Bei uns ist es so dass die Strafvollstreckungsrichter wirklich in die Anstalt kommen

Wir treffen uns regelmäßig - ein- bis zweimal im Jahr - mit den Richtern der Strafvollstreckungskammer vor Ort, im Übrigen auch mit der Staatsanwaltschaft, und besprechen Probleme. Das ist ein informelles Gespräch, das aber dazu führt, dass wir uns sehr viel besser verstehen, als das früher der Fall war, dass viel von dem, was wir sagen, bereits in die Rechtsprechung der Gerichte eingegangen ist, und dass wir jenseits irgendwelcher Verfahren ein Forum haben, auf dem wir vortragen können, was in der Praxis Schwierigkeiten bereitet. Das hat sich gut etabliert und führt auch zu einer wesentlichen Verbesserung des Klimas.

Bei uns ist es so, dass die Strafvollstreckungsrichter wirklich in die Anstalt kommen. Es sind praktisch jeden Tag Richter da und sprechen mit Gefangenen und Bediensteten.

Dabei kommt sehr viel rüber. Entscheidungen fallen nicht mehr so überraschend aus.

Das ist stark zurückgegangen. Wir bekommen auch den einen oder anderen Hinweis:

So kann man es nicht machen. Kann man es nicht vielleicht anders machen? - Informell läuft das Ganze doch etwas anders, und auf den örtlichen Ebenen funktioniert es inzwischen recht gut. Das gilt auch für andere Anstalten.

Mein Votum lautet also, dass man auf das Vorverfahren verzichten kann. Ich habe zu Beginn aus der Statistik vorgetragen: Erst gab es einen Anstieg, dann sind die Zahlen zurückgegangen. Heute gibt es kaum einen Unterschied zu dem Zustand, den wir vorher hatten. Darin bestätigt worden bin ich erst gestern bei der Anstaltsleiterdienstbesprechung. Ich habe meine Kollegen befragt, damit ich Ihnen nicht nur ein Bild von der Anstalt in Freiburg, sondern auch von allen anderen Anstalten vermittle. Meine Kollegen haben unisono gesagt: Es gibt keinen wesentlichen Unterschied zu der Situation vor 2000, als das Vorverfahren noch existierte.

Klaus Jäkel (BSBD Nordrhein-Westfalen): Herr Sichau, ich bin ein bisschen irritiert.

Im Augenblick fehlt mir der rote Faden in Ihrer Politik. Die Landesvorsitzende Ihrer Partei, Frau Hannelore Kraft, hat sich in einem vor wenigen Wochen mit ihr geführten Gespräch, an dem Sie teilgenommen haben, vehement über die Novellierung des LPVG beschwert. Wie hat Sie es damals ausgedrückt?

(Frank Sichau [SPD]: Das gehört nicht hierhin!)

- Doch, ich komme noch dazu. Ich will es Ihnen sagen. - Sie hat gesagt, die personalvertretungsrechtliche Repräsentation sei nicht mehr gewährleistet. Sie wissen, was Sie gesagt hat. Sie hat sich auch in den Medien so geäußert.

Jetzt will die Landesregierung etwas machen. Sie beabsichtigt also, uns zu unterstützen und eine personalvertretungsrechtliche Repräsentation zu schaffen, und dann ist es auch wieder nicht richtig. Jetzt soll mir doch einer sagen, was Sie eigentlich wollen. Ich verstehe das nicht mehr. Wir werden die Bediensteten in Nordrhein-Westfalen fragen, wie sie das sehen. Ich werde in den nächsten Tagen eine Internetmitteilung machen.

Wir werden sehen, wie die Resonanz auf Ihre Ausführungen ist.

Sie sagen, es sei unfair, wenn ich auf diesen Gesetzentwurf vom 22.09.2005 hinweise, in dem Sie einen dreistufigen Aufbau der Personalvertretung der Staatsanwaltschaften mit der Begründung fordern, es müsse auch hinsichtlich der Einführung neuer Steuerungsmodelle eine personalvertretungsrechtliche Repräsentanz gewährleistet sein. Un ter anderem weisen Sie auch noch darauf hin, dass die durch die Einrichtung zusätzlicher Personalvertretungen bei 19 Staatsanwaltschaften - 19, man muss sich das Volumen einmal vorstellen - entstehenden Mehrkosten im Interesse der Angleichung der Mitbestimmungsstrukturen im staatsanwaltschaftlichen Bereich hingenommen werden müssen. Ich sehe keinen roten Faden mehr. Herr Sichau, ich frage Sie - die Frage werde ich Ihnen auch öffentlich stellen -: Würden Sie eine solche Frage auch stellen, wenn ver.di 90 % der Bediensteten im Strafvollzug repräsentieren würde? Die Frage werde ich Ihnen noch einmal öffentlich stellen, und da bin ich gespannt, was Sie darauf antworten werden.

(Frank Sichau [SPD]: Bleiben Sie doch sachlich! War das nicht eine Anhörung der Anzuhörenden? Oder wie soll ich das verstehen?)

- Das war eine Antwort auf Ihre Frage.

