Das sind Besonderheiten die durch die Rechtsprechung vorgegeben werden

Wenn ein Kanal auf mindestens 50 Jahre abgeschrieben wird, und der Kanal ist nach 40 Jahren kaputt, können Privatunternehmen für die restlichen zehn Jahre eine Sonderabschreibung machen. Das OVG Münster sagt: Das ist unzulässig. Dann hat die Kommune Pech gehabt.

Das sind Besonderheiten, die durch die Rechtsprechung vorgegeben werden. Wir sind in den letzten 17 Jahren relativ gut mit dieser Rechtsprechung zurechtgekommen und meinen, dass wir eine klare und eindeutige Vorgabe haben, die sich über lange Jahre hinweg bewährt hat. Auf dieser Grundlage können wir gut arbeiten und brauchen von daher keine zusätzlichen gesetzlichen Regelungen.

Weiterhin wurde angesprochen, dass, wenn man die eigenbetriebsähnliche Einrichtung im Gesetz vorgibt, der Regiebetrieb als Organisationsform nicht mehr denkbar wäre.

Das wäre die Konsequenz, denn ich könnte zumindest eine eigenbetriebsähnliche Einrichtung oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts machen. Man muss dazu sagen, das, was immer vorgegeben wird, dass man das Ganze im allgemeinen Haushalt nicht erkennen würde, stimmt beim Regiebetrieb nicht. Es gibt einen für jedermann sichtbaren Unterabschnitt im Haushalt, wo diese kostenrechnenden Einrichtungen geführt werden, sodass man genau nachvollziehen kann, wie die Einnahmeseite ­ die Gebührenseite ­ und wie die Ausgabenseite aussieht. In dem Bereich kann nichts querfinanziert werden.

Bei einer eigenbetriebsähnlichen Einrichtung hat man eine gesonderte Rechnungsführung, bei der Anstalt des öffentlichen Rechts auch. Im Grunde genommen ist es relativ deckungsgleich, sodass derjenige, der Haushaltspläne lesen kann, den entsprechenden Unterabschnitten entnehmen kann, welche Ausgaben in der kostenrechnenden Einrichtung angefallen sind und welche Einnahmen zu verzeichnen waren.

Von daher braucht man keine Vorgaben für Gebühren, weil im heute geltenden Kommunalabgabengesetz mit der Rechtsprechung alles niedergelegt ist, was man benötigt, um in rechtmäßiger Weise Abfall- und Abwassergebühren erheben zu können.

Friedhelm Ortgies (CDU): Herr Dr. Queitsch, ich komme noch einmal auf den Wiederbeschaffungswert zurück und frage dezidiert nach: Was unterscheidet die Kommunen von einem privaten Unternehmer? Als Beispiel: Wenn ich mir als privater Unternehmer eine Maschine kaufe, die 100.000 kostet und zehn Jahre hält, darf ich jedes Jahr 10.000 abschreiben. Nach Ihrem Modell mit dem Sonderfall für die Kommunen würde ich ­ ganz vereinfacht ­ sagen: Ich kaufe eine Maschine für 100.000, in zehn Jahren kostet sie 200.000, dann darf ich also jedes Jahr 20.000 auf Kosten der Gebührenzahler abschreiben. Das halte ich persönlich für nicht ganz richtig. Es gibt ja die Wahlmöglichkeit. Letztlich muss sich jede Kommune entscheiden, in welche Richtung sie will. Sie muss sich vor ihren Bürgern rechtfertigen und nicht wir als Gesetzgeber. Noch einmal meine Frage: Warum diese Sonderregelung für öffentliche Unternehmen?

Dr. Peter Queitsch: Ich versuche, es noch einmal von der anderen Seite her zu erklären. Ein Abwasserkanal kostet beispielsweise 100 und wird über 50 Jahre abgeschrieben. Nach den 50 Jahren, im 51. Jahr, muss eine Erneuerungsinvestition, eine Sanierung dieses Kanals vorgenommen werden. Vor dem Hintergrund ist der Ansatz punkt des Oberverwaltungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, dass ich zu dem Zeitpunkt das Geld wieder zusammen haben muss, um den gleichen Kanal, gleicher technischer Stand, erneuern zu können.

Ausgehend davon muss man bedenken, dass durch die stetige Preissteigerung, die jeder kennt, der gleiche Kanal nicht mehr zum gleichen Preis zu haben sein wird. Das ist der Ansatzpunkt, der vom Wiederbeschaffungszeitwert ausgeht. Ich kalkuliere die Steigerungen ein, weil ich das Geld zum Zeitpunkt der Ersatzinvestition wieder zusammen haben muss. Das ist der Gegenstand der Abschreibung. Dementsprechend wird das dargestellt.

Svenja Schulze (SPD): Wir alle wollen die Gebühren niedrig halten, über diese Gebühren aber auch steuern, dass Flächenversiegelungen möglichst vermieden bzw. versiegelte Flächen womöglich wieder entsiegelt werden. Die gesplittete Abwassergebühr ist inzwischen flächendeckend ein Erfolgsmodell, wenn schon 75 % der Einwohner danach veranlagt werden. Haben Sie Erkenntnisse darüber, ob sich die 25 %, die noch nicht davon betroffen sind, bestimmten Kommunentypen zuordnen lassen?

Hier wird vorgeschlagen, als Betriebsform mindestens einen Eigenbetrieb zu wählen, um mehr Transparenz zu schaffen. Wir haben ein neues kommunales Finanzmanagement geplant, die Doppik, die auch für unkundige Haushaltsleser eine ganz andere Transparenz in den Haushalten ermöglicht. Sind nicht mit der Doppik auch Regiebetriebe noch transparenter zu durchschauen? Muss man unbedingt solch eine gesetzliche Regelung haben, oder schafft nicht auch die Doppik etwas, womit man arbeiten könnte?

