Die Wahlfreiheit der Punkt den Sie angesprochen haben besteht meines Erachtens auch nach der derzeitigen

Die Wahlfreiheit - der Punkt, den Sie angesprochen haben - besteht meines Erachtens auch nach der derzeitigen Rechtslage.

Prof. Dr. Martin Beckmann: Ich möchte zu der vergaberechtlichen Frage Stellung nehmen. Herr Stemplewski, ganz so, wie Sie es gesagt haben, sollte es nicht stehen bleiben. Ich sage einige Sätze dazu.

Ich glaube, alle Beteiligten sind sich darüber einig, dass das Vergaberecht im Grundsatz anwendbar ist. Es geht um die Erfüllung von Aufgaben durch Dritte, indem man die Aufgaben überträgt. Dass dabei das Vergaberecht eine Rolle spielt, ist klar; das braucht nicht weiter erörtert zu werden. Es geht um die Frage: Liegen in Fällen der Kanalnetzübergabe Ausnahmen vor, die dazu führen, dass nicht öffentlich auszuschreiben ist?

Dazu ist über drei Stichworte zu diskutieren. Wir können sicherlich rasch sagen, wo die Probleme liegen.

Da ist erstens - wir bleiben im staatlichen Bereich - die Frage des innerstaatlichen Organisationsakts.

Zweitens: Kann eine Pflicht auch auf jemanden übertragen werden, an dem ein Privater beteiligt ist? Ist das ausschreibungsfrei möglich?

Drittens das Inhousegeschäft. Inhousegeschäfte kommen meines Erachtens nicht in Frage, weil an den Verbänden private Unternehmen beteiligt sind.

Der innerstaatliche Organisationsakt ist im Grundsatz richtig. Es besteht die Möglichkeit des Staates, innerhalb seiner Organisation Aufgaben hin- und herzuschieben, ohne sie auszuschreiben. Allerdings muss man immer prüfen, ob es sich um eine vollständige Aufgabenübertragung, wie sie von der Rechtsprechung erwartet wird, handelt, wenn das ausschreibungsfrei laufen soll. Wenn es sich nämlich nicht um eine Aufgabenübertragung, sondern um die Indienstnahme eines anderen - auch einer öffentlichrechtlichen Körperschaft - handelt, ist eindeutig auszuschreiben. Liegt also ein solcher Fall vor? Es fällt auf, dass bei den Fallgestaltungen, über die hier diskutiert wird, den Kommunen maßgeblicher Einfluss eingeräumt werden soll. Sie sollen entweder die Abwasserkonzepte selbst aufstellen oder stark darauf Einfluss nehmen. Sie sollen weiterhin die Satzungen aufstellen. Sie sollen die Gebühren erheben. Sie bleiben formalrechtlicher Eigentümer des Netzes. Herr Professor Bode sprach von den Schnittstellen zwischen den Verbänden und den Kommunen. Gerade dieses Geflecht wirft die Frage auf: Handelt es sich um Aufgabenübertragung im vorgenannten Sinne, so dass eine Ausnahme gerechtfertigt wäre?

Hinzu kommt das Problem der privaten Mitglieder der Verbände. Ich glaube, die meint Fälle, in denen Private nicht mit am Tisch sitzen, sondern die Aufgabe innerhalb des Staates bleibt. Das ist bei den Verbänden anders.

Die zweite Variante betrifft die Pflichtenübertragung. Wir kennen das aus dem Rettungswesen. Der klassische Modellfall ist die Pflichtenübertragung im Abfallrecht. Eine zuständige Behörde, zum Beispiel die Bezirksregierung, kann bestimmte Aufgaben im

Wege eines Verwaltungsaktes - den man natürlich nicht ausschreiben kann - auch auf einen Privaten übertragen. Ob bei der Abwasserwirtschaft ein solcher Fall der Pflichtenübertragung gegeben ist, ist sehr zweifelhaft. Hier werden Verträge zwischen der Kommune, die die Aufgabe zu erfüllen hat, und dem Verband, der die Aufgabe übernehmen soll, geschlossen, und es werden Leistung und Gegenleistung vereinbart. Die Kommune wird aus der finanziellen Verantwortung nicht entlassen, sondern diese bleibt ihr langfristig erhalten. Ob man in einem solchen Fall von einer klassischen Pflichtenübertragung ausgehen darf, wie man sie ausschreibungsfrei durchaus akzeptieren kann, halte ich für sehr zweifelhaft. Insofern lassen sich die vergaberechtlichen Probleme nicht einfach über die Kante schieben.

Friedhelm Ortgies (CDU): Der Begriff gewinnorientierte Unternehmen ist durch den Raum gegeistert. Wir Parlamentarier wollen sauberes Wasser und bürgerfreundliche Gebühren. Dann ist es letztlich belanglos, in welcher Unternehmensform das am besten zu erreichen ist.

Herr Lattmann sprach vom natürlichen Zugriffsrecht der Verbände. Es gibt Gebiete, in denen weder Verbände noch private Unternehmen tätig sind - jedenfalls nach der alten Ordnung. In meinem Kreis gibt es das berühmte Betreibermodell. Ich gehe davon aus, dass die kommunalen Spitzenverbände auch diese Kommunen vertreten. Haben Sie Erfahrungen, dass das nicht klappt?

Von Herrn Professor Bode und Herrn Dr. Lindner ist der umfangreiche Katalog der Aufgaben dargestellt worden, den die Verbände erfüllen, und zwar gut. Herr Dr. Zimmermann, könnte es in diesem Bereich Probleme durch die Privaten geben, oder können sie sie genauso gut erledigen?

