Zunächst möchte ich auf die neue Organisationsstruktur eingehen

Änderung des Polizeiorganisationsgesetzes beabsichtigten Neuorganisation, nämlich die Straffung der polizeilichen Organisationsstruktur, um mehr Polizeibeamte für den operativen Dienst zur Verfügung zu stellen, aus unserer Sicht nicht erreicht wird. Diese Zweckverfehlung der Gesetzesänderung möchte ich anhand von fünf Kritikpunkten deutlich machen.

Zunächst möchte ich auf die neue Organisationsstruktur eingehen. Bereits die Absicht, die polizeiliche Organisationsstruktur zu straffen, wird verfehlt, weil der gewünschte zweistufige Verwaltungsaufbau für die Polizei durch die Organisationsänderungen nicht entsteht. Denn neben dem Innenministerium und dem LKA gibt es auch die ZPD NRW und das Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei in NRW mit Aufsichtsbefugnissen über die Kreispolizeibehörde. Die Schaffung dieser neuen Landesoberbehörden steht auch der im Koalitionsvertrag zwischen CDU und FDP vereinbarten Reduzierung von Sonderbehörden entgegen. Durch die Gesetzesänderung werden zwar Mittelinstanzen der Polizei - hier die Abteilungen 25 und 26 der Regierungspräsidien - abgeschafft; dafür werden aber neue Mittelinstanzen für die von der bisherigen Mittelinstanz zu erledigenden Aufgaben geschaffen.

Das Innenministerium und die drei Landesoberbehörden werden in ihrem zukünftigen Aufgabenbereich 47 Kreispolizeibehörden zu leiten haben. Das kann nicht funktionieren, da die Leitungsspanne viel zu groß ist. Es gibt keine seriöse wissenschaftliche Untersuchung, die eine derartige Leitungsspanne befürwortet. Das wird man nirgendwo finden.

Aus der Verlagerung der Aufgaben auf zwei neue Landesoberbehörden und der viel zu großen Leitungsspanne werden sich gravierende Schnittstellenprobleme ergeben. Zu dieser Problematik haben wir in unserer Stellungnahme zwei ganz konkrete Beispiele angeführt. Im Übrigen wird sich die aus der beabsichtigten Neuorganisation ergebende Schnittstellenproblematik noch dadurch verschärfen, dass es wegen der einhergehenden Veränderung der Binnenstrukturen der Kreispolizeibehörden keine Kreispolizeibehörde gibt, deren Struktur mit einer anderen völlig vergleichbar ist. Mittlerweile laufen schon alleine innerhalb der Binnenstrukturen 16 unterschiedliche Modelle.

Darüber hinaus befürchten wir, dass durch die Änderung des POG kein Bürokratieabbau erreicht wird, sondern mehr Bürokratie entsteht. Durch die beabsichtigte Organisation entsteht die Gefahr, dass die Selbstständigkeit der Kreispolizeibehörden je nach Ausgestaltung des Weisungsrechts der Landesoberbehörden noch stärker reduziert wird. Nach unseren Erfahrungen schafft eine solche Reduzierung zusätzlichen Bürokratieaufwand, weil die bisherige selbstständige und schnelle Aufgabenerledigung vor Ort zukünftig vorheriger Rückfragen an und Absprachen mit Landesoberbehörden bedarf.

Meine letzte Anmerkung bezieht sich auf die erhofften Synergieeffekte. Schon in der Vergangenheit haben wir zum POG I immer gehört, welche Kolleginnen und Kollegen wir auf die Straße bekommen. Woher die mit der Neuorganisation behaupteten Synergieeffekte von 150 zusätzlichen Funktionen für den operativen Dienst kommen sollen, ist uns unerklärlich. Wir haben anhand von Fallbeispielen genau aufgeführt, wie viele Kolleginnen und Kollegen momentan bei den Bezirksregierungen arbeiten.

