Wohlfahrt

Landtag Nordrhein-Westfalen Ausschussprotokoll 14/321

AGS-Ausschuss 13.12.

Dann finde ich Folgendes in der Stellungnahme von Herrn Zurloh für den Oberbürgermeister von Münster: Nach meinem Dafürhalten müssen für Dokumentationen alle technisch möglichen Einsparpotentiale genutzt werden. Daher dürfte die Pflegedokumentation per EDV eines der Mittel der Zukunft sein. Gegebenenfalls sind weitere technische Hilfen... wirtschaftlich und dokumentationssicher möglich und müssen daher gefördert werden.

Und ich finde in der Positionierung der LAG Selbsthilfe Behinderter von Herrn Dr. Strunz die Aussage: Um den Dokumentationsaufwand zu minimieren, bieten vor allem elektronische Systeme die Möglichkeit einer rationellen Dokumentation.

Diese drei Voten werfen mindestens ein bisschen Licht auf die Richtung, in die es gehen könnte. Deswegen frage ich alle, die sich zu antworten berufen fühlen: Wie schätzen Sie die Potenziale einer - elektronisch oder nicht elektronisch - geregelten qualifizierten Dokumentation ein, die auch für den Pflegeprozess genutzt werden kann und damit in der Tat möglicherweise die Arbeit vereinfacht? Kann es vielleicht sein, dass Pflegedokumentation deswegen als so sperrig und als ein so großes Hindernis empfunden wird, weil sich der Zusammenhang zwischen der Pflegedokumentation und der Pflegeplanung denen, die dokumentieren sollen, gar nicht erschließt?

Ich finde den Hinweis der kommunalen Spitzenverbände fast dramatisch - er findet sich auch in einigen anderen Stellungnahmen -, dass Überflüssiges dokumentiert wird und dass vielleicht aufgrund einer falsch verstandenen Absicherungsphilosophie Vorgänge wieder und wieder aufgeschrieben werden, die in keiner rechtlichen Hinsicht aufgeschrieben werden müssen. Das mache ich niemandem zum Vorwurf. Das ist ein Schulungsdefizit.

Norbert Killewald (SPD): Die erste Frage geht an die Träger, an den MDK, die Heimaufsicht, also an den Städte- und Gemeindebund: Wie könnte eine gemeinsame, zumindest aber abgestimmte Überprüfung von Heimaufsicht und MDK, also den Kostenträgern, aussehen? Wie könnte sie organisiert werden? Dazu würde ich gern nähere Ausführungen hören.

Meine zweite Frage geht an die Freie Wohlfahrtspflege, die Verbraucherzentrale und die anderen Träger: Wie kann eine sachgerechte Prüfung von Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sichergestellt werden?

Meine dritte Frage ist: Welche fachlichen Schwerpunkte sind bei einer Überprüfung zu setzen? Diese Frage würde ich gern vom MDK, von der Heimaufsicht und den Trägervertretern beantwortet haben.

Barbara Steffens (GRÜNE): Ich möchte in zwei Punkten anschließen: Ich würde gern von Herrn Zurloh von der Stadt Münster und von Herrn Kreutz Antworten auf folgende Fragen hören: Wie kann eine Kompetenzverteilung zwischen Heimaufsicht und MDK

AGS-Ausschuss 13.12. unter Ausschluss von Interessenskollisionen stattfinden? Wie kann man das wirklich hinbekommen?

Eine Frage zum Bereich Pflegedokumentation richtet sich an die Freie Wohlfahrtspflege und an Herrn Steinke: Wir hören immer wieder, dass das überdokumentiert sei. Ich bin mehrfach in Plenardebatten zusammenhängend auf das Problem der Gratwanderung zwischen der Dokumentationsnotwendigkeit als Schutzinstrument auf der einen Seite und dem Bürokratieabbau zur Arbeitsentlastung auf der anderen Seite eingegangen.

Das ist gerade aus Sicht der Patienten beziehungsweise der Bewohner/-innen der Einrichtungen eine überflüssige Dokumentation, die nicht dem Schutz dient. Ich finde, man muss stärker die Sicht der Betroffenen berücksichtigen, wenn man diskutiert, was man reduzieren könnte.

Vorsitzender Günter Garbrecht: In den Fragen der Abgeordneten wurde öfters die Pflegedokumentation angesprochen. Wir stellen deshalb zunächst einmal die Frage der Pflegedokumentation in den Vordergrund.

Paul-Jürgen Schiffer (Verband der Angestellten-Krankenkassen e. V., Siegburg): Herr Abgeordneter Henke, Sie haben das Problem genau richtig beschrieben. Es muss um die Frage gehen, wie wir das lösen. Das Heimgesetz ist nicht die richtige Stelle, um das zu lösen. Wir haben es vielmehr mit einem Gegenstand zu tun, der einer bundeseinheitlichen Regelung bedarf. Ich sage ganz deutlich: Ich sehe nur die Möglichkeit, das im SGB XI zu regeln, und zwar gemeinsam mit Leistungsträgern - sprich: Kostenträgern - und Einrichtungsträgerverbänden. Wir haben die gemeinsamen Grundsätze nach § 80 SGB XI, die eigentlich den gesamten Qualitätsbereich abhandeln.

