Arbeitslosigkeit

Rüdiger Sagel als Oberaufklärer habe parlamentarisch gesehen eine fragwürdige Doppelfunktion: Er sei finanzpolitischer Sprecher im Haushalts- und Finanzausschuss und sitze gleichzeitig als Sprecher im Ausschuss für Haushaltskontrolle.

(Gisela Walsken [SPD]: Kluge Verbindung! Kollege Klein auch! ­ Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Wir haben nur zwölf Abgeordnete!)

Das könne man selbst bei einer kleinen Fraktion anders regeln; das machten die Freien Demokraten vor.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Kollege Klein ist auch in beiden Ausschüssen! ­

Weitere Zurufe ­ Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Ach, Herr Petersen, sind Sie nicht auch in beiden Ausschüssen? ­ Dr. Jens Petersen [CDU]: Nur um zu gucken, damit Sie keinen Unsinn machen!)

Wenn Rüdiger Sagel so tue, als hätten die Unregelmäßigkeiten längst auffallen müssen ­ er habe dem Wirtschaftsministerium vorgeworfen, geschlafen zu haben ­, müsse man sich fragen, warum man erst jetzt einen Bericht des Landesrechnungshofs erhalten habe. Bei einem ganz offensichtlichen Missbrauch wäre sicher auch der LRH frühzeitiger aktiv geworden. Deshalb finde er ­ Romberg ­ es schon erstaunlich, dass Rüdiger Sagel seine Verantwortung aus der rot-grünen Regierungszeit völlig ausblende. Mit der Aussage, das sei ein Beamter gewesen, der mit der rot-grünen Landesregierung nichts zu tun gehabt habe, mache er es sich zu einfach.

Auch Strukturhilfemittel seien öffentliches Geld. In Gelsenkirchen solle die Lage problematisch gewesen sein. Zu überlegen, wie man dort helfen könne, sehe er auch als Freier Demokrat für notwendig an. Sich aber für ein waghalsiges Projekt zu entscheiden, ohne sich Alternativen anzusehen, wie man in Gelsenkirchen den Strukturwandel vielleicht auf andere Art und Weise hätte bewältigen können, halte er für verantwortungslos. Rüdiger Sagel habe bisher kein bisschen von der Verantwortung für die Förderbedingungen, für das Projekt, wie es aufgestellt gewesen sei, übernommen ­ ein schwaches Bild.

Um auf den Kern des Themas zurückzukommen ­ so Wolfgang Hüsken (CDU) ­, falle ihm auf, dass insbesondere Stephan Gatter in der heutigen Sitzung wesentlich moderatere Töne anschlage als in der vorletzten Sitzung.

(Widerspruch von Stephan Gatter [SPD])

Bei der ersten Sitzung habe man ein Sperrfeuer erlebt, das ausschließlich auf den Zeitraum Herbst 2006 bis Frühjahr 2007 abgestellt habe. Es sei versucht worden, massiv von der Gründungszeit des Inkubators abzulenken, die CDU und FDP betrachtet hätten.

Auch Rüdiger Sagel habe sich vorhin auf diesen Zeitraum bezogen. Frau Thoben habe das Projekt mit einem Mitarbeiterstamm weitergeführt, den sie von Rot-Grün übernommen habe. Er ­ Hüsken ­ könne nur vermuten, dass Stephan Gatter vielleicht doch mehr über Vorkommnisse um das Inkubator-Zentrum und andere Leuchtturmprojekte, die seinerzeit von den Grünen nach vorne getrieben worden seien, wisse, als er anfangs zugegeben habe. Sonst könne er ­ Hüsken ­ sich die moderateren Töne nicht erklären.

Auch er lege Wert darauf, dass die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Bochum sehr akribisch vorgehe, um an den wahren Sachverhalt heranzukommen. In der heutigen Sitzung gehe es um die finanzpolitische Betrachtung des Vorhabens. Damals seien Steuergelder bewusst ­ mit Wissen und Wollen ­ in den Sand gesetzt worden. Das betreffe vielleicht nicht nur das Inkubator-Zentrum, sondern auch viele andere Projekte, die die CDU Rot-Grün in der Vergangenheit immer wieder vorgehalten habe. Es gehe somit um die Verschwendung von Steuergeldern, die Rot-Grün in ihrer Regierungszeit anzulasten seien.

(Rüdiger Sagel [GRÜNE]: Unglaublich!) Stephan Gatter versuche nur, Gründe für den Inkubator zu finden, die sich zum Beispiel um hohe Arbeitslosigkeit, Strukturförderung rankten.

(Thomas Eiskirch [SPD]: Herr Wittke und Herr Twenhöven haben alles in den Sand gesetzt!)

Der damalige Oberbürgermeister und heutige Bauminister sei ebenfalls angeführt worden. ­ Er, Hüsken, sage der Opposition klipp und klar: Oliver Wittke habe nicht an diesem Vorhaben mitgewirkt; sein Anteil sei null.

(Gisela Walsken [SPD]: Was?)

Die Opposition könne ihn persönlich fragen, wie und in welchem Umfang er an der Entscheidung mitgewirkt habe. Das Ganze diene nur der Ablenkung.

Nach diesem Vorspann wolle er ­ Hüsken ­ noch zwei Fragen stellen.

Erstens. Zu Beginn des Projekts seien die Schwierigkeiten ignoriert worden, weil es seinerzeit mit Gewalt ­ auf Biegen und Brechen ­ habe durchgedrückt werden sollen.