Dr. Peter Queitsch: Noch einmal zu der getrennten Regenwassergebühr. Die Städte und Gemeinden sind durch die Vorgabe der Rechtsprechung auf dem Weg. Ob das immer dazu führt, dass alle glücklicher sind, sei dahingestellt. Ich weise nur auf den Fall Jülich hin, wo erst geklagt worden ist, eine getrennte Regenwassergebühr einzuführen.

Die gleichen Kläger klagen jetzt, nachdem die getrennte Regenwassergebühr eingeführt worden ist, dagegen, weil sie mehr bezahlen müssen als vorher. ­ Das ist eine Einschätzung. Die Argumentation wird manchmal nicht richtig geführt, weil man meint, man würde mehr belastet als vorher. Letztendlich ist das Rechtsprechungsvorgabe.

Wenn es so ist, wird die getrennte Regenwassergebühr eingeführt. Die Vorgaben liegen klar auf dem Tisch.

Man kann einen deutlichen Trend in Richtung getrennte Regenwassergebühr erkennen.

Das Oberverwaltungsgericht lässt auch keinen Zweifel daran, dass es die getrennte Regenwassergebühr haben will, sodass wir uns mehr und mehr in diese Richtung bewegen werden. Deshalb brauchen wir das, was die OVG-Rechtsprechung sagt, eigentlich nicht ins Gesetz aufzunehmen.

Otto Schaaf: Die Steigerung der Abwassergebühren hat sich in den letzten Jahren ­ das zeigen die Gebührenumfragen ­ unterhalb der durchschnittlichen Entwicklung der Lebenshaltungskosten bewegt. Das nur als Randbemerkung.

Zu der Frage, wo wir gesplittete Maßstäbe haben: Je kleiner die Gemeinde, desto häufiger treffen wir den Frischwassermaßstab an. Um die Größenordnung zu nennen: Gemeinden mit 5.000 oder weniger Einwohnern haben noch zu über 90 % den Frischwassermaßstab. Bei Städten und Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern sind es unter 20 %. So ist der Trend.

Georg Lampen: Zunächst zur Frage der Haushaltsklarheit. Ich bin nicht der Doppikexperte, aber ich glaube ­ zumindest haben mir das meine Leute so gesagt ­, dass es schon offensichtlicher wird. Das hilft beim Regiebetrieb aber nicht. Es ist richtig ­ Herr Dr. Queitsch hat eben darauf hingewiesen ­, dass der Abwasser- oder der Abfallgebührenhaushalt genau ersichtlich ist. Aber solange wir den Regiebetrieb haben, können die Einnahmen nach dem allgemeinen Haushaltsgrundsatz ­ jede Mark deckt jede Mark ­ auch für andere Zwecke verwendet werden. Das ist der geltende oberste Haushaltsgrundsatz. Das heißt, die Haushaltsklarheit zu erkennen, ist das eine.

Natürlich erkennen Sie die Überschüsse nicht unbedingt. Das haben wir damals bei der kalkulatorischen Verzinsung nach dem Wiederbeschaffungszeitwert gesehen. Wenn man den Wiederbeschaffungszeitwert bei der kalkulatorischen Verzinsung ansetzt, hat man ihn auch irgendwo als Ausgabe gehabt. Er ist als Ausgabe angesetzt worden, und deswegen hat das Gericht gesagt: Es sind keine Gebührenüberschüsse da. ­ Rein rechnerisch, denn de facto waren die Gebührenüberschüsse da, was wir dem OVG durch ein kompliziertes mathematisches Gutachten nachgewiesen haben.

Das, was Herr Dr. Queitsch eben gesagt hat, stimmt nicht ganz: Wenn der Kanal auf 50 Jahre abgeschrieben wird, dann muss er im 51. Jahr erneuert werden. Wenn ich nur nach Anschaffungswert abschreibe, habe ich nicht genügend Geld, weil er im 51. Jahr natürlich teurer ist. ­ Das stimmt theoretisch, aber in der Praxis nicht, weil die Gemeinden, wie ich gerade schon sagte, erstens noch zusätzliche Einnahmen aus der kalkulatorischen Verzinsung haben und es sich zweitens bei dem Abwasservermögen der Gemeinde nicht um ein statisches Gebilde handelt. In dem Moment, wo in der Straße A ein Kanal erneuert wird, wird sofort das gesamte Abwasserkanalvermögen, das Basis der Abschreibung ist, um diesen Wert erhöht. Das heißt, man hat mit jeder Teilerneuerung einen höheren Ausgangswert, von dem abgeschrieben wird, und die kalkulatorische Verzinsung wird noch dazugerechnet. Insofern stimmt das in der Praxis, was die Auswirkungen angeht, so nicht.

Übrigens hat Nordrhein-Westfalen ­ Sie sprachen eben an, Herr Schaaf, dass die Gebührensteigerungen nicht mehr ganz so hoch wie früher waren ­ die höchsten Abwassergebühren aller Bundesländer. Das hängt nicht nur mit irgendwelchen örtlichen Gegebenheiten zusammen, sondern auch mit der zunehmenden Kalkulation nach höherem Wiederbeschaffungszeitwert.

In Ihrem Gesetzentwurf heißt es unter § 6a (2): Soweit die Gemeinde Niederschlagswasser bei der Gebührengestaltung mitberücksichtigt, hat sie auf Antrag des Gebührenpflichtigen Niederschlagswasser, das ökologisch sinnvoll genutzt wird und damit nachweislich nicht den öffentlichen Abwasseranlagen zugeführt wird, bei der Bemessung abzusetzen. Der Beweis obliegt dem Gebührenpflichtigen.