Zuerst eine dezidierte Frage an Graf von Nesselrode

Johannes Remmel (GRÜNE): Ich möchte voranschicken, dass wir uns unzweifelhaft in der Vergangenheit immer sehr für die Erholungsfunktion und die ökologische Funktion des Waldes eingesetzt haben. Ich will jetzt aber insbesondere zu den ökonomischen Aspekten fragen, weil mir diese aufgrund der Stellungnahmen sehr interessant erscheinen.

Zuerst eine dezidierte Frage an Graf von Nesselrode. Wir haben von Ihnen zwei unterschiedliche Stellungnahmen vorliegen. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung vom 20. September. Dort bewerten Sie die Forstreform wie folgt: Die Schließung von 20 Forstämtern ist ein dramatischer Einschnitt. Er bringt für die Waldbauern erhebliche Risiken mit sich.

In der uns jetzt vorliegenden Stellungnahme vom 4. Dezember schreiben Sie: Die Anzahl der Forstämter ist eine verwaltungsinterne Entscheidung. Zur Frage der Anzahl der Forstämter kann der Waldbauernverband nicht Stellung nehmen.

Meine konkrete Frage: Welchen Erkenntnisverlust ­ von Erkenntnisgewinn kann man ja nicht sprechen ­ haben Sie vom 20. September bis zum 4. Dezember?

Ich will mich der Frage in der Folge ein Stückchen weiter nähern. Wenn ich die Analyse richtig rezipiere, ist die Anforderung aufgrund der Marktlage und des erweiterten Marktes eine andere. Prof. Kaiser hat formuliert, man müsse eigentlich in Personal und Sachmittel investieren, um der Marktlage entsprechend agieren zu können, man dürfe nicht Personal abbauen bzw. reduzieren und gegebenenfalls sogar die Förderung umstellen. Das könne negative Auswirkungen haben.

Wir haben mitbekommen, dass kurzfristig die Gründung von privaten Foren geplant ist.

Insbesondere ist uns zu Ohren gekommen: Ein Forum Waldholz Sauerland an dem die forstwirtschaftlichen Vereinigungen und die Landwirtschaftskammer beteiligt sind, soll massiv vom Land unterstützt werden. ­ Ist der Aufbau einer solchen Struktur nicht im Sinne der Marktlage kontraproduktiv, indem nämlich Kartelle von eher größeren Waldbesitzern gegründet werden, die kleinen Waldbesitzer dann außen vor bleiben und das, was nötig ist, nämlich eine breite Mobilisierung von Holz, nicht mehr möglich ist?

Diese Frage richtet sich insbesondere an die Herren Gießelmann, Kaiser, Schmidt und Dierdorf.

Dietrich Graf von Nesselrode: Erstens. Risiken sehen wir bei jeder Reform, und es ist unsere Aufgabe, darauf hinzuweisen, Herr Remmel.

Zweitens. Der Waldbauernverband hat immer, und zwar schon seit dem Frühjahr dieses Jahres, ganz klar seine Leitplanken aufgestellt. Er hat gesagt, was er auf gar keinen Fall will. Das ist die Abschaffung des Försters auf der Fläche. Wir wollen Flächenpräsenz. Das sind immer unsere Forderungen gewesen, und darin waren wir sehr konsequent.

Drittens. Sie haben über eine gesprochen. Sie wissen, eine forstwirtschaftliche Vereinigung ist nach Bundeswaldgesetz in der Holzvermarktung eingeschränkt. Das ist der Hintergrund. Mehr ist dazu aus unserer Sicht nicht zu sagen.

Prof. Dr. Bastian Kaiser: Herr Remmel, Sie haben mich direkt angesprochen zu der Frage, ob es sinnvoll ist, solche Strukturen aufzubauen. Grundsätzlich würde ich Ja sagen, weil solche Strukturen auf der Fläche durchaus auch zu erhöhtem Wettbewerb führen. Das ist im Interesse des Waldbesitzes, das ist aber auch im Interesse eines Landesbetriebs, wenn ich es richtig verstanden habe, der erwerbswirtschaftlich orientiert arbeiten soll.

Das Problem ist, dass die Zielsetzung ganz klar definiert sein muss und dass auch geregelt sein muss, wie die Überschneidungen von Interessen im Landesbetrieb gehandhabt werden. Denn auf der einen Seite ­ das haben wir heute gehört ­ soll er Schlüsselaufgaben wahrnehmen, um das Holz aus dem Privatwaldbesitz zu organisieren, auf der anderen Seite ist er einer der Mitbewerber um dieses Holz. Wie das in dieser Konstruktion sauber gelöst wird, sauber getrennt wird, das ist eine entscheidende Frage.

Aber per se ist Wettbewerb nicht negativ.

Lars Schmidt: Ich habe Sie richtig verstanden: Das Aufbauen von privatwirtschaftlichen Strukturen, also von Forstdienstleistern, die das übernehmen, könnte sich kontraproduktiv auswirken. ­ Wir haben nichts gegen privatwirtschaftliche Strukturen. Wir glauben nicht, dass diese flächendeckend das Problem der Holzmobilisierung lösen können. Das wird dort funktionieren, wo die Struktur das hergibt, wo entsprechende Waldbesitzgrößen vorhanden sind. Herr Dierdorf sagte, dass man sich die Rosinen herauspicken wird. Das ist ganz normal. Die Leute gehen mit der Zielsetzung an den Start, Geld zu verdienen.

