Gudrun Schliebener Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e V Landesverband NRW Trialog ist eigentlich ein Kunstwort
Wir Vertreter der Selbsthilfe werden hingegen oft noch nicht einmal gefragt, ob man uns das Fahrgeld erstatten darf.
Gudrun Schliebener (Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker e. V., Landesverband NRW): Trialog ist eigentlich ein Kunstwort. Es gibt keine klare Definition dieses Begriffs. Wenn man danach fragt, wird man völlig unterschiedliche Meinungen oder Einstellungen dazu hören.
Wie in einem Antrag richtig beschrieben, leben über 50 % der langfristig psychisch beeinträchtigten Menschen bei ihren Familien. Deshalb ist Trialog für uns eine konsequente Einbeziehung der Selbsthilfeorganisationen in Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie, wie Frau Heim eben sagte, in Aus- und Weiterbildung. Dies ist notwendig, um die spezifischen Probleme der betroffenen Familien angemessen zu werten und auch zu berücksichtigen. Es stellt sich heraus, dass es dann ein besseres Verständnis für die spezifischen Probleme gibt.
Ich könnte Ihnen viel darüber erzählen, was in den Familien passiert. Frau Heim hat es angedeutet. Trotzdem werden Sie nicht nachvollziehen können, wie es sich anfühlt und welche Auswirkungen es auf die Familien hat, wenn man mit der Situation konfrontiert ist, ein psychisch krankes Familienmitglied zu haben. Man kann sehr viel darüber lernen, man kann sehr viel darüber erfahren - was das für die Familien letztlich bedeutet, wird man trotzdem nicht ermessen können. Das kann man nur aus eigener Erfahrung.
Um Erfahrungen und Wertungen von Behandlungsprozessen, von Entscheidungsprozessen und von Planungsprozessen miteinbringen zu können, bedarf es auch der Einbeziehung. Deshalb plädieren wir vehement für die Einbeziehung der Selbsthilfeorganisationen in alle diese Bereiche - von der Landesebene bis hin zur kommunalen Ebene.
Wir meinen, dann wird sich auch die Qualität der Behandlung und der Begleitung verbessern.
Cornelius Kunst (Landesverband Psychiatrie-Erfahrener NRW e. V.): Sie sprachen den Trialog an. Heute haben wir einen Quadrolog. Das finde ich auch noch sinnvoller.
Die Politik sollte in der Tat dabei sein; denn sie entscheidet. Oftmals fühlen wir Psychiatrie-Erfahrenen uns von Politikern auch eher verstanden und wahrgenommen als von Profis; denn die Interessen der Profis sind ihre eigenen: Sie wollen ihren Job behalten.
(Vorsitzender Günter Garbrecht (AGS): Politiker manchmal auch - Allgemeine Heiterkeit)
Wir als Selbsthilfeverband vertreten die Interessen der Betroffenen. Nach unserer Ansicht sind die Überlegungen der Selbsthilfe - auch die Frage, wie man eine individuelle Selbsthilfe anregen kann - bisher auch in den Anträgen zu kurz gekommen.
Als gelungenen Quadrolog möchte ich unsere Zusammenarbeit mit den Grünen seit dem Kongress Weil der Mensch ein Mensch ist im Jahr 2003 erwähnen. Da hatten wir das Gefühl: Wir konnten uns wirklich einbringen. Wir wurden wahrgenommen. - Ich hoffe, dass dies auch mit der neuen Landesregierung möglich ist. Es kommt darauf an, welches Gefühl man dabei hat und was in den Konzepten übernommen wird.
Ich habe mich gefreut und fand es auch sehr beruhigend, dass in den meisten Stellungnahmen zumindest in einem Satz die Wichtigkeit der Selbsthilfe erwähnt wurde. In den Ausführungen wurde dazu aber gar nichts gesagt.
Vorsitzender Günter Garbrecht (AGS): Jetzt sind nur noch die Fragen an Herrn Dr. Murafi offen.
