Steuer

Zweiundsechzigste Vergleichende Prüfung „Straßenreinigung" Elfter Zusammenfassender Bericht 47

· den Frontflächenmaßstab, der auch noch die Breite der Straße berücksichtigt und

· den Quadratwurzelmaßstab, der nicht die Straßenlänge aufgreift, sondern an die Grundstücksfläche anknüpft. Wegen ihrer exponentiellen Minderung belastet die Quadratwurzel kleine Grundstücke stärker als große.

Die Frontmeter- und Frontflächenmaßstäbe hatten sich in den meisten Städten etabliert. Die Stadt Wiesbaden stellte im Prüfungszeitraum auf den Quadratwurzelmaßstab um. Die Stadt Frankfurt am Main sucht seit Jahren, aber ohne Erfolg, einen geeigneten Gebührenmaßstab. Sie befürchtet bei einer Umstellung eine Flut von Widersprüchen.

Kompliziert wird das Straßenreinigungsgebührenrecht, weil Mehrfrontengrundstücke unter Umständen überproportional herangezogen werden können, obwohl sie die Straßen nicht stärker belasten als andere Grundstücke. Umgekehrt unterliegen Hinterliegergrundstücke der Gebührenpflicht. Auch berücksichtigte keiner der Maßstäbe die unterschiedliche Zahl der Bewohner oder Nutzer eines Grundstücks.

Solange die Rechtsprechung alle Gebührenmaßstäbe anerkennt, besteht kein Anlass, einen dieser Maßstäbe zu empfehlen.

11 Lohmann: Die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in Hessen, Hessische Städte- und GemeindeZeitung, 1999, Seite 82 ff.

Ordnungsmäßigkeit der Gebührenberechnung 48 Elfter Zusammenfassender Bericht

Ordnungsmäßigkeit der Gebührenberechnung

In der Prüfung stellte sich heraus, dass die Städte die Gebühren bei identischer Rechtslage uneinheitlich berechneten: Abweichungen gab es beim Eigenanteil und bei der Einbeziehung der Aufwendungen für die Papierkorbbewirtschaftung.

Eigenanteil

Nach § 11 Absatz 4 des Gesetzes über kommunale Abgaben sind die Gemeinden wie bei jeder Gebühr verpflichtet, den Vorteil, den die Allgemeinheit hat, aus der Gebühr herauszurechnen. Die Städte setzten ihre Eigenanteile wie folgt an:

Bis auf Darmstadt und Gießen berechnete detailliert keine Stadt den Eigenanteil.

Frankfurt am Main und Gießen nahmen an, dass in den Eigenanteil auch der Aufwand für die Reinigung der Straßen vor den städtischen Grundstücken einfließen kann. Dies ist falsch, denn von dem Vorteil der Allgemeinheit ist der fiskalische Aufwand für die Reinigung der Straßen vor den kommunalen Grundstücken strikt zu trennen.

Das Bundesverwaltungsgericht12 räumte zwar den Gemeinden bei der Bewertung des Allgemeininteresses an der Straßenreinigung eine weitgehende Einschätzungsfreiheit ein. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hielt in einem Einzelfall den Vorteil der Allgemeinheit bei einem pauschal ermittelten Gemeindeanteil von 20 Prozent für noch ausreichend.13 Die Überörtliche Prüfung hält dennoch die Praxis, wie der Eigenanteil bestimmt wurde, für nicht mehr hinnehmbar und forderte die Gemeinden auf, tragfähige Berechnungen für den Eigenanteil vorzulegen.

12 Bundesverwaltungsgericht, DVBl 1985, 123, 124

13 Hessischer Verwaltungsgerichtshof, DVBl 1986, 770-778

Vorteil der Allgemeinheit Zweiundsechzigste Vergleichende Prüfung „Straßenreinigung" Elfter Zusammenfassender Bericht 49

6.10 Papierkorbbewirtschaftung nicht gebührenfähig

Die Straßenreinigungsgebühren in sechs Städten umfassten auch den Aufwand für die Papierkorbbewirtschaftung (Bad Homburg v.d. Höhe, Darmstadt, Frankfurt am Main, Marburg, Offenbach am Main und Wetzlar).

Das Hessische Straßengesetz klärt im Gegensatz zum Niedersächsischen Straßenrecht14 nicht die Frage, wer die Kosten für die Papierkorbleerung zu tragen hat (Gebührenzahler oder Allgemeinheit). Allerdings entschied das Oberverwaltungsgericht Münster15, unter dem Begriff der Straßenreinigung sei nur die Reinigung der Straßenoberfläche zu verstehen. Deshalb können die Kosten für die Papierkorbbewirtschaftung nicht in die Gebühren eingerechnet werden. Die Überörtliche Prüfung hält die Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Münster für überzeugend und auf die hessische Rechtslage übertragbar:

Wie in Hessen gibt es in Nordrhein-Westfalen keine Aussage darüber, wer die Kosten der Papierkorbbewirtschaftung trägt. Den Gemeinden fehlt in Hessen die gesetzliche Ermächtigung, die Anlieger zu den Kosten heranzuziehen. Die Papierkorbbewirtschaftung ist der Normalfall des Interesses der Allgemeinheit. Die Überörtliche Prüfung hält auch keine Änderung der Rechtslage für geboten. Überall, wo private Straßenreinigung gilt, kam bislang niemand auf den Gedanken, die Anlieger die Papierkörbe leeren und den Abfall entsorgen zu lassen. Papierkorbbewirtschaftung ist eine Aufgabe der Allgemeinheit. Die Kosten sind von ihr zu tragen.

6.11 Sinkkastenreinigung nicht gebührenfähig Ebenso wie die Papierkorbreinigung ist die Sinkkastenreinigung nicht gebührenfähig, da nur die Straßenoberfläche Bestandteil der Straßenreinigung ist. Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster16 gehört zur Straßenreinigung nicht die Reinigung der Sinkkästen in den Wasserabläufen der Straße. Die Kosten dieser Reinigung können bei der Ermittlung der Straßenreinigungsgebühren nicht berücksichtigt werden. Zwar fangen die Sinkkästen, wenn das Wasser von der Straßenoberfläche durch die Einläufe in die Kanalisation abläuft, Straßenschmutz auf, so dass die Sinkkästen gereinigt werden müssen. Dieser Geschehensablauf hängt aber mit dem Erfordernis, die Straßen zu reinigen, nicht zusammen. Der vom Regen weggespülte Straßenschmutz ist Bestandteil des Abwassers. Demgemäß gehört die Reinigung der Sinkkästen zur Abwasserbeseitigung. Als einzige Stadt im Vergleichsring ließ Frankfurt am Main die Sinkkastenreinigung in die Straßenreinigungsgebühren einfließen.

6.12 Qualität der Straßenreinigung

Die Qualität der Straßenreinigung ist ein Maß für die Zufriedenheit der Bürger und prägt das städtische Erscheinungsbild. Durchgängig hatte keine Stadt einen objektivierbaren und operationalisierbaren Standard für die Qualität der Straßenreinigung.

Die Überörtliche Prüfung hielt dies für einen schweren Mangel in der Steuerung der Gemeinden. Reinigungsstandards können im Sinne des Neuen Steuerungsmodells auf der einen Seite im Wege der Satzung zwischen Gemeinde und Bürger und auf der anderen Seite im Wege des Vertrags oder einer Zielvereinbarung zwischen Gemeinde und Reinigungsanstalt festgelegt werden.

14 Driehaus: Kommunalabgabenrecht, Berlin, § 6, 462

15 Urteil vom 17. Oktober 1985 ­ 2 A 2689/84