Justizvollzugsanstalt Freiburg

(Frank Sichau [SPD]: Wir wollen Ihnen doch die örtlichen Personalräte nicht wegnehmen! Was erzählen Sie denn da?)

- Nein, aber Sie wollen uns die Dreistufigkeit nicht mehr zugestehen, eigentlich nicht einmal mehr die Zweistufigkeit, denn der Gesamthauptpersonalrat besteht aus allen Bediensteten der Justiz, und da bleibt der Vollzug völlig außen vor. Es gibt in Nordrhein Westfalen keine Behörde - keine Fachrichtung - mit einem zweistufigen Aufbau. Das wären nur wir, wenn es dazu käme, und das wäre noch nicht einmal ein zweistufiger Aufbau. weil wir mit den anderen zusammen wären. Im Grunde genommen wären die Strafvollzugsbediensteten in personalvertretungsrechtlicher Hinsicht völlig unterrepräsentiert. Sie haben das in diesem Gesetzentwurf selbst gefordert. Ich denke, wir mit unseren 8.500 Beschäftigten müssten bei Ihnen das gleiche Ansehen genießen wie die Staatsanwälte.

Thomas Rösch (Leiter der Justizvollzugsanstalt Freiburg): Eine Anmerkung zu Art. 20 GG und zur Kontrolle über die Justizvollzugsanstalten. Ich behaupte, dass es kaum eine andere Institution gibt, die so vielfältig kontrolliert wie der Strafvollzug. Ich zähle die Kontrollen auf: Es gibt die Kontrolle durch die Strafvollstreckungskammer. Das 109er-Verfahren ist direkt und schnell. In Baden-Württemberg gibt es die Kontrolle durch die sogenannten Strafvollzugsbeauftragten des Landtags. Jede Fraktion stellt einen Strafvollzugsbeauftragten. Sie sind in Baden-Württemberg recht rührig. Dann gibt es eine gewisse Kontrolle durch die örtliche Staatsanwaltschaft. Es gibt Sonderdezernenten für jede Justizvollzugsanstalt. Jede Anstalt hat einen Beirat. Nicht vergessen darf man die Kontrolle durch die Presse. Nicht vergessen darf man auch die Öffnung des Vollzugs, also die Kontrolle durch ehrenamtliche Mitarbeiter. Ich habe in meiner Anstalt 53 Lehrer und 160 ehrenamtliche Mitarbeiter, die jede Woche hineinkommen und selbstverständlich das Geschehen mitbekommen. Schließlich darf man nicht vergessen, dass es längst auch eine Kontrolle durch Gefangene gibt, die Kommunikationsmöglichkeiten haben: zum Beispiel über das Telefon und über Briefe.

Das heißt, Sie können im Strafvollzug eigentlich so gut wie nichts geheim halten. Das möchte ich behaupten. Zumindest mache ich als Anstaltsleiter diese Erfahrung immer wieder. Es nützt gar nichts, auch nur eine Kleinigkeit zu verbergen. Offenheit ist das beste Mittel. Es ist wirklich so, dass man fast nichts geheim halten kann. - So viel zur Kontrolle.

Wie funktioniert nun das Informieren des Justizministeriums? Selbstverständlich über das Telefon. Ich habe schon gesagt, dass dies eines der wesentlichen Arbeitsmittel ist.

Die Information funktioniert aber auch über regelmäßige Dienstbesprechungen - auch Sonderdienstbesprechungen -, die mehrere Tage dauern können. Sie funktioniert auch, weil eine gewählte Anstaltsleitervertretung, der ich ebenfalls seit über zwölf Jahren angehöre, mit dem zuständigen Leiter des Justizministeriums jederzeit Termine vereinbaren kann. Wir haben auch regelmäßige Gespräche mit unserem Justizminister und unserem Ministerialdirektor, etwa ein- bis zweimal im Jahr. Auch da gibt es einen ständigen Austausch und eine ständige Kontrolle, sodass ich summa summarum behaupten möchte, der Kontakt ist so eng, dass es vonseiten eines Anstaltsleiters - ich spreche zumindest für die Anstaltsleiter in Baden-Württemberg - eigentlich keinen Wunsch nach mehr Information und Kontakt geben dürfte.