Ich darf das Fazit ziehen: Der vorliegende Gesetzentwurf beinhaltet weiterhin einen dreistufigen Verwaltungsaufbau der Polizei. Der zweistufige Verwaltungsaufbau wird verfehlt. Die Leitungsspanne von Innenministerium und drei Landesoberbehörden über 47 Kreispolizeibehörden ist viel zu groß. Die Aufgabenverlagerung von der Mittelinstanz auf die neuen Landesoberbehörden und das LKA bringt gravierende Schnittstellenprobleme mit sich. Die beabsichtigte Neuorganisation birgt die Gefahr von mehr Bürokratie in sich. Die behaupteten Synergieeffekte werden sich nicht einstellen. Die weiteren Planungen zur Umsetzung der Inhalte des Gesetzentwurfs - das hatte ich vorausgeschickt - sind uns nicht bekannt.

Bei diesem Fazit werden Sie nicht überrascht sein, meine Damen und Herren, dass wir die beabsichtigte Änderung des POG und damit das ihr zugrunde liegende Konzept ablehnen - falls überhaupt ein Konzept vorliegt, das aus unserer Sicht, ähnlich wie beim POG I, jedenfalls nicht ersichtlich ist. Wir sind nicht bereit, eine Organisationsänderung mitzutragen, deren Zweckverfehlung schon jetzt deutlich wird, deren Inhalte wir nicht in Gänze kennen und bei der unsere Mitarbeit und die Mitarbeit unserer Personalvertretungen nicht gewünscht wird.

Rainer Wendt (Deutsche Polizeigewerkschaft NRW): Vielleicht machen Gewerkschaftler immer Vorbemerkungen; ich will mir auch zwei gestatten: Wir hatten uns schon im vergangenen Jahr zu einer Anhörung zum selben Thema getroffen, die am 23. März 2006 stattfand. Ich nehme meine Erinnerung an die damalige Anhörung zum Anlass, an das Innenministerium, respektive an die Pressestelle des Innenministeriums, das Wort zu richten: Es gilt das gesprochene Wort.

(Lachen von den Abgeordneten - Zuruf: Das gebrochene Wort!) Sie wissen genau, was ich damit meine. Die Berichterstattung im vergangenen Jahr das sage ich Ihnen, Herr Vorsitzender - hat mich ausgesprochen geärgert und darf so nicht wieder vorkommen.

Meine zweite Vorbemerkungen: Ich finde die Vorbereitungshandlungen der Landesregierung in Bezug auf diesen Gesetzentwurf nicht kritikwürdig. Ich finde ein gut vorbereitetes Gesetz besser als einen Schnellschuss. Im Übrigen fühlen wir uns eingebunden und danken ausdrücklich für die Gesprächsbereitschaft.

Meine Damen und Herren, dem Gesetzentwurf der Landesregierung stimmen wir im Ergebnis aus drei Gründen zu: Er bietet die Chance, die Verwaltungsstruktur in Nordrhein-Westfalen zu verschlanken und tatsächlich Synergieeffekte zu erzielen, die dazu führen könnten, dass der operative Bereich der Polizei gestärkt wird. Er ist ebenfalls dazu geeignet, die Organisationsstruktur der Polizei aufgabengerecht zu gestalten. Am Konjunktiv merken Sie schon unsere vielen Vorbehalte, die wir in unserer Stellungnahme im Einzelnen dargelegt haben.

Zur Straffung der Verwaltungsstruktur möchte ich Folgendes zu sagen: Wenn weniger Führungsstellen und weniger Organisationseinheiten damit befasst sind, die Polizeibehörden zu führen, bringt das natürlich rein rechnerisch eine Verschlankung der Organisationsstruktur. Sie findet dann übrigens nicht statt, wenn die Neigung der neuen Landesoberbehörden - die bis jetzt Einrichtungen sind - in den Griff zu bekommen ist, wie ein Sog auf das Personal der Kreispolizeibehörden einzuwirken. Sie kennen das Problem: Heute findet ein Projekt statt, zu dem die Kolleginnen und Kollegen abgeordnet werden. Sie werden in ihren Behörden nie wieder gesehen, weil sie durch das Projekt in der anderen Behörde irgendwann total integriert werden.

