Der Finanzminister war bei der Zuwendung Nummer 2 unmittelbar beteiligt

MR Dr. Peter Koschik (FM) trägt vor: Zunächst darf ich mich vorstellen; ich bin Gruppenleiter in der Haushaltsabteilung des Finanzministeriums. ­ Wir haben es eben schon gehört, der Bericht des Landesrechnungshofs bezieht sich auf drei Zuwendungen für das Inkubator-Zentrum.

Der Finanzminister war bei der Zuwendung Nummer 2 unmittelbar beteiligt. Diese Zuwendung bezog sich auf den Bau und die Einrichtung des Inkubator-Zentrums mit einem Volumen von 5,1 Millionen. Diese Summe wurde aus sogenannten Strukturhilfemitteln bestritten. Grundlage dafür ist das Gesetz zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern, das sogenannte Strukturhilfegesetz aus dem Jahre 1988 mit dem im Wesentlichen Infrastrukturmaßnahmen mit Bundesmitteln und komplementären Landesmitteln gefördert wurden. Zu Ihrer Information: Die Landesmittel mussten immer 10 % der Gesamtinvestition betragen.

Die organisatorische Durchführung des Strukturhilfegesetzes obliegt dem Finanzministerium, das die Strukturhilfemaßnahmen im Außenverhältnis gegenüber dem Bund vertritt und das auch dem Bund gegenüber in allen das Land berührenden Fragen der generelle Ansprechpartner ist.

Im Innenverhältnis gegenüber den Fachressorts des Landes hat das Finanzministerium eine Koordinierungsfunktion. Es berät die Ressorts bei der formgerechten Antragstellung und hat darauf hinzuwirken, dass eine Überbuchung des Programmrahmens auf jeden Fall vermieden wird.

Die im Rahmen der Projektförderung federführenden Ressorts bescheinigen mit der Projektanmeldung beim Finanzministerium die Einhaltung der Vorgaben des Strukturhilfegesetzes, des Verbots der Doppelförderung und des Kumulationsverbots. Diese Projektanmeldungen wurden dem Bundesministerium der Finanzen zugeleitet.

Bis zum Jahr 1999 prüfte auch der Bundesminister der Finanzen unter Beteiligung der Bundesfachressorts die Förderfähigkeit der angemeldeten Projekte und die Einhaltung des Programmrahmens. Durch Projektrücknahmen, Rückforderungen von Zuwendungen oder Zinszahlungen der Zuwendungsempfänger und daraus folgender Neubelegung der Bundesmittel mussten immer wieder Projekte beim Bundesfinanzministerium angemeldet werden.

Um das Förderverfahren zügiger zum Abschluss bringen zu können, reduzierte das Bundesfinanzministerium im April 1999 den bis dahin umfangreichen Förderkatalog des Strukturhilfegesetzes auf die Förderung von Geräteinvestitionen an Hochschulen und die Förderung von hochschulverbundenen Instituten und ließ ein pauschales Verfahren ohne Einzelanmeldung zu.

Auf der Grundlage dieser Vorgaben des Bundesfinanzministeriums und basierend auf der haushaltsgesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 des Haushaltsgesetzes, wonach das Finanzministerium Mittel umsetzen kann, wenn Projekte nicht realisiert werden, wurden seit 1999 Geräteinvestitionen an Hochschulen mit 46 Millionen und hochschulverbundene Institute mit 36 Millionen aus sogenannten Strukturhilferesten finanziert. Der Bau und die Einrichtung des Inkubator

Zentrums in Gelsenkirchen ist eine der Maßnahmen aus dem Förderbereich der hochschulverbundenen Institute.

Insgesamt wurden in Nordrhein-Westfalen rund 1.700 Projekte mit Bundesmitteln und komplementären Landesmitteln in Höhe von fast 1,5 Milliarden nach dem Strukturhilfegesetz gefördert.

Dr. Jens Baganz (MWME) berichtet:

Ich nehme für das Wirtschaftsministerium zu dem aufgeworfenen Fragenkomplex gerne Stellung. Vorweg möchte ich zwei Themenkreise unterscheiden, die mir von Bedeutung erscheinen: Themenkreis 1

Staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Umfeld zum Werksarztzentrum Dr. Schermer und die Verbindungen mit Handelnden und Unternehmen an der Fachhochschule Gelsenkirchen Themenkreis 2

Sachverhalte im Zusammenhang mit der Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe, die Gegenstand des Prüfberichts des Landesrechnungshofs sind

Einzelne Personen und Unternehmen treten wohl in beiden Themenkreisen auf.

Es ist jedoch bislang für uns noch nicht geklärt, ob damit auch Verbindungen zwischen den beiden Fragenkreisen bestehen, die förderrechtliche Relevanz haben.

