Bei der kalkulatorischen Verzinsung muss man die Beiträge und Zuschüsse Dritter und die jährlichen Abschreibungen abziehen

Man darf dabei nicht vergessen: Nach unserer Umfrage aus dem Jahr 2006 schreiben noch 182 Kommunen in Nordrhein Westfalen nach dem Anschaffungswert ab. Diese wären gezwungen, wenn der Wiederbeschaffungszeitwert vorgeschrieben wird, ihre Beitragskalkulation umzustellen und die Gebühren massiv zu erhöhen. Diese 182 Kommunen haben aber bisher bewiesen, dass sie mit dem Anschaffungswert auskommen.

Bei der kalkulatorischen Verzinsung muss man die Beiträge und Zuschüsse Dritter und die jährlichen Abschreibungen abziehen. Falls es bei der Abschreibung nach dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert bleibt, stellt sich in der Gebührenkalkulation zunächst die Frage: Wenn ich nach dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert abschreibe, ziehe ich bei der kalkulatorischen Verzinsung die tatsächliche oder die fiktive niedrigere Abschreibung ab? Das ist kompliziert, ich versuche es klarzumachen:

Wenn Sie 100.000 Anschaffungswert haben und schreiben den auf zehn Jahre ab, würden Sie pro Jahr 10.250 von dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert abschreiben. Nach der vom OVG für zulässig gehaltenen Kalkulation werden aber nicht 10.250 Abschreibung abgezogen, sondern man geht von dem niedrigeren Herstellungswert aus, nämlich von 100.000, und zieht dann nur 10.000 ab. Das verringert in einem Zehnjahreszeitraum die kalkulatorischen Zinsen von rund 27.000 auf 24.500. Sie können sich vorstellen, wie die Zinsbasis unnötig verteuert wird, wenn Sie einen Zeitraum von 30 bis 40 Jahren wie beim Kanalvermögen zugrunde legen. Um es noch einmal zu sagen: Wir sind der Auffassung, wenn man nach dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert abschreibt, dann muss man bei der kalkulatorischen Verzinsung jährlich die höhere Abschreibung bezogen auf den Wiederbeschaffungszeitwert abziehen und nicht die fiktiv niedrigere auf den Anschaffungswert.

Ein weiteres Problem ist: Bei der kalkulatorischen Verzinsung müssen die Beiträge und Zuschüsse Dritter abgezogen werden. Wenn ich einen Anschaffungswert von 100.000 habe, nehme eine Preissteigerungsrate von 2,5 %, dann habe ich im ersten Jahr einen Wiederbeschaffungszeitwert von 102.500 und eine Abschreibung von 10.250. Wenn ich die OVG-Kalkulation nehme, läuft es folgendermaßen:

Ich habe als Zinsbasis 100.000, ziehe aber nicht 10.250 ab, sondern nur 10.000 ; das war das, was ich eben geschildert habe. In diesen 100.000 sind 20.000 an Beiträgen und Zuschüssen Dritter enthalten, die die Bürger schon bezahlt haben. Nach unserer Auffassung müssten diese 20.000 komplett von den 100.000 abgezogen werden. Die derzeitige Praxis bei vielen Gemeinden ­ leider vom OVG bisher auch für zulässig gehalten ­ sagt aber: In diesen 20.000 ist schon eine jährliche Abschreibung enthalten. Das heißt, ich vermindere die 20.000 um 2.000, die ich schon im ersten Jahr bei der Abschreibung berücksichtigt habe. Ich lege also beim Abzug nicht ­ vereinfacht gesagt ­ 20.000 zugrunde, sondern nur 18.000. Damit erhält man bei 100.000 Herstellungskosten ­ auf zehn Jahre gerechnet ­ Zinseinnahmen von 21.600. Diesen stehen jedoch 15.500 Zinseinnahmen gegenüberstehen, wenn man, wie wir es für richtig halten, von der Basis der kalkulatorischen Verzinsung den kompletten Betrag von Beiträgen und Zuschüssen abzieht und nicht nur den um die Abschreibung verminderten.

Das klingt alles kompliziert, aber die Zahlen beweisen Ihnen, dass diese Kalkulationsmethoden, wie sie bisher vom OVG für zulässig gehalten werden, zu unnötigen Gebührensteigerungen führen. Wir sind der Auffassung, dass es die einfachste und klarste Lösung wäre, eine Abschreibung nach Anschaffungswert vorzuschreiben. Dann kommt es hinterher nicht zu den Abzugsproblemen, die ich versucht habe darzustellen.

Wenn man tatsächlich noch den Wiederbeschaffungszeitwert zulassen sollte, dann sollte man zumindest von dem höheren Wiederbeschaffungszeitwert abschreiben ­ und das auch im KAG vorschreiben ­ sowie die Beiträge und Zuschüsse komplett abziehen und nicht wieder um die jeweilige Abschreibung vermindert. Wir halten es auf jeden Fall für völlig falsch, den Wiederbeschaffungszeitwert bei der Abschreibung vorzuschreiben, weil man dadurch die Gemeinden, die bisher noch gebührenzahlerfreundlich kalkulieren, zwingt, die Gebühren unnötig zu erhöhen.

Vorsitzende Marie-Luise Fasse: Wir kommen nun zu den Fragen.

Friedhelm Ortgies (CDU): Frau Vorsitzende! Meine Damen und Herren! Die Äußerungen von Herrn Lampen zeigen, welche Flexibilität Kommunen vor Ort an den Tag legen können, um ihre Gebühren festzulegen. Man hat viele Möglichkeiten, die Beträge höher oder tiefer anzusetzen und auch bei den Bürgern einzufordern.

