Fachhochschule

Ausschuss für Schule und Weiterbildung (42.)

Gemeinsame Sitzung (öffentlich) ei-ad sammennehmen kann, schon eine Grundlage gegeben ist, um eine spezifische zusätzliche Förderung sinnvoll anzugehen.

Dr. Rainer Strätz (Fachhochschule Köln, Sozialpädagogisches Institut NRW): Herr Lindner hat die rhetorische Frage gestellt, ob wir unter Bildungsgesichtspunkten mit einer Zweiteilung Kinder unter drei/Kindergartenkinder auskommen. ­ Mit dem Hinweis auf individuelle Unterschiede und dem nötigen Mut zur Lücke würde ich versuchen, mit vier Phasen auszukommen.

Das Leben eines Menschen beginnt damit, dass Förderung durch Begleitung durch Bezugspersonen geschieht, und zwar im Zeitrhythmus des Kindes. Kinder erwerben in der Phase die grundlegenden Kompetenzen, nämlich die Verknüpfung von Wahrnehmung und Bewegung einerseits mit kognitiven Mustern andererseits. Nach allem, was wir wissen, gibt es da zunächst einmal den Effekt, dass der Rhythmus des Kindes berücksichtigt werden muss. Das weiß jede Mutter/jeder Vater, dass man es aushalten muss, wenn ein Kind etwas zehn-, zwölf- oder fünfzehnmal tut, was es nach unserer Meinung eigentlich schon nach zwei Mal hätte lernen müssen. Und es geht in diesem Alter um das Lernen durch Beobachtung.

Was die Verarbeitung von Wahrnehmungen und Bewegungen zu kognitiven Strukturen angeht, scheint es Zeitfenster zu geben, die man respektieren und die man kennen muss. Etwa so ab dem sechsten Lebensmonat haben wir das zusätzliche Problem der Eingewöhnungsphase. Das heißt, dass die Bezugsperson eine Erzieherin oder eine Tagespflegeperson sein soll, die aber eine Bezugsperson noch nicht ist. Diese Eingewöhnungsphase kann dann eben sehr zeitintensiv und auch sehr personalintensiv sein.

Das ist der Grund, weshalb der Personalschlüssel gerade in Gruppen, die diese Kinder aufnehmen ­ das wäre im die Gruppenform II ­, noch einmal unter diesem Gesichtspunkt bedacht werden muss. Es gibt, weil ständig Kinder eingewöhnt werden müssen, immer wieder Kräfte, die für ein Kind in dieser Eingewöhnungsphase Bezugsperson werden wollen, es aber noch nicht sind.

Zu den vielen Vorzügen der kleinen altersgemischten Gruppe gehört übrigens, dass dort drei Kräfte sind. Wenn Sie sich vorstellen, dass eine Erzieherin mit der Eingewöhnung eines Kindes beschäftigt ist, dann hätten Sie bei der Gruppenform II den Effekt, dass die andere Erzieherin für neun Kinder zuständig ist. Das kann eine glatte Überforderung sein, gerade in dem Alter der Kinder. Das heißt, die altersgemischte Gruppe ist gerade mit Blick auf die Eingewöhnungsperson bewusst größer gewählt worden, so paradox das auf den ersten Blick klingen mag. ­ Hier geht es also um grundlegende Lernprozesse.

Dann wird das zunehmend ergänzt durch Förderung in ganzheitlichen alltäglichen Bezügen, wo Kinder lernen, ihre Erfahrungen verschiedener Art in sozialen Bezügen zu verarbeiten. Andere Kinder kommen dazu und spielen eine große Rolle. Sie lernen nicht nur durch Beobachtung, sondern auch durch Austausch, und dann kommt die Sprache hinzu. Das ist der Grund, weshalb Sprache nicht nur für den künftigen Bildungsweg eines Menschen eine Rolle spielt, sondern auch für den aktuellen. Etwa ab dem dritten Lebensjahr ­ so beschreibt es Gerd Schäfer ­ geschieht Bildung zunehmend sprach Ausschuss für Schule und Weiterbildung (42.)

Gemeinsame Sitzung (öffentlich) ei-ad lich. Die Kinder tauschen sich aus über das, was sie wahrnehmen, und über das, was sie damit verbinden.

Da haben wir zunächst einmal rein technisch das Problem, dass in der Bildungsvereinbarung Sprache einerseits als Bildungsbereich und andererseits als kindliches Selbstbildungspotenzial auftaucht, also als etwas, das Kinder auf ihre Art und Weise nutzen.

Die Herausforderung besteht nun darin, dass wir den Kindern zugestehen müssen, ihre Wahrnehmungen und Erlebnisse, Deutungen und Erfahrungen oder vermuteten Zusammenhänge zu versprachlichen, einander mitzuteilen und auszutauschen, ohne dass wir das besserwisserisch durch eine verfrühte Fokussierung auf sprachliche Korrektheit desavouieren.

Als Nächstes kommt hinzu, dass es nicht mehr nur um das Aufgreifen von Erfahrungen, sondern auch um das Aufgreifen von kindlichen Interessen und kindlicher Neugier geht, was vorwiegend sprachlich verläuft, aber immer noch auf der Grundlage von Beziehungen. Das ist das, was klassische Kindergartenpädagogik ausmacht: die Erfahrungen in der ersten Phase, aber dann auch die Interessen und Fragen der Kinder aufzugreifen.

Das hat aber nichts mit fachsystematischem Lernen zu tun, sondern es geht darum, das, was Kinder wissen wollen und für den nächsten Schritt ihrer Entwicklung auch brauchen, nutzbar zu machen.

