Wettbewerb

Wir fordern ausschließlich einen fairen Wettbewerb. Deswegen richte ich meine Bitte direkt an Sie: Setzen Sie sich für den Erhalt eines gesetzlichen Rahmens ein, der den kommunalen Unternehmen eine langfristige ökonomische Perspektive bietet!

Prof. Dr. Hermann Zemlin (Stadtwerke Bonn): Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wird Sie nicht wundern, dass ich mich als Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens dem, was Herr Wilmert vor mir gesagt hat, voll und ganz anschließe. Ich schließe mich aber auch dem an, was vorhin von den kommunalen Spitzenverbänden gesagt worden ist. Ich möchte, um das Zeitkontingent nicht allzu sehr zu belasten, nur noch auf zwei Punkte besonders hinweisen und dann eine kurze Anmerkung machen.

Der erste Punkt, der mir sehr wichtig ist: Viele Vorredner, insbesondere die Vertreter der Kommunalen Spitzenverbände und der Wohnungswirtschaft, also Herr Professor Sander und Herr Müller, haben ganz ausdrücklich betont, dass wir, wenn wir flexibel auf den Markt reagieren und wettbewerbsfähig bleiben wollen, innovativ sein müssen. Da reicht es eben nicht, die Kerngebiete, zum Beispiel die Energie- und Wasserversorgung, aus der verschärften Subsidiaritätsklausel herauszunehmen, sondern das muss auch für die diesen Kerngebieten nahe stehenden Dienstleistungen gelten, sonst können wir nicht innovativ reagieren. Es ist eben nicht mehr möglich, zukünftig zu sagen, wir wollen einfach Strom verkaufen; denn wir verkaufen einen Großteil unseres Stroms im Rahmen kombinierter Angebote von Energielieferung und Dienstleistung. Wenn uns diese Dienstleistung untersagt ist, weil sie nicht aus der Subsidiaritätsklausel herausgenommen ist, dann können wir nicht innovativ tätig werden und keinen Vorteil im Wettbewerb durch Innovation und durch Schnelligkeit erreichen.

Professor Sander hat es vorhin schon gesagt: Nehmen Sie bitte auch die den Kernbereichen nahe stehenden Dienstleistungen von der Anwendung der Subsidiaritätsklausel aus und sorgen Sie dafür, dass wir über unser Stadtgebiet hinausgehen können und dass wir durch den Wegfall des dringenden öffentlichen Zwecks für diese Kernbereiche auch außerhalb unseres Gebietes neue Kunden gewinnen können, weil wir natürlich durch den Wettbewerb in dem eigenen Stadtgebiet Kunden verlieren. Wenn wir nämlich keine neuen Kunden gewinnen können, aber im eigenen Stadtgebiet durch den Wettbewerb Kunden verlieren, dann kommt eben der schleichende Tod. Das kann man dann nicht verhindern. Wenn wir nicht mehr wachsen und uns nicht mehr entwickeln dürfen, werden wir immer kostenungünstiger und damit wettbewerbsunfähiger. Das hat zur Folge, dass wir aus dem Markt verschwinden. Niemand ­ auch diese Landesregierung nicht ­ kann wollen, dass gerade in der Energieversorgung eine ganz wesentliche Gruppe, die den Wettbewerb aufrechterhält, verschwindet. Das wäre der Tod auf Raten.

Damit wären die Stadtwerke aus dem Wettbewerb heraus. Herr Wilmert hat es vorhin gesagt: Dann hätten wir eine Oligopolisierung. Dann gibt es nur noch RWE, E.ON, Vattenfall und EDF, die Electricite de France, die über in Deutschland verbreitet ist.