Der überwiegende Teil des Kleinprivatwaldes ­ dort stehen nun einmal die Vorräte ­ ist nicht kostendeckend zu mobilisieren, zumindest nicht für privatwirtschaftliche Dienstleister. Das haben wir am eigenen Leib erlebt. Bevor wir das Projekt mit Thüringen-Forst eingegangen sind, hatten wir gedacht, wir könnten selbst auf der Fläche Holz mobilisieren. Erstens fehlt die Vertrauensbasis, zweitens fehlen die Daten, Stichwort Datenschutz. Es ist auch gut, dass die Daten letztendlich bei den Landesforstverwaltungen aufgehoben werden. Drittens ist es aus privatwirtschaftlicher Sicht nicht zu finanzieren. Mobilisierung sollte man sich nicht als kurzfristiges Ansprechen des Waldbesitzers vorstellen, und dann nutzt dieser den Wald in den nächsten Jahren. Mobilisierung ist meines Erachtens, zumindest im Kleinprivatwald, eine Daueraufgabe. Man muss die Waldbesitzer immer wieder ansprechen und immer wieder in die Pflicht nehmen, das Holz zu nutzen.

Deswegen kann ich mir nicht vorstellen, dass private Strukturen diese Aufgabe kostendeckend bewältigen können, zumindest nicht auf einem Großteil der Fläche, und zwar dort, wo die Holzvorräte stehen.

Ulrich Gießelmann: Es wurde der Holzverkauf im Spannungsfeld von Groß- und Kleinprivatwald angesprochen. Hier gibt es ein Spannungsfeld. Selbstverständlich bin ich eher in der Lage, im Sauerland mal eben 1.000 fm Holz zu verkaufen, als mir irgendwo in klein strukturierten Waldbesitzungen, wie Herr Schmidt schon gesagt hat, 200 fm zusammenzuklauben. Zum einen gibt es dieses Spannungsfeld.

Zum anderen: Wenn der Holzverkauf von Großmengen und der Holzverkauf von Kleinstmengen in einer Hand bleiben, bestehen gute Möglichkeiten der Zusammenfassung dieser Holzmengen, wie es in der Praxis auch gemacht wird. Ich schließe einen großen Vertrag mit einem Sägewerk und sage, dass das Holz aus dem und dem Bereich, aus dem und dem Revier kommt. Dann füge ich dort selbstverständlich auch Holz von den Kleinstprivatwaldbesitzern hinzu. Dem Sägewerker ist es letztendlich egal, woher er sein 2 a- oder 2 b-Holz bekommt: entsprechende Dimension, entsprechend ausgehalten. Das macht der Förster oder der Forstwirt vor Ort. Aber er bildet eine Einheit, er fügt das Holz praktisch zusammen. Das ist die Möglichkeit, die die Förster vor Ort haben.

Bernhard Dierdorf: Herr Remmel, ich möchte voranschicken: Der Landesbetrieb ist rückwirkend zum 1. Januar 2005 gegründet worden. Er hat also netto ein Dreivierteljahr Zeit gehabt zu wirtschaften. In dieser Zeit hat er gute Ergebnisse gezeigt, obwohl die Rahmenbedingungen bekanntermaßen sehr bescheiden waren und immer noch sind.

Zweitens. Wir als BDF haben ­ das ist leider in der Diskussion nie zum Tragen gekommen ­ einen detaillierten Vorschlag zur Weiterentwicklung des Landesbetriebs erarbeitet. Unter anderem haben wir auch gesagt: Gebt dem Landesbetrieb in den vorhandenen Strukturen mit 35 Forstämtern, 358 Revieren und mit dem vorhandenen Personal eine Chance. ­ Wir haben einen Personalbestand, der geringer ist als in manch einer gut ausgestatteten Kreisverwaltung, und wir sind eine Landesverwaltung, eine Flächenverwaltung, die wirtschaftet. Man muss sich überlegen, wo man hier eingreift. ­ Dann ist der Landesbetrieb gefordert, all das zu erbringen, was ich vorhin schon einmal genannt habe: von der Aufgabenkritik bis zum Personalentwicklungskonzept.

Drittens. In Oberveischede hat der BDF ­ zusammen mit der IG BAU, dem Waldbauernverband und dem Gemeindewaldbesitzerverband ­ dokumentiert, dass er die Förderung und die Unterstützung forstlicher Zusammenschlüsse ausdrücklich begrüßt. Es ist ja nicht alles schlecht gewesen, was an diesem Tag in Oberveischede gelaufen ist. Von einer war bisher in Nordrhein-Westfalen nie die Rede. Damit, dass forstwirtschaftliche Vereinigungen sich mit dem Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband zusammentun und eine gründen und diese nicht nur Holz und Waldprodukte vermarktet, sondern auch das Ziel haben soll ­ zumindest ist das so bei mir angekommen ­, forstliche Dienstleistungen anzubieten, entsteht gerade in diesem waldreichen Gebiet eine starke Konkurrenz zu dem Landesbetrieb, den man zum Laufen bringen will.

Herr Pick, ich kann mich erinnern, dass Sie mal gesagt haben, der Landesbetrieb sei ausgelutscht, man sollte ihn arbeiten lassen. Ich erinnere mich mit Schmerzen an Felix Becker von der FDP, der diesem Landesbetrieb auch diesen Aufbau in Ruhe und Ordnung zugebilligt hat. An diese Zeiten würde ich mich gern zurückerinnern.

Man muss sehen, dass der Landesbetrieb in Nordrhein-Westfalen als Einheitsforstverwaltung ­ so soll er Gott sei Dank erhalten bleiben ­ eine multifunktionale Forstwirtschaft betreibt, das heißt, auf einer tragfähigen wirtschaftlichen Basis ökologische und soziale Leistungen für 18 Millionen Menschen in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung stellt.