Dr. Khalid Murafi (Westfälisches Institut Hamm, Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie): In Bezug auf die Frage nach Besonderheiten bei Menschen mit Migrationshintergrund kann ich der differenzierten Aussage von Herrn Ozankan nicht mehr viel hinzufügen. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie finden Sie ein ähnliches Bild vor. Wir haben auch da eine reduzierte Inanspruchnahme - bei absehbarem und auch feststellbarem Bedarf. Unsere Klinik hat in allen Sektoren türkischsprachige Psychotherapeuten eingesetzt. Dies führt nicht zu einer Erhöhung der Inanspruchnahmerate.
Die Kinder und Jugendlichen, die uns zugeführt werden, sind häufig bereits schwerer erkrankt und weisen häufig Symptome auf, die schon auf einen Chronifizierungsprozess schließen lassen. Insofern findet ihre Zuführung eigentlich zu spät statt. Einfache Lösungen wie der Einsatz von muttersprachlichen Therapeuten und das Übersetzen von Plakaten und Flyern reichen nicht aus. Wir müssen uns noch viele Gedanken darüber machen, wie wir hier vorankommen können.
Außerdem wurde ich auf die Behandlung von Kindern und ganzen Familien angesprochen. Wie ich schon angedeutet habe, verfügen wir zum Beispiel über eine Dort werden vier Familien mit Kleinkindern gleichzeitig über drei bis vier Wochen aufgenommen.
Sie haben in diesem Zusammenhang auch nach der Finanzierung gefragt. Die ist katastrophal. Für ein Kind, das sogenannte Indexkind, werden wir von den Kostenträgern bezahlt. - Ich finde es übrigens sehr bedauerlich, dass die Kostenträger hier nicht anwesend sind; das muss man an dieser Stelle einmal deutlich sagen. - Wir werden also für ein Kind bezahlt. Die anderen aufgenommenen Personen, nämlich die Geschwisterkinder und die Eltern, die in unserem Appartement wohnen und versorgt werden, werden über eine Station quersubventioniert, die vom Stellenplan her parallel mit den gleichen therapeutischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besetzt ist. Insofern zahlen wir das aus eigener Tasche.
Hinzu kommt, dass natürlich auch eine Finanzierung durch die Eltern erfolgen muss.
Nach europäischen Studien muss eine Familie, von der ein Kind stationär in der Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt wird, monatlich zusätzliche Kosten - Fahrtkosten etc. von ca. 1.000 tragen. Zahlreiche Eltern, die unser Angebot der Eltern-Kind-Einheit annehmen wollen - vom Wunsch und von der Motivation her sind das eigentlich viele; viele haben auch eine Indikation dazu, weil diese Maßnahme meines Erachtens auch sekundärpräventiv ist -, können sich dies finanziell überhaupt nicht erlauben, da im Besonderen die Übernahme des Verdienstausfalles durch die Kostenträger nicht mehr gewährleistet ist. Insofern ist es für viele Familien - gerade für sozial schwache Familien, mit denen wir es in psychiatrischen Kontexten vermehrt zu tun haben - nicht möglich, dieses Angebot professioneller Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Vorsitzender Günter Garbrecht (AGS): Meine Damen und Herren, wir sind am Ende der Anhörung angelangt. Ich danke allen Expertinnen und Experten für ihre schriftlichen Berichte und dafür, dass sie uns heute Rede und Antwort gestanden haben.
(Allgemeiner Beifall)
Ich danke ihnen im Namen aller Abgeordneten auch ausdrücklich für den Dank, den sie uns in ihren schriftlichen Stellungnahmen oder auch mündlich dafür entgegengebracht haben, dass wir uns dieses Themas angenommen haben.
Von der heutigen Veranstaltung wird ein Protokoll gefertigt, das den Sachverständigen auch zugesandt wird. Die beteiligten Ausschüsse werden dieses Anhörungsprotokoll auswerten und es bei der weiteren Behandlung dieses Themas und auch bei der Beschlussfassung über die Anträge miteinfließen lassen.
Das ist der heute zu verkündende Stand. Meine Damen und Herren, ich wünsche Ihnen eine sichere und unfallfreie Heimreise!
Die Sitzung ist geschlossen.