JVA

35. Sitzung (öffentlich) schm zug, gerade mit Ausfüllung eines Wohngruppenvollzuges, sinnvoll nutzen, haben wir Steuerzahler viel Geld gespart, wenn wir die Jugendlichen nicht mehr als Gäste zurückbekommen.

Es kommt noch ein weiterer Punkt, der wenig Beachtung findet, der uns in Siegburg aber ganz stark drückt, nämlich dass die Verantwortlichen oben mehr auf die Eignung der Vorgesetzten vor Ort gucken müssen. Habe ich eine vernünftige Führung, dann habe ich auch motivierte Mitarbeiter und habe keinen Frust, der von Gefangenen und sonstigen Leuten ausgebadet werden muss. Das müssen wir alle in Betracht ziehen.

LRD Wolfgang Fixson (JVA Moabit/Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und Anstaltsleiterinnen im Justizvollzug): Ich möchte zunächst etwas sagen, was mir sehr wichtig ist: Ich spreche hier nicht als langjähriger Leiter der JVA Moabit, sondern als Vorsitzender der Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und Anstaltsleiterinnen im deutschen Justizvollzug. Ich habe es in meinem Statement geschrieben. Es sind derzeit ca. 450 leitende Mitarbeiter in dieser Vereinigung, sowohl aus Ministerien als auch aus fast allen Justizvollzugsanstalten.

Ich möchte anmerken: Der betroffene Anstaltsleiter war und ist nicht Mitglied der Vereinigung. Insofern sehe ich mich als neutral an, zu den Dingen Stellung zu nehmen. Sie gestatten mir sicherlich, dass ich mich nicht im Einzelnen über nordrhein-westfälische Dinge auslasse.

Ich möchte die Gelegenheit wahrnehmen, für den schweren Beruf des Justizvollzugsbediensteten aber auch aller im Vollzug tätigen Mitarbeiter zu werben. Ich hoffe, so schlimm dieser Vorfall ist, dass insgesamt in der deutschen Politik dadurch zumindest ein Nachdenken einsetzt, ob es so weitergehen kann wie seit Jahren im deutschen Justizvollzug - in der Justiz insgesamt, aber im Vollzug ganz besonders -, Personal und Sachmittel einzuschränken und damit den hohen Standard, den wir im europäischen Vergleich hatten und sicherlich immer noch haben, zu gefährden.

Insofern unterstütze ich sehr, dass jetzt eine Kehrtwendung in Nordrhein-Westfalen und hoffentlich auch in anderen Ländern erfolgen soll. Die bayerische Ministerin hat ja auch geäußert, dass man zumindest darüber nachdenken will und soll, Personal wieder an den Brennpunkten einzusetzen, wo es notwendig ist.

Zu meiner Person möchte ich noch anmerken: Ich gehöre nicht zu denen, die immer nur mehr Personal fordern, sondern wir brauchen - das habe ich in der Öffentlichkeit schon oft gesagt - qualifiziertes Personal. Deswegen unterstütze ich, was hier gemacht werden soll, qualifiziertes Justizvollzugspersonal einzustellen und nicht den Weg über - ich meine das nicht abwertend - die berühmten Schwarzen Sheriffs zu gehen. Die Arbeit an den Gefangenen und das Gefangenenklientel in Deutschland - das möchte ich jedem sagen, der sich mit der Materie beschäftigt - wird immer schwieriger. Deshalb ist es auch für die Mitarbeiter immer schwieriger, mit den Problemen umzugehen. Dafür brauchen wir zumindest eine einigermaßen ausreichende Anzahl von Personal.

Hier ist auch das Thema Mehrarbeitsstunden angesprochen worden. Es ist für einen Anstaltsleiter eine Quadratur, den Druck eines Ministeriums zu haben, die Überstunden, die Mehrbelastungen nicht hochzufahren und gleichzeitig einen qualifizierten und guten

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Vollzug zu machen. Ich möchte allen, die sich mit der Materie beschäftigen, sagen, dass in allen Laufbahnen in der Regel der Wille sehr groß ist, Dinge zu bewegen, es jedoch oft an der Umsetzung scheitert, weil die Ressourcen nicht ausreichen.

Dieses Werben ist wichtig zu sehen, wenn wir jetzt diesen Weg gehen. Ich glaube, es ist für ein großes Land wie Nordrhein-Westfalen eine spürbare Entlastung, wobei ich anmerken möchte: Sicherlich braucht es auch zusätzliche Stellen im Sozialdienst und in anderen Bereichen.

Ich möchte noch anmerken: Sicherlich ist Kontrolle immer gut. Damit habe ich überhaupt kein Problem. Ich gehöre selbst zu den Anstaltsleitern, die eine sehr offene Berichtspflicht tätigen und sagen: Was ich berichtet habe - ich habe nichts zu verbergen -, das soll auch so sein. Aber nur zu kontrollieren und die Mitarbeiter nur mit Vorschriften zu überziehen - das habe ich vielleicht vor 15 Jahren auch gemacht -, lähmt die Arbeitsfreude und hindert Mitarbeiter daran, sich engagiert zu betätigen. Das gilt - das muss ich als Vertreter meiner Vereinigung sagen - natürlich auch für die leitenden Mitarbeiter.

Insofern braucht man dort eine große Ausgewogenheit, was man macht. Nur zu sagen, die müssen mehr kontrolliert werden, damit ändert sich überhaupt nichts, sondern wir brauchen auch Verständnis, welche Belastung es dort gibt. Viele Jahre im Vollzug tätig zu sein, ist wahrlich für die Betroffenen nicht immer einfach.

