Rehabilitation

Im nächsten Schritt geht es mir um all die Fragen, die sich in Bezug auf die Fachaufsichten stellen. Diese Fragen richten sich auch an die anderen Sachverständigen, auch an die Herren aus Bayern und Baden-Württemberg. Wir haben den Eindruck, dass die gesamte Fachaufsicht - auch bei einem Rehabilitationsvollzug, einem Behandlungsvollzug, wie er im Gesetz steht - sozusagen hintendran ist. Sie haben geschrieben, dass es in Bayern Beauftragte gibt. Da stellt sich die Frage: Wie werden die tätig, und wie werden sie, obwohl sie gar nicht im Ministerium sind, auf Ministeriumsebene einbezogen, sobald es ganz bestimmte dienstaufsichtliche oder andere Fragestellungen gibt?

Frau Dr. Steinhilper, Sie machen in Niedersachsen etwas Ähnliches wie das, was auch der nordrhein-westfälische Justizvollzug vorhat: Bei bestimmten Justizvollzugsanstalten werden bestimmte Aufgaben sozusagen gebündelt. Sie stellen faktisch eine Mittelbehörde dar. Das ist in Niedersachsen, jenseits von Aus-, Fort- und Weiterbildung - das würde ich immer als eine selbstständige Aufgabe bezeichnen -, auch so. Wie stufen Sie es ein, dass offensichtlich nicht alle Aufgaben beim Ministerium bzw. bei den Anstalten wahrgenommen werden?

Ein Hinweis noch: Ich danke den Vertretern des BSBD dafür - anders habe ich es nicht verstehen können -, dass sie eine deutliche Kritik an dem Zeitpunkt der Einbringung dieses Gesetzentwurfs formuliert haben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen - das ist das, was Sie selbst gesagt haben -, dass die Verunsicherung der Menschen im Landesjustizvollzugsamt noch zwei Jahre weitergeht, weil man die sogenannte Organisationsentwicklung zum Abschluss bringen möchte. Das ist eine Ambivalenz, die auch wir festgestellt haben.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Bevor ich den Sachverständigen das Wort erteile, möchte ich als Vertreter der FDP Ihnen, Herr Sichau, erwidern, dass ich, was die die Sachverständigen gesagt haben, folgendermaßen verstanden habe: Wenn man es denn jetzt macht, dann soll man es, auch im Sinne der betroffenen Bediensteten, eher schnell als langsam machen.

(Frank Sichau [SPD]: Das ist selektive Authentizität!)

- Jetzt können Sie mir erklären, was Sie damit sagen wollten. - Insofern mag wohl jeder die Beiträge, selbst die Halbsätze, anders gewichten. Wer fühlt sich jetzt angesprochen, die Frage des Kollegen Sichau zu beantworten? - Herr Jäkel.

Klaus Jäkel (BSBD Nordrhein-Westfalen): Ich möchte einen kurzen Hinweis geben.

Als wir hier vor fünf Jahren gesessen haben, kam zum Schluss eine Bemerkung, die man in den Niederschriften nachlesen kann - man war auch nicht so dafür, dass die beiden Ämter zusammengelegt werden -: Augen zu und durch. - Herr Sichau, ich schlage vor, dass wir es heute genauso sehen. Wir schließen das Amt, wie wir es damals angekündigt haben, und sagen: Augen zu und durch.

Dr. Rupert Stadler (Bayerisches Staatsministerium der Justiz): Herr Abgeordneter, Ihre Frage ging in Richtung Fachaufsicht. Zur Fachaufsicht in Bayern: Es ist so, dass wir in der Aufsichtsbehörde traditionell sehr knapp ausgestattet sind. Ich habe schon gesagt, dass es 25 Mitarbeiter sind, darunter acht Juristen, acht Beamte des gehobenen Dienstes, drei des mittleren Dienstes und sieben Verwaltungsangestellte. Wir haben in einer Aufsichtsbehörde schlicht keine Planstellen für Fachdienstmitarbeiter. Das hat in Bayern Tradition. Das war schon immer so. Es hat auch keinen Sinn, darüber nachzudenken, dafür Stellen zu schaffen.

Wir haben auf der Grundlage von § 151 Abs. 2 geltenden Strafvollzugsgesetzes des Bundes eine Regelung schon seit Jahrzehnten eine Regelung in die Tat umgesetzt.

Das Bundesgesetz sieht vor, dass man, wenn man keine hauptamtlichen Fachdienstmitarbeiter in der Aufsichtsbehörde hat, sogenannte Fachberater bestellt, um den Bereich Fachaufsicht abzudecken. Das haben wir für alle Bereiche der Fachdienste gemacht. Beispielsweise ist die Leiterin unserer sozialtherapeutischen Justizvollzugsanstalt in Erlangen die Fachberaterin der Aufsichtsbehörde in psychologischen Fragen.

Wir haben unter den Pädagogen, unter den Sozialpädagogen und selbstverständlich auch unter den Ärzten Fachberater.

Herr Abgeordneter Sichau, in der Praxis sieht das so aus, dass wir mit den Fachberatern grundlegende Fragen besprechen. Sie haben beispielsweise die Fortbildung angesprochen. Die Fortbildung ist gerade bei den Fachdiensten von enormer Bedeutung.

(Frank Sichau [SPD]: Das habe ich ausgenommen! Das ist bei Ihnen falsch angekommen!)

