die Angst der Arbeitnehmerinnen: Sie haben Angst, sich jemandem anzuvertrauen. ­ Das ist der Betriebsarzt in der Regel. Das ist auch erfolgt.

Jetzt ist es aber so, dass das sachlich fachliche Gespräch mit dem Unternehmer unter Umständen zu keinem wesentlichen Erfolg führt. Aus diesem Grunde ist es rein aus Schutzaspekten für die Arbeitsmedizin in Nordrhein-Westfalen notwendig, eine fachund sachkundige Behörde im Rücken zu haben, die Leib und Leben von Mutter und ungeborenem Kind ­ in diesem Fall ­ schützen kann.

Die Sorge, die uns umtreibt, ist im Grunde genommen folgende: Wenn Sie garantieren, dass der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz in dieser Qualität erhalten bleibt oder sich sogar verbessert, dann haben Sie uns sofort auf Ihrer Seite; das ist gar keine Frage.

Allerdings stellt sich die Frage ­ das ist im Tenor an vielen Stellen hier angeklungen ­, ob bei der allgemeinen Reform dieses Level gehalten werden kann, das wir uns seit einer preußischen Gewerbeverordnung vor mehr als 100 Jahren in Nordrhein-Westfalen aufgebaut haben. Das ist jetzt schon Argen ­ ohne Frage. An der einen oder anderen

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Stelle überwiegt die Angst um den Arbeitsplatz, und es stellen sich die Fragen: Was mache ich jetzt? Rufe ich jetzt anonym in Essen oder Wuppertal an? Was kann mein Betriebsarzt bewirken? Bin ich in einem Betrieb kleiner zehn Mitarbeiter? Habe ich eventuell gar keinen Betriebsarzt mehr? ­ Dann macht der Unternehmer das Unternehmermodell und sagt mir dann einfach: Tuluol und Xylol atme ich auch jeden Tag ein, und ich kann nicht feststellen, dass das schlecht ist.

Das sind Dinge, die draußen real stattfinden, und dafür brauchen wir eine sach- und fachkundige Behörde, und die muss über die Gewerbezweige und über die Region hinaus greifen.

Ich kenne auch die Gespräche in den Kommunen. Die Kommune hat eine gewisse Vorstellung vom Halten von gewissen Wirtschaftsunternehmen in ihren historischen Stadtgrenzen; ich will das jetzt nicht weiter ausführen. Deswegen gebührt es einem Land wie Nordrhein-Westfalen mit 17 Millionen Einwohnern, ... Vorsitzender Edgar Moron: 18 Millionen!

Dr. Wolfgang Braun (Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte e. V., Essen): Danke für die Korrektur!

... dass dieses Land zumindest diese Qualität hält. Und das kann meiner Meinung nach

­ das sage ich aufgrund meiner Lebens- und Behördenerfahrung ­ durch ein Absinken und Zersplittern bis auf die kommunale Ebene wohl nicht realisiert werden.

Vorsitzender Edgar Moron: Meine Damen und Herren, nun möchte Herr Palmen als Abgeordneter zwei Fragen an die Sachverständigen stellen.

(Ralf Jäger [SPD]: Dann spricht er heute in Person des Abgeordneten und nicht des Staatssekretärs!)

­ Es ist der Landtagsabgeordnete Palmen.

(Ralf Jäger [SPD]: Dann ist er heute auch nicht mehr für die Landesregierung zuständig!)

­ Es ist der Abgeordnete Palmen. Die Landesregierung ist die ganze Zeit durch den Staatssekretär vertreten. War es so unklar, was ich formuliert habe? ­ Das Wort hat der Abgeordnete Palmen.

Manfred Palmen (CDU): Ich möchte Herrn Lemanski fragen, ob er bereit ist, zur Kenntnis zu nehmen, (Heiterkeit) dass alle Äußerungen der Landesregierung im Zusammenhang mit der Arbeitsschutzverwaltung eine Kommunalisierung in der von Ihnen behaupteten Form ausgeschlossen haben und ausschließen? ­ Das war erstens.