Es muss in diesen Verhandlungen darum gehen, deutlich zu machen, was in eine Dokumentation gehört. In eine Dokumentation gehören zunächst die Defizite der Bewohner, die Ressourcen und die Vorstellungen, wie man ihnen begegnen will. Das ist genau der Ansatz für die Pflegeplanung und für die Prozesssteuerung. Das sind genau die Inhalte einer Pflegedokumentation. Dazu gehört natürlich auch der medizinische Aspekt, weil wir es nicht nur mit der Pflege zu tun haben. Denken wir nur an die Bereiche der behandlungspflegerischen Maßnahmen wie das Setzen von Spritzen, die Medikamentengaben usw. Diese Grundzüge gehören ebenso in eine Pflegedokumentation wie ergänzend natürlich auch der ganze sozialbetreuerische Bereich, der in den Einrichtungen immer mehr zunimmt. Warum vereinbaren wir in Qualitätsmaßstäben beispielsweise die ganze Biografie? Sie muss natürlich auch im Prozessverlauf erkennbar sein.

Wenn man sich gemeinsam darauf verständigt, erkennt man auch die Grundeinstellung:

Die gesamte Dokumentation ist von Angst getrieben. Die Mitarbeiter und die Einrichtungsträger haben Ängste, haftbar gemacht zu werden, wenn etwas nicht dokumentiert ist.

Wenn es gemeinsam gelingen würde, in diesen Grundsätzen und Maßstäben zur Qualität und Qualitätssicherung sowohl auf der Kosten- und Leistungsträgerseite als auch auf der Einrichtungsträgerseite die Inhalte zu vereinbaren und festzulegen - das gilt dann natürlich auch für den ganzen Bereich der Sozialhilfe und würde auch 26 von 58

AGS-Ausschuss 13.12. hend für die prüfenden Heimaufsichtsbehörden gelten -, hätten wir das Thema endlich gelöst. Ansonsten diskutieren wir noch 20 Jahre über die Pflegedokumentation.

Zur Ihrem letzten Punkt: Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Grundsatzstellungnahmen der MDK-Gemeinschaft im Auftrag der Kassen, die heute elektronische Pflegedokumentation weitestgehend in den Einrichtungen zu handhaben. Es gibt Anforderungen, die beschreiben, was bei der elektronischen Pflegedokumentation zu berücksichtigen ist. Darauf kann man sich einlassen. Dann bekommen wir dieses Thema auch vom Tisch.

Judith Rösch (Verdi Nordrhein-Westfalen): Zur Dokumentation möchte ich Folgendes ausführen: Herr Henke hat eben schon angesprochen, dass Pflegedokumentation eine rechtliche Absicherung sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für die Heimträger und die ausführenden Beschäftigten ist.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf den DAK-BGW Gesundheitsreport 2006 Ambulante Pflege verweisen, in dem genau das untersucht wurde. Dabei ist herausgekommen, dass der zeitliche Dokumentationsaufwand im exemplarischen Bereich der ambulanten Pflege in den Einrichtungen massivst gesenkt werden konnte, in denen ein Qualitätsmanagement implementiert worden war und in denen regelmäßig Fallbesprechungen und Pflegevisiten mit den Menschen durchgeführt wurden, die zu dokumentieren hatten. Wir glauben, dass es nicht unbedingt die Menge macht, sondern dass es eher darauf ankommt, wie man an Dokumentationen herangeht.

Dirk Zurloh (Stadt Münster, Sozialamt): Ich habe das in die Stellungnahme geschrieben, weil meine praktische Erfahrung in den Einrichtungen - zwar nicht als Dokumentierender, aber als Prüfender - ist, dass die Dokumentation sehr vereinfacht werden kann.

Es gibt gute Hilfsmittel im Bereich der Erfassung. Folgendes Beispiel führe ich häufig an: Wenn Sie heute in einer Eisdiele ein Eis bestellen, läuft der Kellner oft nicht mehr zur Theke, sondern das Bestellen funktioniert häufig mit Lese- und Übertragungsgeräten. Solche Dinge, die technisch möglich sind, müssen in Zukunft genutzt werden.

Aber auch Vergleiche zwischen den Pflegedokumentationen sind für Leitungskräfte allein dadurch viel leichter, dass man Verfahren, die Sie vom PC kennen, zum Beispiel dass man Excel-Tabellen nebeneinander legen kann, auch auf Pflegedokumentationen übertragen kann. Morgens informieren sich Leitungskräfte unmittelbar darüber, wie der Grundmanagementbericht ausgefallen ist und wie sich Dekubitussituationen entwickelt haben, ohne dass sie erst in den Bereich gehen, nach Personal suchen und sich selbst diese Dokumentation suchen müssen. Sie sind im gesamten Haus miteinander vernetzt. Das sind die positiven Aspekte, die ich zur Pflegedokumentation aus der Erfahrung als Prüfender sehe, ohne selbst zu dokumentieren.

Ein wesentlicher Aspekt scheint mir aber trotzdem zu sein: Wir müssen, wenn wir über so viele Standards diskutieren, auch sehen, dass das Leben nun einmal, auch im Alter, aus Nahrungsaufnahme, Grundversorgung, also aus Waschen und ähnlichen Dingen besteht. Die Menschen haben sicherlich unterschiedliche persönliche Schwierigkeiten, aber sie sind an sich vergleichbar. Es gibt sehr viele verschiedene Individuen. Aber trotzdem hat jeder vergleichbare Beispiele. Es muss der Pflegewissenschaft gelingen,