Entlassungsvorbereitung im hessischen Justizvollzug

Nach § 7 StVollzG ist zu Beginn einer Freiheitsstrafe ein für jeden Strafgefangenen individueller Vollzugsplan zu erstellen, der unter anderem Angaben über Lockerungen des Vollzugs, Urlaub aus der Haft, die Unterbringung im offenen Vollzug und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung der späteren Entlassung enthalten soll.

Aus § 15 StVollzG folgt, in welcher Weise die Entlassungsvorbereitung durchzuführen ist und dass im Sinne des § 11 StVollzG Vollzugslockerungen gewährt werden sollen.

Vorbemerkung des Ministers der Justiz:

1. Der Justizvollzug dient zum einen dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten, zum anderen der Befähigung des Gefangenen, künftig ein Leben ohne Straftaten zu führen. Beiden Zielen muss der Strafvollzug einzelfallbezogen gerecht werden.

§ 15 StVollzG regelt nur einen Teilbereich der Entlassungsvorbereitungsmaßnahmen. Die Vorschrift ist im Zusammenhang mit zahlreichen weiteren Regelungen über die Behandlung Strafgefangener zu sehen, z. B. §§ 51 (Überbrückungsgeld), 37 (Zuweisung von Arbeit) und anderen.

Die Entlassungsvorbereitung dient dem Ziel der Wiedereingliederung des Strafgefangenen. Sie beginnt schon im Zeitpunkt der Inhaftierung mit der Aufstellung des Vollzugsplans (§ 7 StVollzG). Die hessische Justizvollzugspolitik legt ein besonderes Augenmerk auch darauf, dass das Angebot an besonderen Entlassungsvorbereitungsmaßnahmen möglichst vielfältig und auf den einzelnen Gefangenen abgestimmt ist, damit das Ziel der Resozialisierung erreicht werden kann.

Neben den bereits oben erwähnten Maßnahmen sind dies etwa Schuldenregulierung, schulische und berufliche Integration, Beschaffung von Wohnraum, sozialpraktisches Training durch interne und externe Berater, Drogenberatung, Ehe- und Familienberatung und anderes mehr. Dafür werden jährlich Haushaltsmittel in Höhe von 2,9 Millionen aufgewendet.

2. § 15 StVollzG regelt ein Element der Entlassungsvorbereitungsmaßnahmen. In seinen Abs. 1, 3 und 4 verweist er auf § 11 Abs.2 StVollzG, d.h. auch zum Zwecke der Entlassungsvorbereitung dürfen Vollzugslockerungen und Sonderurlaub dann nicht gewährt werden, wenn zu befürchten ist, dass Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzuges zu Straftaten missbrauchen werden.

Auch nach § 15 Abs. 2 StVollzG kann eine Verlegung Strafgefangener in den offenen Vollzug nur dann in Betracht kommen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen des § 10 Abs.1 StVollzG vorliegen und außerdem die Gefangenen den besonderen Anforderungen dieser Vollzugsform genügen.

Diese Vorbemerkungen vorangestellt, beantworte ich die Kleine Anfrage wie folgt:

Frage 1. In wie vielen Fällen fanden in den Jahren 2000, 2001 und dem 1. Halbjahr 2002

Haftentlassungen statt, ohne dass den jeweiligen zu entlassenden Strafgefangenen

a) Vollzugslockerungen gewährt worden sind,

b) Urlaub nach §§ 13, 15, 35 StVollzG gewährt wurde,

c) eine Verlegung in eine offene Anstalt oder Abteilung gewährt worden ist?

(Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten.)

Frage 2. In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2000, 2001 und dem 1. Halbjahr 2002 gegen die Versagung von Lockerungen des Vollzugs, Urlaub aus der Haft, Unterbringung im offenen Vollzug und sonstigen Maßnahmen zur Vorbereitung der späteren Entlassung ein Antrag bei der zuständigen Strafvollstreckungskammer gestellt (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten)?

Frage 3. In wie vielen dieser Fälle haben die Strafvollstreckungskammern in den Jahren 2000, 2001 und im 1. Halbjahr 2002 durch Beschluss festgestellt, dass die Nichtgewährung der vorgenannten Maßnahmen fehlerhaft gewesen ist (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten und Strafvollstreckungskammern)?

Die Fragen 1 bis 3 befassen sich ausschließlich mit statistischen Erhebungen zu Fragen der Entlassungsvorbereitung im hessischen Vollzug. Hierzu werden in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen keine statistischen Erhebungen geführt. Hinsichtlich des Umfangs der Entlassungsvorbereitungsmaßnahmen verweise ich auf die Ausführungen in der Vorbemerkung. Eine statistische Erhebung über den Teilaspekt "Entlassungsvorbereitung durch Gewährung von Vollzugslockerungen" wäre für die Mehrheit der Justizvollzugsanstalten mit einem unvertretbar hohen Verwaltungsaufwand verbunden. Es hätte jeweils eine Sichtung großer Teile des Aktenbestandes erfolgen müssen.

Daher sind die in den Fragen 1 bis 3 erbetenen Zahlen nicht verfügbar. Mitgeteilt werden kann aber, dass Hessen etwa hinsichtlich der Gewährung von Urlaub und Freigang für Gefangene im Bundesdurchschnitt liegt. Die Missbrauchsquote liegt in allen Fällen unter dem Bundesdurchschnitt.

