Verbraucherschutz

Wie ist das für Bürger außerhalb Nordrhein-Westfalens, die Fragen zu Vorgängen in Nordrhein Westfalen haben? Könnten Sie etwas Licht in die Sache bringen, welche konkreten Folgen unterschiedliche Landesgesetze für Verbraucherinnen und Verbraucher haben?

Beate Wagner (Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.): Uns ist natürlich klar, dass es verfassungsrechtliche Gründe gibt, durch die wir auf Länderregelungen angewiesen sind. Wir halten es allerdings für problematisch, wenn in unterschiedlichen Ländern verschiedene Regelungen getroffen werden. Ziel dieses Vorhabens ist, den Informationszugang für Verbraucher so leicht und so einfach wie möglich zu gestalten.

Wir haben die Sorge, dass mehr Fragen als Antworten auftauchen, wenn es in den einzelnen Bundesländern unterschiedliche Regelungen gibt.

Im Vorfeld wäre erst einmal zu klären, wo das Unternehmen seinen Sitz hat und welches Recht einschlägig ist. Liegt es am Sitz des jeweiligen Unternehmens, am Sitz der Behörde oder am Sitz des Verbrauchers, welches Recht einschlägig ist? Wir befürchten, dass es bereits schwierig sein wird, die entsprechenden Informationen darüber zu beschaffen, nach welchen Regelungen man überhaupt an die Informationen kommt. Insofern regen wir an, möglichst einheitliche Landesregelungen zu schaffen.

Dr. Cornelia Ziehm (Deutsche Umwelthilfe e. V.): Als Verbraucherschutz- und Umweltverband haben wir natürlich zahlreiche Erfahrungen mit dem Umweltinformationsgesetz, das es schon längere Zeit gibt, sowie mit dem Informationsfreiheitsgesetz, das es auf Bundesebene und in einigen Bundesländern gibt. Vor diesem Hintergrund möchte ich ein paar Erläuterungen machen. Selbst wir als Umwelt- und Verbraucherschutzverband müssen immer sehen, welches Recht einschlägig ist. Ich glaube, es ist für den einzelnen Bürger noch viel schwieriger, sich bei diesen Gesetzen zurechtzufinden.

Wenn man ein einfaches, transparentes Gesetz herstellen möchte, hilft es nicht, wenn man im Extremfall 17 unterschiedliche Gesetze hat. Das werden Sie den Bürgern einfach nicht verkaufen können.

Das möchte ich illustrieren. Sie wissen, dass es lange Zeit ein einheitliches Umweltinformationsgesetz gab; jetzt haben wir fast 17 Umweltinformationsgesetze: ein Bundesumweltinformationsgesetz und mehrere Länderumweltinformationsgesetze, die sehr unterschiedliche Regelungen enthalten. Möchte ich nun etwas wissen, was beispielsweise die gesamte Bundesrepublik betrifft, werde ich unter Umständen unterschiedliche Informationen erhalten. Beispielsweise werden die Ausnahmetatbestände unterschiedlich ausgestaltet. Das halte ich nicht für sinnvoll. In meiner Stellungnahme habe ich das Beispiel ITX genannt. Dabei handelt es sich um eine Chemikalie, die in Fruchtsäften aufgetaucht ist, weil sie in Pappverpackungen enthalten war. Diese Fruchtsäfte gab es natürlich in der gesamten Bundesrepublik zu kaufen. Damals sind wir an die einzelnen Bundesländer herangetreten, deren Informationspraxis sehr unterschiedlich war. Das darf einfach nicht sein, um einen gleichen inhaltlichen Standard zu gewährleisten.

Das eine sind also die Transparenz und die Handhabbarkeit für die Bürgerinnen und Bürger, für die dieses Gesetz gemacht werden soll ­ das ist jedenfalls mein Verständnis ­, und denen mit 17 Gesetzen nicht geholfen ist. Das andere ist die Frage, wie man ei nen einheitlichen Standard festschreiben kann, der wirklich notwendig ist, damit sich sowohl die positiv als auch negativ betroffenen Unternehmen darauf berufen können.

Deshalb regen wir dringend an, sich auf einheitliche Standards zu beschränken. Das Bundesverbraucherinformationsgesetz, das im Moment wieder im Bundestag und im Bundesrat liegt, gilt durchaus auch für Länderbehörden. Das muss man sich gut überlegen.

Hier geht es in Wirklichkeit darum, dass die Kommunen in die Pflicht genommen werden sollen, was ich absolut begrüße. Das kann man aber auch anders hinbekommen als durch 16 Landesgesetze; allerdings planen auch nicht alle Länder eigene Gesetze.

Ich begrüße ausdrücklich, dass die Regelungen in NRW zum Teil sogar weiter gehen als das, was der Bund vorsieht. Nur glaube ich, dass es in der Sache letztlich nicht viel weiterhilft. Daher regen wir an, sich im Bundesrat für eine grundlegende Verbesserung einzusetzen und damit mehr Transparenz, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit sicherzustellen.

Holger Ellerbrock (FDP): Unbeschadet der aufgezeigten Problematik müssen wir festhalten, dass das Gesetz auf Bundesebene gescheitert ist. Nordrhein-Westfalen ist als das bevölkerungsreichste Bundesland gerade wegen der kommunalen Verflechtungen in der Pflicht, etwas zu tun. Deshalb richtet sich meine Frage an den HDE. Es gibt viele Möglichkeiten, den Informationsbedarf der Bevölkerung zu befriedigen. Bei der Bevölkerung muss aber auch eine Informationsverarbeitung erfolgen. Nimmt man als Extremfall Beipackzettel von Arzneimitteln, erscheint sie mir nicht immer gegeben zu sein. Ein einfaches System wäre ein Qualitätssiegel, das man einführen könnte und das nur aufgrund von entsprechenden Regelungen vergeben würde, über die man sich noch unterhalten müsste. Welche Position bezieht der HDE zu einer solchen Art der Verbraucherinformation, die so einfach wie möglich und für jedermann nachvollziehbar und verständlich wäre?

