Subvention

Sie unterstehen zwei unterschiedlichen Landesoberbehörden. Hier müssen also eine Verzahnung und eine Abstimmung stattfinden.

Wenn man wirklich will, dass in diesem Bereich weniger verwaltet wird - in diesem Punkt schließe ich mich ausdrücklich der Auffassung des Kollegen Südfeld an -, muss man die Dienstaufsicht lockern, denn sie funktioniert vor Ort. Dann muss man auch bereit sein, Ressourcenverantwortung über das bisherige Maß hinaus an die Kreispolizeibehörden zu delegieren. Das ist der entscheidende Punkt. Trotzdem gibt es einen Abstimmungsbedarf, wie ich ihn gerade beschrieben habe. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Entscheidung des Innenministers fällt, ohne dass die Leiter der drei Landesoberbehörden im Vorfeld gefragt worden sind. Sie müssen sich abstimmen und zu einem einheitlichen Votum kommen. Das sind schwierige Prozesse. Aus meiner Sicht bedeutet das mehr Verwaltung und mehr Aufwand. Darüber sollte man noch einmal intensiv nachdenken.

Zur Führungsspanne gibt es in der Verwaltungswissenschaft sicherlich andere Beispiele, bei denen die Führung auch mit mehr als 47 Behörden funktioniert. Das sollte man bei der Gelegenheit auch noch einmal sagen.

Theo Kruse (CDU): Niemand bestreitet, dass die Verwaltungsstrukturreform zu den größten Herausforderungen dieser neuen Landesregierung gehört.

(Gerd Stüttgen [SPD]: Neu? Das sind doch schon zwölf Monate!) Niemand bestreitet, dass es in diesem Prozess auch ganz erhebliche Schwierigkeiten geben wird. Ich möchte diese Anhörung nicht dazu missbrauchen, politisch zu bewerten oder zu kommentieren, sondern ich darf einige wenige Fragen an die Experten richten.

Herr Südfeld, Sie bestreiten im Grundsatz nicht, dass die Grundausrichtung vernünftig und richtig ist. Sie sagen verständlicherweise, dass der Prozess mehrere Jahre dauern wird. Könnten Sie aus Ihrer Sicht Vorschläge machen, wie man diesen Prozess verkürzen kann?

In Verbindung damit habe ich eine Frage an Herrn Richter. Mit welcher Sicherheit können Sie heute schon sagen, dass das Kernziel mit diesem Organisationsgesetz nicht erreicht wird, wenn zutrifft, was Herr Südfeld sagt, nämlich dass der Prozess mehrere Jahre dauern wird? Das hat mich ein wenig überrascht.

An Herrn Geck habe ich folgende Frage: Sie stellen in Ihrer mündlichen Stellungnahme heute Morgen vor allen Dingen auf die Führungs- und Leitungsebene ab, wenn ich das richtig eingeordnet habe. In Europa diskutieren wir die Erfüllung vieler Standards oder Kriterien. Mit welcher Sicherheit können Sie sagen: Das Ganze ist nicht EU-tauglich? Wer definiert Ihrer Meinung nach die EU-Tauglichkeit? Das würde mich in diesem Zusammenhang auch interessieren.

Herr Wendt, Sie sagen sicher zu Recht, dass der Erfolg dieser Veränderung damit steht und fällt, dass man es schafft, die Menschen - in diesem Fall die Belegschaft - zu gewinnen und mitzunehmen. Das gilt für alle Reformen und Veränderungen. Die Notwen digkeit dieser Grundausrichtung bestreiten Sie nicht. Könnten Sie losgelöst von Ihrer schriftlichen Stellungnahme und von allen Personalvertretungsaspekten, die heute Morgen zumindest angedeutet worden sind, noch einmal kurz sagen, welche Schritte aus Ihrer Sicht erforderlich wären, um zumindest den größten Teil der Belegschaft für die Richtung zu gewinnen? Bei Reformen und Veränderungen ist es nun einmal so, dass man niemals alle gewinnen und erreichen kann.

Polizeipräsident Erwin Südfeld, Bielefeld: Meine Aussage, dass der Prozess mehrere Jahre dauern könne, bezog sich ausschließlich auf die Frage nach der Personalfreisetzung und -umsetzung auf die operative Ebene. Dabei muss man natürlich die Alters- und Besoldungsstruktur des Personals der Bezirksregierungen berücksichtigen. Daher muss man im Zweifel über verschiedene Stationen, über Ketteneinsätze, gehen. Ein solcher Prozess dauert erfahrungsgemäß seine Zeit.

Zu der Frage, inwieweit man solch einem Prozess beschleunigen kann, sage ich für den Bezirk Detmold: Die ersten Überlegungen deuten darauf hin, dass das in einem überschaubaren Zeitraum funktionieren könnte.

(Theo Kruse [CDU]: Das heißt?)

Dabei reden wir eher über Monate als über Jahr. Das gilt aber nicht für jeden Bezirk gleichermaßen, denn von uns sind die Landesoberbehörden relativ weit entfernt.