Der zweite Punkt, auf den ich noch einmal hinweisen möchte: Sie können natürlich sagen, wir wollen die Stadtwerke kaputtmachen, sie sollen nicht mehr im Wettbewerb stehen und die Städte können ja, wenn sie wollen, ihre Stadtwerke verkaufen. Dies geht aber nur ganz begrenzt. Die Städte können ihre Stadtwerke in Deutschland nicht zu vernünftigen Preisen loswerden, weil die großen Energieversorger ­ es gibt nur zwei große deutsche Energieversorger, nämlich E.ON und RWE ­ aus kartellrechtlichen Gründen die Stadtwerke nicht kaufen können. Es ist kartellrechtlich nicht möglich, dass die Stadt Bonn den Laden an RWE oder E.ON verkauft. Das heißt, wir können nur zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Wir können unsere Stadtwerke an Stadtwerke anderer Bundesländer verkaufen. Es kann aber nicht Sinn der Übung sein, dass wir unsere Stadtwerke zumachen und in anderen Bundesländern die Stadtwerke wachsen. Das halte ich ­ vorsichtig ausgedrückt ­ für schwachsinnig. Das würde auch nur in einem gewissen Maße funktionieren, weil die meisten Stadtwerke nicht so groß sind, dass sie die nordrheinwestfälischen Stadtwerke aufkaufen könnten.

Wir können daher nur ­ das ist die zweite Möglichkeit ­ an irgendwelche ausländischen Großunternehmen verkaufen. Das aber steht in krassem Widerspruch zu dem, was die Bundesregierung gerade verfolgt. Sie hat nach Heiligendamm verkünden lassen, wir müssen darauf setzen, dass Kernbereiche der deutschen Wirtschaft nicht von Ausländern majorisiert werden. In diesem Zusammenhang ist die Energieversorgung ausdrücklich genannt worden. Es kann doch nicht angehen, durch Landesrecht dafür zu sorgen, dass die Stadtwerke kaputtgemacht werden, sodass wir sie ans Ausland verkaufen müssen. Das kann und darf nicht passieren. Insofern appelliere ich an Sie: Lassen Sie den § 107 so, wie er ist, oder tun Sie das, was Herr Wilmert vorgeschlagen hat, aber machen Sie die Stadtwerke nicht kaputt! Sie verlieren einen großen Wettbewerber und Sie vernichten kommunales Eigentum. Das muss ich ganz klar sagen.

Lassen Sie mich noch ganz kurze Bemerkungen an die Adresse von Herrn Dr. Köster machen, der mindestens zwei falsche Behauptungen in seinem Vortrag aufgestellt hat.

Erstens. Es ist eben nicht so, dass in anderen Bundesländern das Wirtschaftsrecht so scharf ist wie bei uns. Die Kombination aus dringendem öffentlichen Zweck und der verschärften Subsidiaritätsklausel gibt es in keinem Bundesland. Das ist nachprüfbar.

Zweitens. Sie haben gesagt, wir beschäftigen das Handwerk nicht seiner blauen Augen wegen. Das ist sicherlich richtig. Aber wir beschäftigen das Handwerk auch nicht deswegen, weil dort, wie Sie behauptet haben, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis zu finden ist. Wenn wir danach gehen wollten, dann müssten wir das tun, was die Großkonzerne machen, nämlich große Unternehmen aus dem Ausland holen, die natürlich sehr viel billiger sind als die kleinen Handwerksbetriebe.

(Beifall)

Wir geben unsere Aufträge an die Handwerksbetriebe, weil wir eine regionale Komponente sehen. Herr Professor Sander hat das vorhin ebenfalls gesagt. Wir sehen es nicht als unsere Aufgabe an, wie die Großunternehmen die Gewinne zu maximieren, sondern wir spüren eine regionale Verantwortung und vergeben Aufträge an das Handwerk, um die örtliche Wirtschaft zu stärken. Das will ich ganz klar sagen. Dies gilt für zwei Bereiche: Erster Bereich. Einen Großteil der Arbeiten, die wir früher selber gemacht haben, geben wir an das Handwerk. Beispielsweise hat kaum ein Stadtwerk heute noch eine eigene Tiefbautruppe. Wir vergeben alles an die Mittelständler. Wenn wir aus europarechtlichen Gründen eine Vergabe machen müssen, dann schneiden wir die Lose so, dass auch die kleineren örtlichen Betriebe und nicht nur große Unternehmen wie RWE oder E.ON ein Angebot abgeben können. Das will ich hier ganz klar sagen.