Dann kommt zum Schluss, bei etwa fünfjährigen Kindern, etwas, was in der Kooperationsvereinbarung zwischen Kindergarten und Grundschule in Sachsen für meinen Geschmack sehr anschaulich beschrieben worden ist. Ich gebe Ihnen die hochdeutsche Fassung:

In der Zeitspanne des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule wird selbst gestaltetes und spontanes Lernen allmählich durch selbst gesteuertes und systematisches Lernen der Kinder erweitert.

Das wäre die Phase, die so etwa im sechsten Lebensjahr anfängt und am Ende der Schuleingangsphase noch längst nicht abgeschlossen ist: eine Erweiterung des spontanen Lernens durch eher systematisches und eine Erweiterung des selbst gestalteten, in die Hand genommenes Lernens durch gesteuertes, aber immer noch selbst gesteuertes Lernen. Das scheint mir diese Übergangsphase zu sein.

Prof. Dr. Rainer Dollase (Universität Bielefeld): Mein lieber Kollege Rainer Strätz hat ja schon einiges zu der Einteilung der Altersgruppen gesagt. Aber ich sage Ihnen ganz frank und frei dazu: Innerhalb der Entwicklungspsychologe ist das eine. Das heißt, sie können überall für alle möglichen Alterszusammenfassungen in diesem Bereich irgendwelche Fans finden.

Warum gibt es eigentlich die Trennung unter drei/über drei? ­ Das hing früher ganz einfach mit der Sauberkeit der Kinder zusammen. Es gab einmal eine Diskussion über die Kindergartenreife. Das heißt, wenn die Kinder alleine zur Toilette gehen können, hat man ein Problem weniger und mehr Zeit für anspruchsvolle Bildungsaufgaben. Jetzt können wir das natürlich nach unten verlängern und sehen: Wenn die Kinder anfangen zu laufen, wenn sie gehen lernen wollen ­ das wollen die natürlich auch in einer Einrich Ausschuss für Schule und Weiterbildung (42.)

Gemeinsame Sitzung (öffentlich) ei-ad tung ­, dann ist immer einer mit einem Kind beschäftigt. Hoffentlich sind nicht alle gleichzeitig in diesem Alter, sonst brauchen wir eine 1:1-Relation.

Sie können das auch noch weiter heruntertransformieren: Wenn die Kinder noch nicht krabbeln können, dann liegen sie in Mulden. Sie müssen mit denen sprechen, Bezugsperson sein, aber vor allen Dingen auch die Hosen sauber machen. Dann gibt es ganz andere Erfordernisse.

Wir können das also von den Betreuungserfordernissen her, von den Bildungs- und Selbstbildungspotenzialen, die Rainer Strätz dargestellt hat, sortieren und können das natürlich auch noch qualitativ etwas ausführen. Das heißt ­ es wurde auch schon einmal angedeutet ­: Internationale Entwicklungspsychologen sehen mir Sorge, dass bei der U3-Betreuung Teilzeitkräfte eingesetzt werden. Wissen Sie, was da eigentlich notwendig ist? Ich gebe nur weiter, was innerhalb der Entwicklungspsychologie Konsens ist: Die Betreuungspersonen müssen ein Kind zwei Jahre lang führen und stabil für das Kind da sein.

(Beifall bei den Anzuhörenden)

Deshalb freuen wir uns auch, dass im neuen ­ ich habe ein paar Interviews mit Krippenbetreuerinnen geführt ­ so viel über Tagesmütter und Tagesväter steht. Denn es kommt noch ein weiteres, erschwerendes Problem hinzu: Es gibt einige Kinder, etwa 10 %, die sich an Kollektive nicht gewöhnen. Das gab es auch schon in der DDR und hieß da Adaptationserscheinungen. Es war ein konstanter Prozentsatz. Die waren erst in der Krippe, dann im Kindergarten, und dann in der Schule ­ und immer haben dieselben Kinder sehr langwierige Anpassungsprozesse durchgemacht. Rainer Strätz hat dazu ja auch Ausführungen gemacht. Es gibt Assoziationen oder Verbindungen von Entwicklungspsychologen, die das mit der Erzieher-Kind-Relation jahrgangsweise geregelt haben. Darüber steht etwas in meiner Stellungnahme. Das gibt es mittlerweile auch auf europäischer Ebene.

Insgesamt kann man sagen, dass beim für Kinder unter drei der Durchschnitt bei 1:5 liegt. Aber Sie müssen bei den Kleinen natürlich 1:3 rechnen und bei den Größeren zum Beispiel mit 1:6.

Wo wir viel zu große Gruppen haben, ist bei den Kindern über drei, wenn man es international vergleicht. Im letzten OECD-Vergleich war Deutschland mit einer Gruppengröße von 25 pro ausgebildeter Erzieherin ­ zusammen mit einem anderen Staat ­ Schlusslicht. Woher kommt das? Die Zweitkräfte oder Ergänzungskräfte zählen bei der internationalen Statistik nicht mit. Wenn wir zwei Kräfte für 25 Kinder rechnen, wären es jeweils 12 1/2 Kinder, und das wäre ja eigentlich in Ordnung. Deswegen könnte man, um die Relation für internationale Statistiken zu verbessern, natürlich darüber nachdenken, auch die Zweitkräfte zu qualifizieren. Das ist aber nur eine Randbemerkung.

Untersucht hat dieses Thema die Tennessee-Studie. Sie hat herausgefunden, dass es, wenn im letzten Kindergartenjahr und in den ersten beiden Schuljahren Kinder in kleinen Gruppen unterrichtet werden, noch nach neun Jahren noch einen Vorsprung von etwa 10 % bringt. Das heißt, im letzten Kindergartenjahr und in den ersten beiden Schuljahren wären kleine Gruppen von 15 Kindern ­ 13 wären noch besser ­ erwiesenermaßen günstig.