- Das ist falsch angekommen. Aber es ist ein Beispiel dafür, wie man mit den Fachberatern kommuniziert. - Ansonsten haben wir die Dienstbesprechungen erörtert, die wir zusammen mit den Fachberatern abhalten, um generelle Fragen zu erörtern und dann das Erforderliche zu veranlassen. Das gilt auch für den Einzelfall, zum Beispiel bei Beschwerden. Über die ärztliche Versorgung von Gefangenen gibt es immer wieder Beschwerden. Zum Beispiel sei der Fall XY falsch behandelt worden. Dann wenden wir uns natürlich an unseren Fachberater. Das ist der Leitende Anstaltsarzt der JVA München-Stadelheim, mit ca. 1.500 Gefangenen eine der größten Anstalten in Deutschland und die größte in Bayern. Wir legen den Fall dem Leitenden Anstaltsarzt vor und bitten ihn, zu überprüfen, ob es möglicherweise irgendwelche Fehler gegeben hat. Das ist die Praxis. Durch ständige Kommunikation mit den Fachberatern im Einzelfall und generell üben wir die Fachaufsicht so aus, wie das Strafvollzugsgesetz des Bundes es vorschreibt und wie wir das auch in unserem bayerischen Strafvollzugsgesetz, über dessen Entwurf in der letzten Woche im Bayerischen Landtag in erster Lesung beraten wurde, regeln werden.

Dr. Monica Steinhilper (Niedersächsisches Justizministerium): Die Auflösung unseres Vollzugsamtes liegt zwölf Jahre zurück. Das ist eine lange Zeit. In der Zeit haben wir uns weiterentwickelt. Die Steuerungsinstrumente, die ich in meiner Stellungnahme genannt habe - dieses Controllinginstrument -, haben sich erst in späterer Zeit herausgebildet. Gleichwohl ist es möglich - wenn auch vielleicht nicht optimal -, eine Fachaufsicht auszuüben, wenn man solche Instrumentarien noch nicht an der Hand hat. Als wir das Vollzugsamt aufgelöst haben, haben wir uns alle Aufgaben, die das Vollzugsamt damals wahrgenommen hat, angeschaut und kritisch geprüft: Was wollen wir den Anstalten übertragen? Worauf wollen wir ganz verzichten? Was nehmen wir ins Ministerium?

Die logische Folge ist, dass die Abteilungen personell verstärkt werden müssen. Wir hatten damals beispielsweise ein größeres Personalreferat, weil wir noch nicht alle dienstrechtlichen Befugnisse - so, wie sie sich heute darstellen - übertragen hatten. Im Laufe der Jahre, bei einer weiteren Übertragung der Befugnisse, haben wir bei uns wieder Personal abgebaut.

Zu Ihrer Frage nach der Bedeutung des Begriffs Balanced Scorecard. Das ist ein Modell aus der Unternehmensphilosophie, das besagt, dass sich eine Organisation, ob das nun ein privatwirtschaftliches Unternehmen ist oder der Justizvollzug, am besten entwickelt, wenn Ziele, die sich in vier verschiedene Richtungen orientieren, verfolgt werden: strategische Ziele, finanzökonomische Ziele; Ziele, die nach außen gerichtet sind - beispielsweise in der Öffentlichkeitsarbeit -; und Ziele, die nach innen gerichtet sind, beispielsweise eine menschenwürdige Unterbringung. Wir haben dieses Modell, das wir ausdifferenziert haben, unserem Aufsichtssystem, unserem Steuerungssystem, unserem Controllingsystem und sogar unserer Organisation in der Abteilung zugrunde gelegt. Das heißt, wir versuchen, zu gewährleisten - ich denke, mit Erfolg -, dass sowohl die Anstaltsleiter als auch wir in unserem Aufsichtssystem auf die Entwicklung all dieser Perspektiven achten.

Ich erinnere mich an die Zeit kurz nach der Auflösung des Vollzugsamtes, als Niedersachsen als erstes Land überhaupt in die wirtschaftliche Eigenverantwortung eingestiegen ist. Damals wurden wir häufig als die Dollar-Fraktion in Niedersachsen abgetan.

Heute ist es selbstverständlich, dass auch die Anstaltsleiter unternehmerisch denken und handeln. Wenn Sie sich anschauen, wie sich unsere Anstalten seit der Auflösung des Vollzugsamtes entwickelt haben, können Sie das richtig nachvollziehen. Obwohl immer weniger Geld zur Verfügung stand, haben sie mit ihrem Geld immer mehr gemacht: mehr Geld für Behandlungsmaßnahmen, mehr Geld für die Ausstattung, mehr Geld für die Mitarbeiter. Das heißt, der gesamte niedersächsische Vollzug hat von der Budgetierung und von der wirtschaftlichen Eigenverantwortung profitiert. Ich kann Ihnen sagen, dass auch die Anstaltsleiter, die seinerzeit - 1994, als wir die Entscheidung getroffen haben - der Auflösung kritisch gegenüberstanden, nach einem Jahr gesagt haben: Das war die beste Entscheidung, die das Ministerium jemals getroffen hat.

(Frank Sichau [SPD]: War das kein Gesetzesvorbehalt bei Ihnen?)

- Wie darf ich das verstehen?

(Frank Sichau [SPD]: Das Amt konnte vom Ministerium einfach so aufgelöst werden?)

- Es war so, dass die Idee, das Amt aufzulösen, eigentlich aus der Praxis heraus entstanden ist. Wir hatten im Vorfeld viele Reibungsverluste. Wir haben einfach gemerkt, dass wir einen bürokratischen Verwaltungsapparat aufgebaut hatten. In der damaligen Zeit hatten wir einige Anstaltsleiter - das war für uns wahrscheinlich auch historisch wichtig -, die sich im Sozialmanagement fortgebildet und ihrerseits schlanke, kurze Wege und mehr Verantwortung gefordert hatten. Die Anstaltsleiter haben mehr Eigenverantwortung eingefordert.