Damit komme er auf den Bericht des Landesrechnungshofs zurück. Der LRH habe die Aufgabe, diese Dinge anzuprangern und dem Ausschuss darzulegen, wie mit Steuergeldern umgegangen worden sei. Der Landesrechnungshof habe in seinem Bericht zum Ausdruck bringen wollen, es habe kein sachlicher Hintergrund vorgelegen, die Gelder für solche Projekte auszugeben. Auf diesen Kern sollte man zurückkommen; darum gehe es. Das habe der Ausschuss politisch zu bewerten, und er müsse nach den Ursachen fragen, wie es dazu gekommen sei.

Ein Maßstab, um das Inkubator-Zentrum nach vorne zu bringen, sei gewesen, etwas Innovatives zu tun und Nachhaltigkeit zu erreichen. Wenn der Landesrechnungshof in seinem Gutachten ausführe, dass zum Beispiel ein Importunternehmen für türkisches Trockenobst habe gefördert werden sollen, klinge das fast lächerlich. Das sei nur ein Einzelbeispiel. Davon habe es mehrere gegeben, die vielleicht als Vorbotschaften hätten dienen können, um das Projekt doch frühzeitig abzubrechen. Deshalb wolle er die beiden Ressorts fragen, ob es damals nicht Hinweise gegeben habe zu sagen: Stopp, wir haben uns verrannt; wir verschleudern nicht weiter Millionen von Steuergeldern!, um dieses Unternehmen abzubrechen.

Zweitens. Statt damals zu sagen, die Dinge, die man kenne, laufen zu lassen ­ sie könnten einem egal sein ­ und möglicherweise die Voraussetzungen, die man ursprünglich einmal an das Projekt als Leuchtturmprojekt gestellt habe, zu senken, hätte man gegenüber der Öffentlichkeit zugeben müssen, das Projekt tauge nichts, nun wolle man die Steuergelder sparen. Man sei aber nach dem Motto Augen zu und durch; nach uns komme, was wolle! verfahren. Es sei aufzuklären, wer die Verantwortung dafür trage, das Niveau dieses Projekts so weit herunterzufahren, um es eben noch durchzuschieben, ohne eine vollständige Pleite zu erleben.

Dr. Jens Baganz nimmt zu den gestellten Fragen Stellung.

Rüdiger Sagel habe die Frage gestellt, wer für die Ministerien im Beirat gesessen habe: MR Rainer Dietrich aus dem Finanzministerium, Abteilungsleiter Karl Schultheis aus dem damaligen Ministerium für Wissenschaft und Forschung, MDgt Reinhard Thomalla aus dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit und MR Dr. Ulrich Cichy aus dem Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, später MWME.

Zum Thema Akteneinsicht habe Rüdiger Sagel noch einmal um die Position des Ministeriums gebeten. Das habe er ­ Baganz ­ wohl ausreichend getan und gesagt: Es werde in dieser Landesregierung eine durchgängige Verwaltungspraxis geben. Es könne keine Einzelgenehmigungen für Akteneinsicht geben. Sonst müsste man in Zukunft allen anderen Abgeordneten ebenfalls Akteneinsicht gewähren ­ auch in allen anderen Ministerien. Das würde die verfassungsrechtlich vorgeschriebene Linie zwischen Parlament und Regierung verschieben.

Zu dem Thema Kriminelle Machenschaften, das Stephan Gatter angesprochen habe, habe er ­ Baganz ­ in der ersten Sitzung des Haushaltskontrollausschusses ausreichend vorgetragen ­ damals unter großem Widerspruch von Stephan Gatter. Es hätten nun einmal kriminelle Machenschaften stattgefunden. Die Frage sei nur, auf welchem Boden solche kriminellen Machenschaften entstünden. Die damals herrschende Förderpraxis ­ die Art und Weise, wie die Förderprojekte entwickelt und vorbereitet worden seien ­ sei wahrscheinlich der Nährboden für den späteren Missbrauch gewesen. Genau das könne man gerade beobachten.

Wolfgang Hüsken habe gefragt, ob das Projekt Inkubator nicht hätte abgebrochen werden müssen. Die im Beirat vorgestellten Zahlen zeigten in allen Bereichen, dass sich die Zahl der Beratungsfälle sehr negativ entwickelt habe ­ außer bezeichnenderweise bei der Anzahl der Beratertagewerke und der Entwicklung der abgeschlossenen Honorarverträge. Während in der Zeit von Mai 2002 bis Mai 2004 noch 44 Gründungen aus der Zielgruppe erfolgt seien, seien es in den folgenden zwei Jahren lediglich acht gewesen.

Nach November 2004 scheine auch das Seminargeschäft eingebrochen zu sein. Bis dahin seien 1.919 Seminarteilnahmen erfolgt. In den nächsten anderthalb Jahren sei das Seminarangebot nur noch von 154 Personen genutzt worden. Darüber hinaus sei die Eintrittswahrscheinlichkeit bei Erfolgshonorarverträgen von Dezember 2004 bis Dezember 2005 von rund 65 % über 45 % auf 34 % gesunken. Die Entwicklung, die der Inkubator genommen habe, lasse sich also anhand der Zahlen eindeutig darstellen.

Eine abschließende Bemerkung zur Aufklärungsintensität und -freude, die insbesondere von Rüdiger Sagel immer wieder bestritten werde. Hinter ihm ­ Baganz ­ säßen die Kollegen aus seinem Hause, die seit mehreren Wochen nichts anderes zu tun hätten, als an diesem Projekt und seiner Aufklärung zu arbeiten.