Wir haben ebenfalls dargelegt, dass das Berichtswesen in der Vergangenheit ausgesprochen ausufernd war. Es hat die Polizeibehörden eher behindert als gefördert. Wenn es so fortgeführt wird wie bisher, wird keine tatsächliche Verschlankung der Organisationsstruktur stattfinden: Es gibt dann zwar eine Verschlankung der Struktur, aber nicht im Ergebnis bei der Arbeit, was wir eigentlich erreichen wollen.

Bei den Synergieeffekten haben Sie bereits von meinen Vorrednern erhebliche Zweifel und Vorbehalte gehört; wir teilen diese Zweifel und Vorbehalte. Zwar sind diese Synergieeffekte rein rechnerisch möglich, aber dass alle diese Kräfte auch tatsächlich im operativen Bereich zur Verfügung stehen werden, halten wir für ausgesprochen fraglich.

Das wird sich erst in der Umsetzung zeigen. Deshalb halten wir es für ausgesprochen kühn, in der Gesetzesvorlage davon zu sprechen, dass 150 Leute in den operativen Bereich kommen. Ob das tatsächlich so sein wird, oder ob die Leute in den neuen Landesoberbehörden oder sonst irgendwo verschwinden, müssen wir erst einmal sehen.

Ich glaube auch nicht, dass die hohen Dienstgrade, die aus den Bezirksregierungen nun in die Kreispolizeibehörden verlagert werden, unbedingt in den operativen Dienst kommen werden. Dass Sie demnächst Räte und Oberräte zu Dienstgruppenleitern und Streifenführern machen, wäre zwar eine ausgesprochen attraktive Ausgestaltung der zweigeteilten Laufbahn; das ist aber offensichtlich nicht das, was Sie tatsächlich vorhaben.

Zur Umsetzung des aufgabenbezogenen Organisationsaufbaus der Polizei sagen wir Ihnen: Das muss man nicht nur wollen - dieser Gesetzentwurf bietet dazu durchaus die Chance -, sondern man muss es auch machen. Was sich zurzeit in der ZPD vorzubereiten scheint, halten wir für kontraproduktiv. In der Logik dessen, was Sie vor einem Jahr als Schwerpunkte polizeilicher Arbeit definiert haben - das haben wir ausdrücklich unterstützt -, nämlich Gefahrenabwehr und Strafverfolgung, Verkehrsunfallbekämpfung und Kriminalitätsbekämpfung, hätte es eigentlich drei neue Landesoberbehörden geben müssen mit einer eigenen Oberbehörde für die Verkehrsunfallbekämpfung. Dieser Logik sind Sie nicht gefolgt; das können wir noch nachvollziehen, weil es aus unterschiedlichen Gründen durchaus Sinn hat, Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und Verkehrsunfallbekämpfung im ZPD gemeinsam zu organisieren. Das kann aber nur in Augenhöhe zwischen Gefahrenabwehr, Strafverfolgung und Verkehrsunfallbekämpfung geschehen.

Eine Dezernatslösung halten wir für ausgesprochen kontraproduktiv. Das kann so nicht sein; es wäre auch nicht logisch.

Darüber hinaus sind wir der Auffassung, dass sich die aufgabenbezogene Organisationsaufstellung der Polizei auch nach oben hin fortführen muss. Wir erwarten nun dringend Signale und konkrete Pläne, dass sich die Abteilung 4 des Innenministeriums der Herausforderung stellt, sich aufgabenbezogen aufzustellen und nicht in der bisherigen Reformresistenz zu verharren.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, dass eine vollständige erfolgreiche Umsetzung der Veränderung der Organisationsstruktur - durch welche Organisationsreform auch immer - in jedem Fall davon abhängt, ob die Belegschaft mitmacht.