Wir sind uns alle darüber einig, dass wir insgesamt versuchen wollen, die Gebühren für unsere Bürger möglichst niedrig zu halten und gleichzeitig die ökologischen Vorschriften und Vorgaben einzuhalten. Wir haben schon vor sechs oder sieben Jahren zusammen mit der FDP einige Anträge vorgelegt und unterscheiden uns von dem jetzigen Antrag der Grünen in einem wichtigen Punkt, über den wir auch diskutieren: Wiederbeschaffungswert oder Anschaffungswert.

Nach meiner Kenntnis ist die Abschreibung auf Wiederbeschaffungswert in der privaten Wirtschaft nicht üblich oder sogar steuerlich nicht zulässig; Sie mögen mich eines Besseren belehren. Das ist mehr oder weniger eine Sonderform für die kommunale Wirtschaft. Haben Sie eine Übersicht, Herr Dr. Queitsch, in welchen Bereichen wir was wie abschreiben? Gibt es ein gewisses Stadt-Land-Gefälle, oder kann man das so nicht sagen?

Herr Lampen oder auch Herr Dr. Queitsch, die Formulierung zu der Betriebsform in dem Gesetzentwurf der Grünen lautet ­ S. 1, letzter Absatz, Satz 2 ­: ... den Eigenbetrieb als Mindestform der Abwasserbeseitigung festzuschreiben. Würde das bedeuten, wenn man dem so folgen würde, dass man andere Betriebsformen ausschließt, wie auch immer sie aussähen?

In den Wiederbeschaffungswert spielt auch die Höhe des Zinssatzes hinein. Bis jetzt ist es so, Herr Dr. Queitsch, dass wir den Kommunen weitestgehende Möglichkeiten lassen, ihre Gebühren auszurechnen. Sehen Sie überhaupt die Notwendigkeit für den Gesetzgeber, hier noch konsequenter einzugreifen, was letztlich bedeuten würde, die kommunale Hoheit noch weiter einzuschränken?

Georg Lampen: Sie haben danach gefragt, wer nach dem Wiederbeschaffungszeitwert vorgeht. Ich habe es nicht dabei, aber wir machen jedes Jahr unsere Gebührenumfrage. Wie bereits gesagt: 182 Kommunen haben noch den Anschaffungswert.

Zu der Frage, ob sich das irgendwie regional festmachen lässt: In den 80er-Jahren sind die Ruhrgebietsstädte und auch die meisten Großstädte verstärkt auf den Wiederbeschaffungszeitwert umgestiegen. Das lag daran, dass damals die Verschuldung immer mehr zugenommen hat. Man hatte, weil es ein Regiebetrieb war, einen Teil der Gebühreneinnahmen ­ insbesondere bei der Umstellung auf den Wiederbeschaffungszeitwert wurden die Gebühreneinnahmen teilweise verdoppelt, Köln gehörte auch dazu ­ benutzt, um Haushaltslöcher zu stopfen. Dafür sind Gebühren nicht da. Deswegen ist der Ansatz mit dem Wiederbeschaffungszeitwert bei der kalkulatorischen Verzinsung gestoppt worden.

Zu der Frage, ob der Eigenbetrieb vorgeschrieben werden soll, heißt es im Gesetzentwurf: ... als Eigenbetrieb oder in anderer Form selbstständig zu führen, ... Wir sind der Auffassung, man sollte den Kommunen nicht nur den Eigenbetrieb als solchen vorschreiben. Uns geht darum, dass es möglichst nicht als Regiebetrieb gemacht wird. In einem Regiebetrieb kann man zumindest haushaltsrechtlich ohne Probleme Überschüsse, die man zeitlich erwirtschaftet, anstatt sie im Gebührenhaushalt zu lassen, in den allgemeinen Haushalt überführen. Das ist bei einem Eigenbetrieb zwar noch möglich, aber nicht ohne Weiteres und bei der Anstalt des öffentlichen Rechts auch nicht.

Wir würden es begrüßen, wenn es heißt, dass es eine selbstständige Organisationseinheit sein soll.

Dr. Peter Queitsch: Sie haben danach gefragt, ob es bei der Abschreibung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert ein Stadt-Land-Gefälle gibt. Wir haben keine Übersicht darüber und immer dem Rechnung getragen, dass das Oberverwaltungsgericht seit 17 Jahren eine klare Rechtsprechung vorgegeben hat und jede Kommune die Wahlmöglichkeit hat, wie sie abschreibt. Das Oberverwaltungsgericht sagt: Entweder man schreibt nach dem Wiederbeschaffungszeitwert ab oder nach dem Anschaffungswert, wobei Wiederbeschaffungszeitwert Folgendes heißt:

Ein Kanal kostet in der Ersterrichtung ­ vereinfacht dargestellt ­ 100. Beim Wiederbeschaffungszeitwert würde man jedes Jahr fragen: Was würde der gleiche Kanal, gleicher technischer Baustandard, im Jahr danach kosten? Damit zumindest die Preissteigerungsrate mit hineinkommt, würde man im Jahr 2008 fragen: Was würde der gleiche Kanal, den ich im Jahre 2007 gebaut habe, im Jahr 2008 kosten? In der Betriebswirtschaftslehre wird zumindest von Herrn Wöhe, aber auch von etlichen anderen ­ ich zähle nicht alle auf, sie sind in unserer Stellungnahme genannt ­ gesagt: Man müsste eigentlich andersherum rechnen und sich das Jahr der Erneuerungsinvestition anschauen. Kanäle werden im Minimum auf 50 Jahre abgeschrieben. Also müsste man, wenn man von heute ausgeht, hochrechnen: Was würde der gleiche Kanal im Jahr 2057 kosten? Das wäre die Grundlage für die Abschreibung. Dabei würde man noch mehr abschreiben. Das macht in dem Bereich keine Kommune.