Zweiter Bereich. Wir schaffen auch völlig neue Aufgaben. Wir führen in Bonn ein sehr erfolgreiches Klein-Contracting durch. Das heißt, wir rüsten Einfamilienhäuser mit neuen Heizungen aus. Das ist eine völlig neue Aufgabe, die wir an die Innung übertragen haben. Wir bauen nicht eine einzige Heizung selbst ein; das macht alles die Innung.

Wir vergeben also nicht nur Aufgaben, die wir bisher hatten, an das Handwerk, sondern wir schaffen neue Aufgaben im Sinne von Dienstleistung, an dem wir das Handwerk beteiligen. Deswegen bin ich etwas erstaunt, dass Sie, Herr Dr. Köster ­ ich kenne Sie seit 20 Jahren; Sie haben Ihre Ansicht nie geändert ­, so vehement gegen die Stadtwerke vorgehen. Das tut mir ausgesprochen weh. Vielleicht sollten wir darauf reagieren und in Übereinstimmung mit unserer Kommune anderen Unternehmen als dem Handwerk die Aufträge geben.

(Beifall) Dr. Hermann Janning (Stadtwerke Duisburg): Herr Vorsitzender! Meine Damen und Herren! Ein früherer nordrhein-westfälischer Ministerpräsident hat einmal den Satz geprägt: Solide Politik beginnt mit der Wahrnehmung der Realität. Solide gesetzgeberische Arbeit beginnt mit der Frage ­ das hat Herr Hamacher vorhin in hervorragender Form skizziert ­, wofür und warum es ein Regelungsbedürfnis gibt. Auch die abstrakten Fälle, die hier vom Handwerk genannt worden sind, rechtfertigen nicht ansatzweise das, was man als Regelungsbedürfnis erwarten dürfte. Auch der Gesetzentwurf weist in seiner Begründung an keiner Stelle auf ein solches Regelungsbedürfnis hin. Auf die Frage, welche Fälle ganz konkret durch den gegenüber der bisherigen Praxis erweiterten Gesetzentwurf zusätzlich verhindert werden sollen, findet man keine Antwort. Auch heute habe ich darauf keine Antwort gehört.

Moderne und solide gesetzgeberische Arbeit setzt neben dem Regelungsbedürfnis noch eine qualifizierte Rechtsfolgenabschätzung voraus. Auf allen gesetzgeberischen Ebenen ­ sei es Bundes-, Europa- oder Länderebene ­ haben sich in den letzten 10 bis 15 Jahren viele Beiräte mit diesem sehr bedeutenden Thema beschäftigt. Ich spüre in der Diskussion des letzten Dreivierteljahres nicht ansatzweise, dass Landtagsfraktionen oder Ministerien bereit wären, das Thema Rechtsfolgenabschätzung seriös und unter vielen Aspekten, die hier heute angesprochen worden sind, offen zu diskutieren.

Diese Rechtsfolgenabschätzung gilt auch für den ordnungspolitischen Teil. Da kann ich nahtlos an das anknüpfen, was Herr Professor Zemlin hier genannt hat. Ich will versuchen, das ordnungspolitische Bild, das Herr Professor Zemlin dargestellt hat, zu Ende zu denken. Der hier postulierte Grundsatz Privat vor Staat oder ­ wegen der Landeshaltsordnung, die nicht darunter fallen würde ­ richtigerweise Privat vor Kommune ist mit dem Inhalt, der hier zugrunde gelegt wird, ordnungspolitisch überhaupt nicht zu rechtfertigen.

Stellen Sie sich vor, Herr Köster, man würde diesen Grundsatz umsetzen und 800 Stadtwerke ­ darunter die 230 Stadtwerke, die wir in Nordrhein-Westfalen haben ­ morgen komplett privatisieren. Sie wären wahrscheinlich nicht in Richtung Handwerk,