Eine kurze Anmerkung zu den Themen, die ich aus der Ferne besser beurteilen kann, als wenn man selbst betroffen ist. Die Expertenkommission ist aus meiner Sicht eine einmalige Chance, dass man sich auf Dauer - weg von einem Einzelfall - eine Konzeption überlegt, was ich tue, wie ich damit umgehe. Wenn man in der Lage ist, diese Konzeption zu ergänzen - ich habe jahrelang von Kollegen gehört, was in Nordrhein Westfalen an Planungen, Prüfungen im Rahmen von Sicherheit gelaufen ist -, wenn man das über diese Kommission zu einem Gesamtkonzept ergänzt, sehe ich eine wirklich gute Chance, dann, wenn wieder etwas passiert, zu reagieren.

Wir haben - auch das sage ich aus der beruflichen Erfahrung - in allen Bundesländern, auch in Berlin, erlebt: Oft passiert etwas Schlimmes - Ausbruch, Geiselnahme -, und dann wird eine Ad-hoc-Maßnahme getroffen, die vielleicht auf die Schnelle notwendig ist, deren Ergebnisse im Einzelnen aber auch einmal falsch sind. Insofern unterstütze ich solch eine Idee ausgesprochen.

Ich maße mir an, zum Ombudsmann Folgendes zu sagen: Wer sich mit Vollzug in Deutschland seit vielen Jahren beschäftigt, egal, aus welcher Ecke er kommt, der wird zustimmen, dass es eine Fülle von Beschwerdemöglichkeiten gibt. Ob ein Ombudsmann als weitere Beschwerdeinstanz notwendig ist, daran habe ich erhebliche Zweifel.

Andreas Sellner (Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW): Die abgegebene Stellungnahme ist vor dem Hintergrund des Spannungsbogens Vollzug und alternativer Möglichkeiten der Sanktionierung, aber auch der Hilfe entstanden. Insofern möchte ich drei Punkte unserer Stellungnahme herausgreifen, die ich ins Blickfeld rücken möchte: Erstens. Wir begrüßen ausdrücklich die vorgesehenen personellen Maßnahmen und die zahlenmäßige Aufstockung des Personals im Vollzug.

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Neben der Quantität ist für uns die Qualität des Personals maßgebend. Die Qualifikation des Personals muss im Sinne des Behandlungsvollzuges und des Erziehungs- und Besserungsauftrages gerade im Jugendvollzug weiterentwickelt werden. Fortbildungen müssen verbindlicher Standard sein. Die Fachdienste im Vollzug müssen unserer Meinung nach erheblich ausgebaut werden.

Zweitens. Eine Erweiterung der Haftplatzkapazitäten, gerade auch für den Jugendstrafvollzug, halten wir in Nordrhein-Westfalen für absolut überflüssig und mit Hinweis auf die Ausführungen, die jetzt folgen, für kontraproduktiv.

Drittens - das sind jetzt diese Ausführungen -: Zum besseren und einvernehmlichen Verständnis möchten wir zu Beginn erläutern, dass wir das Konzept zur Haftvermeidung als die Summe aller uns zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Angebote begreifen, die dazu beitragen, Haft - auch Untersuchungshaft - zu vermeiden beziehungsweise zu verkürzen.

Dazu zählen wir unter anderem Haftvermeidungsprojekte, Vermittlung gemeinnütziger Arbeit, Ehrenamtsprojekte - die Arbeit Ehrenamtlicher ist nicht nur außerhalb der Haftanstalten sehr wirkungsvoll, sondern gerade auch innerhalb der Haftanstalten, und verschaffen ein ganz anderes Klima von draußen nach drinnen -, Beratungsstellen für Haftentlassene, sozialpädagogische Maßnahmen, Präventionsprojekte, therapeutische Maßnahmen und auch Konzepte alternativer Unterbringung. Es gibt sicherlich noch weitere Maßnahmen, die eine echte Alternative wären.

Bei flächendeckendem und bedarfsgerechtem Auf- und Ausbau dieser und anderer Maßnahmen sind wir sicher, Haft in nicht unerheblichem Umfang vermeiden zu können.

Die damit einhergehenden Positiveffekte der Vermeidung von negativen Haftfolgen, geringere Rückfallquoten und mittelfristig geringere Kosten haben wir über Jahre hin zurückliegend belegt.

Sicherlich verkennen auch wir nicht die Tatsache, dass Haft gegebenenfalls als Ultima Ratio greifen muss. Genauso sicher wissen wir um die Kosten eines jeden neuen Haftplatzes und um die günstigeren Konzepte zur Haftvermeidung. Allein die echten nachweislichen Ersparnisse der Haftvermeidungsprojekte und der Vermittlung gemeinnütziger Arbeit sind enorm.

Schließlich muss festgestellt werden, dass der in der JVA Siegburg zu Tode gekommene junge Mann im Vollzug in eine völlig unangemessene Maßnahme geraten ist. Hier wären Alternativen zur Haft nötig und sinnvoll gewesen. Es scheint daher dringend geboten, die Notwendigkeit solcher angemessener alternativer Maßnahmen vor Haftantritt im Sinne einer Vollzugs- bzw. Hafttauglichkeitsprüfung individuell in jedem Einzelfall vorzunehmen: Sind eventuell andere Sanktionsinstrumente besser und wirksamer im Hinblick auf Rückfallvermeidung und gelungene Reintegration in die Gesellschaft? Nur auf diese Weise lassen sich derartige Vollzugsopfer zukünftig vermeiden.

Dr. Helmut Geiter (Maßstab e. V.): Es ist oft gesagt worden: Der beste Vollzug, der stattfindet, ist ein geräuschloser Vollzug. - Ich denke, es ist gut, dass im Moment relativ viel Geräusch damit verbunden ist.