(Frank Sichau [SPD]: Nein!) Vorsitzender Dr. Robert Orth: Jedem steht es frei, zu sagen, was er möchte. Sie können fragen und auch Kommentare dazu geben. Die Anzuhörenden können die Antwort geben, die sie für richtig halten. - Herr Sanker.

Friedhelm Sanker (BSBD Nordrhein-Westfalen): Herr Sichau, Sie haben nach den Restriktionen gefragt. Die Antwort bezog sich auf die Frage 7 des Fragenkatalogs nach dem zweistufigen Aufbau. Wir haben dargelegt, dass wir mit dem jetzigen Aufbau, dem dreistufigen System, sehr gefahren sind, dass sich der Strafvollzug in Nordrhein Westfalen relativ liberal entwickelt hat, dass also ein großer parteiübergreifender Konsens besteht, den Vollzug entsprechend liberal auszugestalten, und dass wir zurzeit dabei sind, ein ordentliches Jugendstrafvollzugsgesetz auf den Weg zu bringen, an dem die Landesregierung zurzeit arbeitet. Das möchten wir für die Zukunft sichergestellt und gewährleistet wissen.

In dem Zusammenhang haben wir die Befürchtung geäußert, dass die Absicherungsstrategie der politischen Ebene, wenn man auf den dreistufigen Aufbau verzichtet, der eine Absicherung nach oben wie nach unten beinhaltet, ein größeres Gewicht bekommt, sollte es zu spektakulären Ereignissen kommen. Darauf haben wir in diesem Zusammenhang nur hingewiesen, denn man kann in den Strafvollzug auch ganz subtil eingreifen. Aus anderen Bundesländern wird kommuniziert, dass das Budget - wenn die Budgetierung schon eingeführt ist - mitunter von Versagensquoten abhängig gemacht wird. Man kann auch eine Quote für das Urlaubsversagen festlegen und dann das Budget reduzieren.

Das ist eine ganz subtile Art, auf die Entscheidungspraxis in den Vollzugseinrichtungen einzuwirken. Mit so etwas möchten wir eigentlich nicht konfrontiert werden. Wir haben nur zum Ausdruck gebracht, dass wir bislang nichts davon gespürt haben und unsere Arbeit im Wesentlichen an sachlichen Gegebenheiten ausrichten konnten.

Dr. Karl Drexler (Leiter der Vollzugsdirektion Österreich): Vielleicht am Rande noch ein paar Informationen, nachdem ich nicht direkt angesprochen worden bin. Dem österreichischen Strafvollzug hat man immer vorgeworfen, dass er an strategischer Untersteuerung leide. Das hat gestimmt. Das Ministerium war dazu nicht in der Lage. Es hat klassifiziert, das heißt, es hat Einzelentscheidungen getroffen, welcher Insasse in welche Anstalt kommt. Es hat den Strafvollzugsort geändert. Das heißt, wenn er klassifiziert war, hat man ihn von einer Anstalt in die andere gegeben. Es wurden Inspektionen durchgeführt.

Es ist nicht zwingend notwendig, dass ein Ministerium kontrolliert, ob die Hygienevorschriften in der Küche oder die Besuchszeiten eingehalten werden. Das kann durchaus auch von einer operativ arbeitenden Mittelbehörde erledigt werden. Wir haben die Bauangelegenheiten sehr intensiv betrieben. Es waren furchtbare Sitzungen. Ich kann mich daran erinnern, dass sich vier Abteilungsleiter - nach Ihrer Definition Referatsleiter - an einem Vormittag darüber gestritten haben, wie der Portier in einer Justizvollzugsanstalt besoldungsrechtlich eingestuft wird.

Auch wir haben die Probleme mit den Todesfällen. Das ist im Prinzip genau dasselbe.

Nur läuft das bei uns über die Vollzugsdirektion. Eine Rufbereitschaft war im Ministerium nicht umzusetzen. Jetzt haben wir eine Rufbereitschaft. Über diese Rufbereitschaft werde ich bei besonderen Vorkommnissen informiert. Ich werde die Frau Bundesministerin - bzw. in erster Linie ihr Sekretariat, in zweiter Linie den Abteilungsleiter, der sich um die Strafvollzugsangelegenheiten kümmert - verständigen. Auch die Lenkung im Krisenfall liegt bei der Vollzugsdirektion. Sie hat die Arbeitsgruppen, die dann einzusetzen wären, zu führen und arbeitet unmittelbar der Frau Ministerin zu.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Meine Dame, meine Herren Sachverständigen! Wir haben Sie hier intensiv befragen können. Sie tragen mit Ihren Anregungen sicherlich zur Meinungsbildung bei. Insofern danke ich Ihnen im Namen der Mitglieder des Ausschusses ganz herzlich für Ihr Kommen und für Ihre Ausführungen.

Wir müssen jetzt beschließen, wie wir weiter verfahren. Im Vorfeld haben wir uns mit Blick auf die Terminierung des nächsten Plenums darauf geeinigt, heute hier zu beschließen, am 6. Juni 2007 die abschließende Beratung und Abstimmung im Ausschuss vorzunehmen. ich bitte Sie, mir durch Kopfnicken zu signalisieren, dass wir so verfahren können. - Dann haben wir das so beschlossen.