Dr. Peter Achten (Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e. V.): Weil er nicht auf der Rednerliste steht, darf ich meinen Kollegen Herrn Dr. Groß vorstellen, der unser Lebensmittelrechtsexperte ist. ­ Mit Qualitätssiegeln haben wir grundsätzlich sehr gute Erfahrungen gemacht. Sie sind aber nur viel wert, wenn ihre Verbreitung in der Öffentlichkeit gewährleistet ist. Für uns ist letztlich der springende Punkt, dass es ein einfach zu überprüfendes und zu zertifizierendes Prüfsiegel sein muss. Zum anderen muss es auch breit in der Bevölkerung ankommen.

Dr. Detlef Groß (Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e. V.): Mein Name ist Detlef Groß vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels, dessen Geschäftsführer ich bin. Ich leite den Bereich Recht, Wettbewerb, Umwelt- und Verbraucherpolitik. Herr Ellerbrock, ich greife Ihre Anregung gerne auf. Dem stehen wir sehr positiv gegenüber.

Ich glaube aber, dass Sie hier eher die dritte Säule der Information und nicht die Frage ansprechen, die Frau Dr. Ziehm gestellt hat und die jetzt im Vordergrund steht. Denn der Bewertung von Frau Dr. Ziehm, die erfreulicherweise auch der Bundesverband der Verbraucherzentrale getroffen hat, stehen die Wirtschaft und der Handel insgesamt sehr nahe. Das hat Frau Dr. Ziehm sehr anschaulich beschrieben.

Herr Ellerbrock, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass Ihnen natürlich auf der Landesebene nicht freigestellt sind, etwas zu tun. Wenn ich das in einem Plädoyer zusammenfassen sollte, würde ich sagen: Auf Landesebene sind Sie von den Entwicklungen auf der Bundesebene nicht gerade unterstützt worden; aber es wäre der richtige Weg abzuwarten, was auf Bundesebene in den jetzt anstehenden Beratungen, die nun wirklich final sind ­ das hoffe ich zumindest ­, als Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet werden wird. Es wird hoffentlich eine vernünftige Grundlage sowohl für die Verbraucher- und Umweltverbände als auch für die Wirtschaftsverbände sein. Wir müssen versuchen, den gerechten Ausgleich der Interessen hinzubekommen. Diese Regelungen sollten Sie dann auf Landesebene übernehmen. Weil es natürlich die verfassungsrechtliche Spannungslage nach der Verweigerung der Unterschrift durch den Bundespräsidenten gibt, müssen Sie die Kommunen in den Anwendungsbereich des Gesetzes einbeziehen ­ das ist Ihnen alles sehr bewusst. In unserer Stellungnahme haben wir sehr deutlich gesagt: Die Frage, wann man keine Auskunft erteilen muss, aber auch die Frage, wann man einen Anspruch auf den entsprechenden Ebenen hat, sollten möglichst gleichlaufend sein.

Ich möchte noch einen Aspekt ansprechen, den Frau Dr. Ziehm nicht angesprochen hat. Sie haben natürlich auch Verantwortung für diejenigen, die das Gesetz später im Vollzug handhaben sollen. Stellen Sie sich vor, welche unglückliche Ausgangslage Sie für jemanden schaffen, der auf Landesebene möglicherweise sowohl ein Bundesgesetz als auch ein Landesgesetz mit konfligierenden Regelungen anwenden muss ­ das hat Frau Dr. Ziehm zu Recht gesagt ­, der dann im Einzelfall eine Entscheidung treffen soll.

Insofern ist das Plädoyer aller Sachverständigen, die ich bisher gehört habe, und aller Stellungnahmen, die ich zu diesem Punkt gelesen habe: Natürlich soll es ein Gesetz und eine Regelung für die Kommunen geben. Es sind nur marginale Punkte, die wir in unserer Stellungnahme sehr fein ziseliert dargestellt haben. Aber es sollte eine möglichst weit gehende Angleichung der Landesregelungen an das geben, was auf Bundesebene entschieden wird. ­ Das möchte ich als kurzes erstes Statement sagen.

Friedhelm Ortgies (CDU): Dass das Informationsgesetz auf den Weg gebracht worden ist, ist ein Ausfluss der Problematik des letzten Jahres, bei der Nordrhein-Westfalen tätig geworden ist. Darin sehe ich durchaus schon eine Vorreiterrolle für den Bund; vielleicht guckt man sich dort das eine oder andere von dem ab, was hier gemacht wird. Ich bin nicht sicher, wann die Entscheidung auf Bundesebene fällt, wenn man verschiedene Äußerungen hört.

Ich habe zunächst eine Frage an Herrn Zipfel vom Nordrhein-Westfälischen Handwerkstag, an Herrn Dr. Achten vom Einzelhandelsverband und natürlich auch an die Verbraucherzentrale: Sehen Sie durch dieses Gesetz irgendwelche negativen oder positiven Auswirkungen auf die Wirtschaft? Sehen Sie Probleme?

Ich habe auch eine Frage an die Verbraucherzentrale: Wie sehen Sie die neue Informationsflut, die auf die Verbraucher zukommen wird? Haben Sie das Gefühl, dass die Informationen von den Verbrauchern verarbeitet werden können? Denn ich stelle mir vor,