Zum Sachverhalt möchte ich grundsätzlich anmerken, dass es keinen Dissens der Landesregierung zur Darstellung der wesentlichen Abläufe im Bericht des Landesrechnungshofs vom 21. Dezember 2006 gibt. Zum besseren Verständnis will ich den chronologischen Ablauf der Zentrumsgründung nachfolgend noch einmal darstellen:

Das Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe verfolgt das Konzept, Gründungen zur Gründungsreife zu führen und entsprechend zu beraten. Üblicherweise finanzieren sich derartige Institutionen aus Beteiligungen an den neuen Unternehmen, die später veräußert werden.

Die Inkubator-Zentrum Emscher-Lippe wählte einen anderen Weg. Die Beratung und Unterstützung sollte aus den späteren Erträgen der neuen Unternehmen finanziert werden. Gegenüber Beteiligungen sollte das den Vorzug haben, dass bei wahrscheinlich erfolglosen Gründungen ein schnellerer Ausstieg mit begrenzter Mittelverwendung möglich bleibt ­ im Gegensatz zu einer verloren gehenden Kapitalbeteiligung.

Das Konzept des Inkubators wies einige Besonderheiten auf, die seine Erfolgswahrscheinlichkeit von Anfang an stark verminderten:

Zum einen wollte man sich nicht auf die Gründer konzentrieren, deren Gründungskonzept klar durchdacht und erfolgversprechend war, sondern auf die eher problematischen Fälle. Im Förderantrag, auf den ich gleich im Einzelnen zurückkommen werde, hieß es insoweit:

Man kann den Gründungsablauf bzw. die Gründer in zwei Gruppen einteilen. Die erste Gruppe der Gründer führt zum Erfolg, die zweite Gruppe scheitert.

... Zweite Gruppe: Der potenzielle Gründer hat ebenfalls eine Idee und denkt an die Möglichkeit der Umsetzung. Nach kurzer Zeit erkennt er (oftmals auch intuitiv), dass bestimmte Defizite vorhanden sind. Er verwirft den Gründungsgedanken. Einige versuchen es trotzdem (oft auch mit fremder Hilfe) und scheitern früher oder später.... Die Anzahl dieser eher nicht so guten Gründerkandidaten ist relativ hoch. Genau hier setzt das Inkubator-Zentrum an.

...

Diese zweite Gruppe potenzieller Gründer ist das Hauptklientel, dem sich das Inkubator-Zentrum zuwenden soll und wird, denn hier schlummert das höchste Potenzial und bedarf neuartiger Unterstützungsmöglichkeiten. Die bereits vorhandenen regionalen Unterstützungsmöglichkeiten können als Filter für vorerst völlig ungeeignete Vorhaben/Gründer gesehen werden.

Die Konzentration auf die eher problematischen Fälle, wo Gründung und Sanierung schon Hand in Hand gingen, durchzog das gesamte Konzept. So hieß es auf S. 17 des Förderantrags: Das Inkubator-Zentrum wird sich zusammen mit der Fachhochschule Gelsenkirchen zu einem regionalen Treffpunkt für Venture-Capital-Geber entwickeln. Durch die Bereitstellung, Entwicklung und Betreuung geeigneter Gründungsprojekte... wird der regionale Gründungsbereich für (wieder) attraktiv gemacht. In Fortsetzung dessen wird sogar erwartet, dass einige VC-Gesellschaften ihre schon oder noch kränkelnden Projekte in die Nähe des Inkubator-Zentrums bringen werden mit der Hoffnung, dass diese durch die Intensivbetreuung gesunden.

Um die offensichtlichen Defizite des ins Auge gefassten Klientels kompensieren zu können, musste notwendigerweise ein Schwerpunkt des Konzepts auf sehr weit reichenden Beratungs- und Betreuungsleistungen liegen. Auch dazu ein Auszug aus dem Antrag: Eine wichtige Gruppe im Netzwerk des Inkubators sind auch Unternehmensberater. Da das Inkubator-Zentrum mit nur einem kleinen Kernteam unter Zukauf von Beratungsleistung vom Markt operiert, besteht auch hier kein Wettbewerb. Im Gegenteil: Viele Berater aus dem bereits im Aufbau befindlichen Berater-Pool des Inkubatorzentrums haben von sich das Interesse bekundet, dem Inkubator-Zentrum interessante Gründungsprojekte zuzuführen, um diese im Auftrag des Inkubator-Zentrums gegebenenfalls beraten zu können.

Das gesamte Konzept wurde seit 2000 zwischen Fachhochschule und MWME erörtert und von der alten Landesregierung ab 2001 intensiv vorangetrieben.