In den verfügbaren statistischen Erhebungen von Verfahren vor den Landgerichten beziehungsweise dem Oberlandesgericht werden lediglich die Verfahren nach den §§ 109 (Antrag auf gerichtliche Entscheidung), 110 (Zuständigkeit für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung), 116 (Rechtsbeschwerde), 117 (Zuständigkeit für die Rechtsbeschwerde) und 138 sowie 138 Abs. 2 StVollzG (Anwendung anderer Vorschriften insbesondere bei Maßregeln der Besserung und Sicherung) erfasst. Halbjahres 2002 liegen noch keine statistischen Erhebungen vor. Hinsichtlich der Aufgliederung der Verfahren nach den Landgerichten nehme ich auf die beigefügte Anlage 1 Bezug.

Im Hinblick auf die anliegende Aufgliederung nach Landgerichten wurden die nicht unmittelbar mit der Beantwortung der Frage 3 in Zusammenhang stehenden Daten bei der Beantwortung dieser Frage in der vorstehenden Übersicht belassen.

Frage 4. In wie vielen Fällen wurden Entscheidungen der Vollzugsbehörden über die Nichtgewährung von Lockerungen des Vollzugs, Urlaub aus der Haft, Unterbringung im offenen Vollzug und sonstigen Maßnahmen zur Vorbereitung der späteren Entlassung ab April 1999, in den Jahren 2000, 2001 und dem ersten Halbjahr 2002 durch das Oberlandesgericht Frankfurt im Wege der Rechtsbeschwerde aufgehoben?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in 18 Fällen Vollzugsentscheidungen aus dem Zeitraum April 1999 bis zum 30. Juni 2002 aufgehoben.

Diese Entscheidungen betrafen die Nichtgewährung von Vollzugslockerungen oder die Ablösung von Gefangenen aus dem offenen Vollzug. Davon hat das Oberlandesgericht in keinem Fall eine eigene Sachentscheidung getroffen, in zehn Fällen unter Aufhebung des Beschlusses der landgerichtlichen Strafvollstreckungskammer die Anstalt zur Neubescheidung des Gefangenen verpflichtet und in sechs Fällen die Sache zur erneuten Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

Darüber hinaus hat das Oberlandesgericht in zwei Fällen eine Rechtsbeschwerde des Anstaltsleiters gegen die den Gefangenen begünstigende Entscheidung der Strafvollstreckungskammer verworfen. Hinsichtlich der einzelnen Fälle wird auf die anliegende Aufstellung (Anlage 2) verwiesen.

Festzustellen bleibt, dass es sich angesichts einer Gesamtzahl erhobener Rechtsbeschwerden von 384 in den Jahren 2000 und 2001 bei den stattgebenden Rechtsbeschwerden nur um eine verschwindend geringe Zahl handelt.

Frage 5. In wie vielen Fällen sind noch entsprechende Verfahren bei hessischen Strafvollstreckungskammern anhängig (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten und Strafvollstreckungskammern)?

Frage 6. In wie vielen Fällen haben hessische Justizvollzugsanstalten ab April 1999, in den Jahren 2000, 2001 und dem 1. Halbjahr 2002, trotz anders lautenden Beschlusses einer Strafvollstreckungskammer, Vollzugslockerungen oder eine andere die Haftentlassung vorbereitende Maßnahme nicht gewährt (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten und Strafvollstreckungskammern)?

Frage 7. Wie lange dauerte ein Verfahren durchschnittlich bei den einzelnen Strafvollstreckungskammern

a) ab April 1999,

b) im Jahr 2000,

c) im Jahr 2001,

d) im 1. Halbjahr 2002?

Frage 8. In wie vielen Fällen erhielten ab April 1999, in den Jahren 2000, 2001 und dem 1.

Halbjahr 2002 Strafgefangene erst unmittelbar vor ihrer Haftentlassung Lockerungen des Vollzugs, Urlaub aus der Haft, die Unterbringung im offenen Vollzug und sonstige Maßnahmen zur Vorbereitung der späteren Entlassung gewährt (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten)?

Frage 9. In wie vielen der unter Frage 8 angesprochenen Fällen ging der Gewährung von Lockerungen des Vollzugs, Urlaub aus der Haft, Unterbringung im offenen Vollzug oder sonstigen Maßnahmen zur Vorbereitung der späteren Entlassung ein oder mehrere Verfahren vor einer Strafvollstreckungskammer oder dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main voraus (Darstellung bitte nach den einzelnen Justizvollzugsanstalten und Strafvollstreckungskammern)?

Die Fragen lassen sich ohne unzumutbaren Verwaltungsaufwand in allen hessischen Vollzugsanstalten nicht beantworten, da diesbezüglich keine Statistiken erhoben werden. Im Falle einer Beantwortung dieser Fragen müssten alle Justizvollzugsanstalten für die Zeit von April 1999 bis 30. Juni 2002

sämtliche Gefangenenpersonalakten entlassener Strafgefangener sowie die Posteingangsbücher auswerten. Dies ist auch innerhalb mehrerer Monate nicht leistbar und würde der gebotenen Betreuung Strafgefangener für den Bearbeitungszeitraum unentbehrliches Justizvollzugspersonal entziehen.

Nach Einschätzung der Fachabteilung handelte es sich bei den in Frage 8 bezeichneten Fällen jedoch nur um ganz geringe Einzelfälle.

Für die Dauer der Verfahren bei den Strafvollstreckungskammern der Landgerichte sehen die Anordnungen über Zählkartenerhebungen des Ausschusses für Statistik keine entsprechenden Erhebungen vor.

Eine zur Beantwortung der Anfrage durchzuführende Einzelauswertung sämtlicher Verfahrensakten der letzten Jahre lässt sich ohne unzumutbaren Verwaltungs- und Zeitaufwand bei den Landgerichten nicht durchführen.