Dr. Rupert Stadler (Bayerisches Staatsministerium der Justiz): Zur Frage der Aufsicht. Herr Abgeordneter, ich glaube, Sie haben mich etwas missverstanden. Natürlich sind wir, die wir in der Aufsichtsbehörde beschäftigt sind, nicht jeden Tag in den Anstalten. Wir sind - einschließlich Abteilungsleiter - sechs Referatsleiter. Natürlich sind wir nicht jeden Tag vor Ort. Aber viele von uns sind sehr häufig draußen. Es gibt einen Kollegen, der die Spezialzuständigkeit Visitationen hat. Der ist wirklich jedes Jahr einmal in jeder Anstalt, einschließlich aller Teilanstalten und Zweiganstalten. Wir sind häufig draußen. Ich als Personalreferent und Stellvertreter des Abteilungsleiters bin zwar nicht jede Woche in den Anstalten, aber schon relativ häufig. Das dürfen Sie mir glauben.

Wir legen Wert darauf - das haben wir so besprochen, und das funktioniert auch recht gut -, dass immer einer der beiden Abteilungsleiter bzw. der Vertreter in der Abteilung ist. Wir versuchen immer, es so einzurichten, dass wir nicht gleichzeitig unterwegs sind.

So ist es beispielsweise auch heute. Ein oder zwei unserer Kolleginnen und Kollegen Referatsleiter sind in der Regel auch in der Abteilung, sodass wir tagsüber im Ministerium erreichbar sind. Herr Rösch, Sie können das aus Baden-Württemberg bestätigen, genauso ist es in Bayern: Ich telefoniere jeden Tag sicherlich zehn- bis 15-mal mit Anstaltsleitern. Seit 15 Jahren mache ich das so. Auf diese Weise sind wir sehr nah dran am Anstaltsgeschehen. Wenn wir einmal gemeinsam unterwegs sind - beispielsweise auf Veranstaltungen -, packe ich vorher mein Handy aus. Auch Bayern ist technisch schon so weit erschlossen, dass es kaum noch Funklöcher gibt. Mit den wenigen Funklöchern, die es im Hochgebirge möglicherweise noch gibt, kommen wir ganz gut zurecht. Es ist also möglich, einerseits immer in der Behörde erreichbar zu sein und andererseits vor Ort zu erscheinen. Das ist schlicht und einfach arbeitsteiliges Verhalten. Wir bemühen uns grundsätzlich, nicht alle am selben Ort zu sein, sondern wir teilen uns das auf. Schließlich sind wir nicht so viele.

Was die totale Institution betrifft, möchte ich auf das Bezug nehmen, was Herr Rösch für Baden-Württemberg gesagt hat. All das gilt auch für Bayern. Die Kontrolle ist sehr intensiv. Wir wollen auch nichts verheimlichen. Dazu ist überhaupt kein Grund vorhanden. In den bayerischen Justizvollzugsanstalten war es in den letzten zehn Jahren so:

Wir haben uns gegenüber der Öffentlichkeit und gegenüber der Presse, die sich sehr für uns interessiert, geöffnet. Wir veranstalten in den Justizvollzugseinrichtungen - auch wenn das etwas merkwürdig klingt - Tage der offenen Tür. Die Türen sind natürlich nur für die Besucher offen und, wenn es geht, auch nur in eine Richtung. Für die Gefangenen sind sie selbstverständlich nicht offen. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ein Tag der offenen Tür wäre vor 20 Jahren in Bayern nicht vorstellbar gewesen. Das machen wir jetzt.

Sehr viele Journalisten, die sich dafür interessieren, besuchen unsere Anstalten. Wir öffnen unsere Anstalten. Wir bieten Informationen an, wenn es Nachfragen gibt. Was die Politiker betrifft: Es kommen sehr häufig Abgeordnete: Bundestagsabgeordnete, Landtagsabgeordnete, oft auch Delegationen aus anderen Ländern. Herr Abgeordneter, Sie haben mir vorhin gesagt, Sie seien einmal in Straubing gewesen. Wir öffnen uns wirklich und haben selbst das größte Interesse daran, uns zu präsentieren, zu zeigen, was in den Justizvollzugsanstalten alles geleistet wird, sowohl bei der Sicherheit als auch bei der Betreuung.

