Die Migrantenambulanz in Langenfeld gibt es seit drei Jahren

In die Zahlen habe ich kein Vertrauen. Die Untersuchungen sind in einer ganz bestimmten Art und Weise verfasst. Wer Migrant ist und wer keinen Migrationshintergrund hat, wird dort mal so und mal so aufgenommen - je nachdem, was man erforschen will. Meine Erfahrungen sind aber ganz andere.

Die Migrantenambulanz in Langenfeld gibt es seit drei Jahren. Das ist gut so. Ich wollte das zuerst nicht machen. Es war eine Flucht nach vorne. Menschen aus ganz Nordrhein-Westfalen kommen dorthin. Wir haben auch Patienten aus anderen Bundesländern und aus anderen Staaten. Aus Holland und aus Frankreich rufen uns verzweifelte Menschen an und fragen nach Rat, nach Empfehlungen und nach Beratung. Wenn sie nicht zu uns kommen, gehen sie zu Hausärzten oder zu religiösen Gelehrten, sogenannten Hodschas. Oder sie gehen in die Türkei und lassen sich dort behandeln.

In der Gerontopsychiatrie gibt es einen Riesenbedarf. Die Migranten werden hier alt.

Sie kehren auch nicht zurück. Tut mir leid: Die Illusion, sie würden irgendwann zurückgehen oder hier nicht alt werden, stimmt nicht. Sie sind sehr oft vereinsamt. Die Großfamilien, die man aus Filmen kennt und sich so romantisch vorstellt, gibt es hier nicht.

Diese Menschen sind entwurzelt. Sie bleiben hier und werden alt. Angebote gibt es dagegen extrem wenige.

Es wird immer noch die Diskussion um integrierte oder spezialisierte Versorgung geführt. Ich habe keine Ahnung, was das bedeuten soll. Beide Seiten vertreten sehr interessante Thesen. Dieser Bedarf ist da. Man muss etwas machen - am besten ambulant, am besten Home Treatment. Ohne Familien läuft nichts.

Zu uns kommen auch andere Nationalitäten. Die Sprache ist immer eine Barriere. Die Barriere besteht aber eher aufseiten der Behandler. Migranten sind in der Regel froh, wenn man auf sie eingeht - egal in welcher Sprache. Und schon ein paar Worte wirken manchmal Wunder. Eine Viersener Klinik des Landschaftsverbands Rheinland hat einen zweiwöchigen Türkischkurs durchgeführt. Es geht um Symbole. Es geht um das Signal: Sie sind hier willkommen. - Die haben da auf der geschlossenen Station gemerkt, dass sehr viele Menschen aus der Türkei zu ihnen kommen. Sie müssen nicht die Sprache lernen, sie müssen nicht die Kultur lernen. Aber sie müssen Bereitschaft zeigen und ein klares Signal geben.

Ich möchte die drei Minuten Redezeit nicht überschreiten, aber darauf hinweisen: 15 % der Menschen, die in Deutschland leben, sind Migranten. Wenn man über Migranten redet, werden jedoch geringere Prozentanteile genannt.

Es gibt noch vieles zu besprechen. Es soll Ambulanzen und spezielle Einrichtungen geben. Mit wem wollen Sie das machen? Sehr wenige Menschen sind bereit, sich mit dieser sehr schwierigen Klientel auseinanderzusetzen. Ich mache gute Erfahrungen. Das ist durchaus möglich, wenn man das in einer Klinik zur Chefsache erklärt und die notwendige Unterstützung gibt.

Wir müssen uns auch refinanzieren. Diese Hürden sind da. Das Ganze soll aber ausgebaut werden - insbesondere auch mit Psychoedukativen, mit Selbsthilfegruppen usw.

Uns fehlen Materialien. Einfach zu übersetzen, was für Deutsche geschaffen wurde, hat null Effizienz. Viele sind Analphabeten. Viele Menschen können diese Dinge auch nicht verstehen. - Und so weiter! Egal, wohin Sie gucken, Sie sehen riesengroße Mängel.

Wolfgang Voelzke (Stadt Bielefeld, Amt für Planung und Finanzen, Jugend/Soziales/Wohnen): Ich bin nach der gerontopsychiatrischen Versorgung gefragt worden.

Nach den Ausführungen von Dr. Pörksen möchte ich nur noch auf wenige Punkte hinweisen.

Im Rahmen der ambulanten Versorgungsstrukturen gibt es - zumindest in Bielefeld - unterschiedliche niedrigschwellige Hilfen. Das beginnt mit der Gedächtnissprechstunde der psychiatrischen Ambulanz, geht über Gesprächskreise, Selbsthilfegruppen, Hausbesuchsdienste, Betreuungsgruppen und Urlaubsfahrten für Angehörige und Betroffene bis hin zur Wohnraumanpassung, Pflegeberatung und Wohnraumberatung.

Einer der entscheidenden Punkte in der Entwicklung von Strukturen ist in der Gegenwart - nicht in den nächsten zehn bis 15 Jahren -, dass viele Angehörige, die in eine solche Situation kommen, gar keine Informationen über das bestehende Angebot haben. Deswegen bemüht sich zum Beispiel das Demenz-Service-Zentrum für Ostwestfalen-Lippe in Bielefeld um Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit und um entsprechende Wegweiser für pflegende Angehörige. Auch da, wo es eine Menge Angebote gibt, kommt es also darauf an, die betroffenen Angehörigen über Öffentlichkeitsarbeit zu erreichen.

Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass es bei der Diskussion über Zielgruppen nicht nur um Demenzerkrankte gehen darf. Noch mehr und noch leichter aus dem Blickfeld geraten Menschen mit Depressionen und vereinsamte alte Menschen. Auch sie können über die psychischen Erkrankungen und die psychiatrische Klinik in das Hilfesystem greifen. Hier könnte mit im Vorfeld gelagerten Hilfen - bei denen es sich auch um nichtpsychiatrische Hilfen handeln kann, beispielsweise Arbeitsgelegenheiten und andere im Rahmen des SGB II mögliche Hilfen - einiges erreicht werden. Dazu müssten weiter kreative Lösungen entwickelt werden.

Susanne Heim (Kölner Stiftung für psychisch Kranke und ihre Angehörigen): Frau Steffens, Sie haben gefragt, was den Trialog verhindert. Selbst wenn ich jetzt den Zorn der Mehrheit der Anwesenden auf mich ziehe, muss ich sagen: Verhindert wird er überwiegend durch die Haltung der professionell Tätigen, der Behandler und auch der psychiatrisch Forschenden.

Trialog hat etwas mit gegenseitiger Wertschätzung zu tun. Ohne die geht es nicht. Gerade wir Angehörigen erleben aber immer noch relativ wenig Wertschätzung. Auch heute ist ja bisher kaum davon die Rede gewesen, dass die Familien im Grunde genommen der größte Träger der ambulanten Versorgung oder Begleitung vor allem der chronisch psychisch Kranken sind. Nur ein kleinerer Teil der Betroffenen ist an Institutionen angebunden.

Mittlerweile gibt es wieder die Familienpflege, bei der Patienten in fremden Familien aufgenommen werden. Solche Familien bekommen ganz selbstverständlich Begleitung und Unterstützung bei ihrer Aufgabe. Die Herkunftsfamilien aber werden mit dieser Aufgabe alleine gelassen. Weil sie aufgrund ihrer emotionalen Beteiligung ohnehin schon in die Probleme verwickelt sind, hätten sie eine solche Unterstützung noch sehr viel nötiger.

Das hat wirklich etwas mit der Haltung gegenüber den Angehörigen zu tun. Ich kann verstehen, dass der Blick auf sie unbequem ist, wenn man immer noch der Theorie anhängt, dass ja die Familie die Erkrankung verursacht oder zumindest die Basis dafür gelegt hat. Dieser Mythos ist allerdings längst wissenschaftlich widerlegt. Das dringt nur nicht durch. Es wird nicht zur Kenntnis genommen und daher auch nicht entsprechend umgesetzt.

Das hat im Übrigen auch etwas mit Prävention zu tun. Sehr viele Krisen könnten sehr viel früher abgefangen werden und würden gar nicht bis zur Zwangseinweisung eskalieren, wenn Angehörige mit ihren Hilferufen ernst genommen würden. Angehörige kennen die Patienten in der Regel schon sehr lange - meist bereits aus gesunden Tagen und manchmal sogar von Geburt an -, sodass sie frühe Zeichen dafür, dass sich wieder etwas anbahnt, oft als Allererste erkennen. Ihre Hilferufe werden aber oft nicht ernst genommen.

In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass auch kleine Kinder Angehörige sind. Sie können allerdings keine Selbsthilfe betreiben. Von daher ist es ganz dringend erforderlich, dass sich die sogenannte Erwachsenen- oder Allgemeinpsychiatrie viel stärker mit der Jugendhilfe zusammentut. Wir haben gehört, was alles nötig ist, um eine Erkrankung schon im Jugendalter zu verhindern. Wenn Sie sich einmal von erwachsenen Kindern psychisch Kranker erzählen lassen, wie früh sie schon Verantwortung - oft für die ganze Familie - übernommen haben, dann wissen Sie, mit welcher Hypothek diese Menschen ins Leben gehen. Sie haben dadurch sehr viele Kompetenzen erworben, und es ist kein Zufall, dass sehr viele von ihnen in soziale Berufe gehen.

Aber sie tragen an dieser Last ihr Leben lang. Je früher diese Situation begonnen hat und je länger sie ohne Hilfe und Ansprechpartner geblieben sind, desto tiefer schleift sich das ein - auch das Schuldgefühl und das Gefühl, die Verantwortung nicht mehr abgeben zu können. Auch das ist ein Stressfaktor, der häufig dazu beiträgt, eine Erkrankung zu provozieren. Dann schaut die Wissenschaft aber direkt nach den Genen, anstatt daran zu denken, dass die psychosozialen Verhältnisse verbessert werden müssen und die entsprechenden Hilfen sehr viel früher greifen.

Ein Wort noch zur Selbsthilfe: Die Angehörigen werden mit ihrer Selbsthilfe sehr häufig allein gelassen. Aber diese Haltung wird sich erst verändern, wenn mehr Begegnung stattfindet. Deshalb muss die Begegnung sowohl mit den Erkrankten, Genesenden und wieder Gesunden als auch mit den Angehörigen sehr viel früher passieren als erst in der Weiter- und Fortbildung, nämlich schon in der Ausbildung.

Wir freuen uns sehr darüber, dass die Angehörigen und die Psychiatrie-Erfahrenen selbst neuerdings auch zu Fortbildungsveranstaltungen eingeladen werden.