(Heiterkeit) Frank Richter (Gewerkschaft der Polizei NRW): Herr Kruse, Sie wissen doch, dass ich selbstverständlich niemals das in Zweifel ziehen würde, was der Kollege Uebler gesagt hat. Aber wir ziehen diese Zahlen einfach in Zweifel, weil sie durch nichts belegt sind. Zu den Synergieeffekten ist uns auch beim POG I gesagt worden, wie viele Personen real auf die Straße kommen. In der Praxis sieht das ganz anders aus. Deshalb ziehen wir die ganz konkret genannten Zahlen in Zweifel. Denn wir haben nicht ein einziges Rechenbeispiel dazu, was dem operativen Dienst - ob nun in den Ermittlungsbereichen oder auch im operativen Dienst - real zugeführt wird.

Bei diesem Gesetzentwurf ist die Frage offen, welche Möglichkeiten das Ministerium hat, Aufgaben zu übertragen; das hatte ich gerade schon angesprochen. Deshalb ist es nicht nur ein Spiel mit einer, sondern mit drei Unbekannten, die entscheidend sind. Daher ziehen wir diese Zahlen real in Zweifel - nicht nur, weil sie auch beim POG I nicht erfüllt worden sind. Wir sehen dazu kein klares Rechenbeispiel.

Herbert Uebler (Gewerkschaft der Polizei NRW): Herr Kruse, vielleicht sind die Zahlen nicht so deutlich rübergekommen. Der Unterkassenanschlag für das Kapitel 03 310 enthält 205 Planstellen für Polizeivollzugsbeamte landesweit. Das ist die Soll-Zahl. Im

Ist sind rund 160 Polizeibeamte und ca. 60 Verwaltungsbeamte dort tätig. Das macht summa summarum 210 Stellen. Unsere Zweifel beziehen sich auf die Frage, wie aus diesen 210 Stellen 150 Stellen gewonnen werden sollen. Dass wir uns bemühen, gemeinsam mit denjenigen, die dort handeln, beispielsweise bei der Landesleitstelle gegenüber den heutigen fünf Bezirksleitstellen Einsparungen vorzunehmen, ist doch klar.

Da aber bisher nicht sicher ist, welche Stellen wegfallen und welche Aufgaben verlagert werden, kann man kaum konkrete Zahlen über Einsparungen, noch über die Dauer nennen.

Wenn Herr Südfeld der Auffassung ist, dass das in Detmold in wenigen Monaten klappen kann, ist das zwar möglich; aber es ist schon mehrfach von anderen Kollegen darauf hingewiesen worden, dass es sich hier um Spitzenämter der Polizei handelt, sodass diese Personen erst einmal in andere Aufgaben eingebunden werden müssen. Bevor sich das auf den operativen Dienst auswirkt, kann eine ganz schön lange Zeit vergehen.

Die bemisst sich nicht in Monaten.

Leitender Polizeidirektor a. D. Werner Geck, Iserlohn: Die europäischen Standards enthalten zumindest drei Punkte: Erstens müssen die Regeln der Organisationslehre beachtet werden. Zweitens müssen Polizeibehörden so leistungsfähig sein, dass sie die wesentlichen polizeilichen Kernaufgaben selbstständig erfüllen können. Drittens müssen die örtlichen Polizeibehörden angebunden beziehungsweise auf irgendeine Weise mit den demokratischen kommunalen Institutionen verbunden sein.

(Lachen von Theo Kruse [CDU])

Das wird also bei der Unterstützung der Polizeiorganisation in diesen Bereichen verlangt. Bei der vorliegenden Polizeiorganisation mit 47 Behörden und drei beziehungsweise vier Stellen - wenn man das im Ministerium dazuzählt -, die die Aufsicht ausführen und Anordnungen geben, sind diese grundlegenden Regeln der Organisationslehre nicht beachtet. Eine solch große Führungsspanne gewährleistet keine saubere Führung der Polizei. Es gibt in keinem anderen Bundesland und auch in keinem anderen Land eine so fein strukturierte Polizei wie hier in Nordrhein-Westfalen mit so vielen Behörden.

Hinsichtlich der kommunalen Bindung habe ich auch deutlich gemacht - zumindest habe ich in meinem Beitrag darauf hingewiesen -, dass es aus meiner Sicht nichts gegen die Landratsbehörden einzuwenden gibt. Es ist ja wohl selbstverständlich, dass wir da alle Verbindungen von polizeilicher Seite gutheißen. Die Polizei gehört in den örtlichen Bereich. Das heißt aber nicht, dass Polizeibehörden für die Aufgaben, die fast täglich vorkommen - wie etwa Todesermittlungen, größere Einsätze bei Sport- und sonstigen Veranstaltungen und bei Versammlungen - ständig subventioniert werden müssten. Wir müssen größer strukturierte Bereiche haben. Alle vorbereitenden Gutachten, die es zu diesem Gesetz gegeben hat, sind davon ausgegangen und haben angemahnt, dass wir größer strukturierte Behörden brauchen. Ich brauche nur auf Scheu hinzuweisen; aber auch davor gab es schon Gutachten. Das vermisse ich bei diesem Vorschlag.

Rainer Wendt (Deutsche Polizeigewerkschaft NRW): Lieber Herr Kruse, was die Regierung tun kann, um die Belegschaft in weiten Teilen mitzunehmen, will ich Ihnen gerne sagen. Zunächst einmal muss die Regierung wenigstens den Eindruck erwecken, dass es sie interessiert, was die Belegschaft bewegt und was die Belegschaft denkt und fühlt. Aber sie erweckt noch nicht einmal diesen Eindruck.

(Gerd Stüttgen [SPD]: Ja!)