Es gibt eine Institution in Bayern, die sogenannten Anstaltsbeiräte. In allen Anstalten gibt es einen Anstaltsrat. In Bayern ist es so, dass der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende des Anstaltsbeirats Landtagsabgeordnete sind. Es finden regelmäßig Besichtigungen und Besprechungen in den Anstalten statt. Auch dadurch ist eine Kontrolle gewährleistet. Beim besten Willen kann ich da keine Defizite feststellen.

Sie haben das Landrecht angesprochen. Dazu ein Satz: Das bayerische Landrecht gab es bis ungefähr Ende des 19. Jahrhunderts. Mit dem Inkrafttreten der Reichsjustizgesetze sind Landrechte aufgehoben werden. Wir verfahren nach dem Strafvollzugsgesetz des Bundes und - ab dem 1. Januar 2008 - nach dem neuen bayerischen Strafvollzugsgesetz. Ich persönlich bin rechtshistorisch sehr interessiert und finde die eine oder andere Formulierung, die beispielsweise im bayerischen Landrecht enthalten war, sehr originell und gut. Aber in die heutige Zeit würde das nicht mehr passen.

Dr. Monica Steinhilper (Niedersächsisches Justizministerium): Ich möchte zu den Punkten Todesfälle, Information, Präsenz und Aufsichtssystem Stellung nehmen. Bei Todesfällen wird der Sicherheitsreferent der Abteilung von den Anstalten umgehend informiert. Wir erwarten, dass dies binnen einer Stunde nach dem Bekanntwerden eines Vorfalls erfolgt. Der Sicherheitsreferent sorgt dann für die weitere Information. Wir unterrichten unseren Unterausschuss Justizvollzug im Landtag über jeden Todesfall. Die Staatsanwaltschaft veranlasst in all den Fällen eine Obduktion.

Ist es ein nicht natürlicher Todesfall oder ein Suizid, lassen wir uns die Akten kommen.

Das zuständige Fachreferat wertet die Akten aus, insbesondere um zu schauen, ob es Versäumnisse gab und ob man etwas für die Suizidprophylaxe lernen kann. Die Akten werden also nicht nur mit dem Ansatz ausgewertet, zu schauen, wo Fehler gemacht wurden, sondern auch mit dem Ansatz, neue Erkenntnisse daraus zu gewinnen. Dann können wir auch immer wieder unsere Justizvollzugsschule - wir nennen sie Bildungsinstitut - unterrichten und auf neue Erkenntnisse aufmerksam machen. Die Akte geht dann an den Kriminologischen Dienst, der gerade alle Suizidfälle und Suizidversuche systematisch auswertet, um im Laufe der Jahre Erkenntnisse zu gewinnen, die wiederum in unsere Vollzugsgestaltung, in unsere Vollzugspraxis und in unsere Suizidprophylaxe einfließen können.

Zur Präsenz. Ich habe festgestellt, dass etwa ein Drittel unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Abteilung regelmäßig unterwegs ist - bis auf montags. Der Montag ist unser Besprechungstag. Dann versuchen wir alle, im Haus zu sein. Wir sind nicht nur unterwegs, um Aufsicht auszuüben - im weiteren Sinne ist natürlich fast alles, was wir machen, Aufsicht -, sondern auch um in Arbeitsgruppen mitzuwirken. Ich war gestern beispielsweise in einer Anstalt des offenen Vollzugs in Lingen, um mich im Rahmen eines Workshops mit Anstaltsleitern, aber auch mit anderen Mitarbeitern - Vollzugsabteilungsleitern - über eine neue Konzeption der Entlassungsvorbereitung zu beraten. Solche Kontakte gibt es immer wieder.

Letztes Jahr hatte ich beispielsweise das Jahr der Hospitationen. Da bin ich in Bereiche des Vollzugs gegangen, in die man als Abteilungsleiterin sonst nicht allein geht. In der JVA Meppen habe ich beispielsweise geholfen, Königsberger Klopse zu kochen.