Dr. Ulrich Zimmermann (Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e. V. [BDE]): Die Probleme, die bei der Erfüllung wasserwirtschaftlicher Aufgaben entstehen, sind von der Rechtsform der Unternehmen unabhängig. Ich glaube nicht, dass andere oder neue Probleme auftauchen, wenn privatwirtschaftliche Unternehmen tätig werden.

Ich meine, die Diskussion läuft an dem Gesetzentwurf vorbei; denn den Verbänden wird die Möglichkeit, die Kanalnetze zu übernehmen, nicht genommen. Es heißt im Text: nach Maßgabe des Landeswassergesetzes. Wenn das Landeswassergesetz es erlaubt, können die Kanalnetze von Wasserverbänden übernommen werden.

Zweitens. Herr Professor Bode, Sie haben mehrfach gesagt, Sie sähen große Probleme bei der Aufgabenerfüllung durch Private. Das wundert mich. Auch beim Ruhrverband tragen private Unternehmen zur Aufgabenerfüllung bei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Probleme so groß sind, dass Sie quasi handlungsunfähig sind.

Sie haben erwähnt, dass Sie sich mit Dr. Stemplewski absprächen. Die Emschergenossenschaft ist über ihre privatwirtschaftlichen Töchter zum Beispiel in Gelsenkirchen an der Abwasserbeseitigung beteiligt. Sie arbeitet mit privatrechtlichen Unternehmen schon lange sehr gut zusammen. Es gibt viele Modelle, die gut funktionieren. Wir sollten dieses einseitige Verdammen endlich sein lassen. Ich habe im August letzten Jahres hier schon gesagt: Die größte Kläranlage in Deutschland wird von der BASF AG betrieben, die gleichzeitig kommunale Abwässer klärt. Das geschieht seit Jahrzehnten sehr sicher und gut. Niemand übt dort Kritik, weil BASF ein privatrechtliches Unternehmen ist. Wir sollten auf die gleiche Augenhöhe kommen und die wasserwirtschaftlichen Herausforderungen in den nächsten Jahren miteinander meistern. Das halte ich für den weitaus besseren Weg.

Mir ist nicht recht klar, ob wir über Ordnungspolitik oder über Wasserwirtschaft sprechen. Dr. Stemplewski meinte, wir sprächen über Ordnungspolitik. Dazu kann ich nur sagen: Dann sprechen wir auch über Wettbewerb! Dann müssen an einer Ausschreibung alle teilnehmen dürfen. Ich habe das Gefühl, dass Sie Ihre hoheitliche Aufgabe ein bisschen verlassen und Ihr Geschäftsfeld erweitern wollen. Sie schreiben übrigens auf Ihrer Homepage, dass Sie sich am Markt positionieren wollten. Das ist in Ordnung. Ich bin überhaupt ein großer Fan der Wasserverbände. Sie erfüllen ihre hoheitlichen Aufgaben sehr gut. Die Qualität der Leistung wird nicht in Abrede gestellt, auch nicht durch die privaten Unternehmen. Bedenken haben wir aber dann, wenn sie den hoheitlichen Bereich verlassen, am Markt akquirieren und mit dem öffentlich-rechtlichen Vorteil gegen die privaten Unternehmen Marktanteile generieren. Das kennen wir von Zweckverbänden, wir kennen das Beispiel Preetz in Schleswig-Holstein, und wir wissen das vom Kanalnetz in Nordrhein-Westfalen. Wir sagen: Ihr gründet privatrechtliche Tochtergesellschaften aus, dann lasst uns miteinander in Wettbewerb treten! Lasst den Kommunen die Möglichkeit, den Marktwert ihrer Kanalnetze über eine Ausschreibung zu ermitteln! Lasst ihnen die Möglichkeit der Gebührenerhebung und der Investitionstätigkeit in den nächsten Jahren! Dann sehen wir, wer den Wettbewerb gewinnt. Das ist für die privaten Unternehmen tägliches Geschäft.

Ich halte es nicht für gut, wenn Sie die gesetzlich verankerte Aufgabe der hoheitlichen Abwasserbeseitigung konterkarieren, indem Sie massiv am Markt eingreifen, und zwar mit fadenscheinigen Begründungen. Sie alle waren bei der Anhörung im letzten August anwesend. Professor Burgi hat erklärt, dass die Kanalnetzübernahme vergaberechtlich vor der europäischen Rechtsprechung keinen Bestand habe. Wir würden nicht hier sitzen, wenn Sie sie in Hamm nicht durchgesetzt hätten - gegen das Umweltministerium.

Das bitte ich Sie zu bedenken. Ich finde es schade, dass heute noch kein Vertreter des Umweltministeriums gesprochen hat. Ein Grund für den Gesetzentwurf besteht ja darin, dass das Umweltministerium ausgekurvt wird, weil es die Kanalnetzübernahmen nicht mehr prüfen und genehmigen darf. Es muss in der Lage bleiben, solche Übernahmen zu erlauben oder zu versagen. Das war nach dem Rechtsspruch des VG Gelsenkirchen nicht mehr möglich. Deswegen ist die Behörde zunächst in Berufung gegangen. Diesen Fakt sollten wir nicht vergessen. Das Landeswassergesetz ist das zentrale Steuerungsinstrument der Landesregierung für die Wasserwirtschaft.

Jens Lattmann (Deutscher Städtetag): Herr Ortgies, ich habe nicht von einem natürlichen Zugriffsrecht der Wasserverbände gesprochen, sondern davon, dass die Abwasserwirtschaft eine hoheitliche Aufgabe betrifft und dass die Kommunen ebenso wie die Wasserverbände eine hoheitliche Aufgabe wahrnehmen. Daher besteht eine gewisse Affinität zwischen Kommunen und Wasserverbänden.