Nachhaltigkeit

Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich mich für die Einladung zu dieser Anhörung bedanken und noch einmal betonen, dass Ziel aller Anstrengungen eine geschlechtergerechte Berufsorientierung sein sollte, die junge Frauen und Männer dazu befähigt, unabhängig von ihrem Geschlecht die Berufe zu ergreifen, die ihren individuellen Interessen und Fähigkeiten entsprechen.

Dr. Sirikit Krone (Universität Duisburg-Essen, Institut Arbeit und Qualifikation):

Einen schönen guten Morgen! Ich komme aus dem Institut Arbeit und Qualifikation. Wir machen Arbeitsmarkt- und Bildungsforschung und haben uns auch in mehreren Projekten mit der Berufsorientierung, dem Übergang Schule­Beruf und ähnlichen Themen beschäftigt. - Ich möchte in meinem Statement zwei Bereiche benennen, die eine besondere Relevanz haben, wenn es darum geht, den Frauenanteil in Berufen mit Zukunft spürbar zu erhöhen.

Erstes Stichwort: Schule. Schule kommt bei der Förderung von Mädchen und Jungen im Prozess ihrer Berufswahl in eine neue, geschlechterunabhängige Richtung eine entscheidende Rolle zu. Schule ist ein zentraler Akteur. Schule ist zentraler Ansprechpartner für Eltern, für potenzielle Ausbildungsbetriebe sowie für Berufsberaterinnen aus den Verbänden und aus der Agentur für Arbeit. Sie ist auch die Institution, die an alle Kinder und Jugendlichen drankommt, weil sie alle in der Schule sind. Hier hat sich in den letzten Jahren - auch modellhaft - sehr viel entwickelt. Was fehlt, sind Strukturen, die die Erfolge auch festigen können und eine gewisse Nachhaltigkeit ermöglichen, also verlässliche Rahmenbedingungen und eine verlässliche Finanzierung, damit man nicht immer wieder in diesen Modellen stecken bleibt und das Rad im Zweifelsfall für neues Geld immer wieder neu erfinden muss.

Im Zusammenhang mit dem Stichwort Schule möchte ich auch einen Vorschlag aus der Stellungnahme des VDI aufgreifen, den ich ganz spannend finde. Dort wird die Einführung von Technikunterricht explizit genannt, und zwar für alle Schulformen. Es soll also bereits in der Grundschule ein Fach Technik geben, damit die Kinder und Jugendlichen in der Folge ganz selbstverständlich mit dieser Thematik umgehen, weil sie sie seit Jahren kennen, und dann vielleicht auch ganz selbstverständlich auf technische Berufe zugehen.

Zweites Stichwort: Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dieses Stichwort wird in fast allen Stellungnahmen, die uns heute vorliegen, mehr oder weniger pointiert benannt. Gerade auch bei technisch-naturwissenschaftlichen Berufen mit guten Verdienst- und Zukunftschancen halte ich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf für eine zentrale Voraussetzung dafür, dass diese Berufe für junge Frauen attraktiv werden und dass diese sich zutrauen, in diesen Berufen zunächst eine Ausbildung zu absolvieren, weil sie dann mittelfristig dort beruflich tätig sein und langfristig gegebenenfalls Karriere machen können, ohne auf den Kinderwunsch verzichten zu müssen.

Der Weg hin zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf beinhaltet zwei Komponenten.

Zum einen ist eine familienbewusste Personalpolitik in den Unternehmen notwendig.

Die entsprechenden Stichworte - flexible Arbeitszeiten, Teilzeit auch in Führungspositionen usw. - sind bekannt. Das muss mit einer Politik gekoppelt sein, die sowohl eine geschlechtergerechte Verteilung der Familienarbeit unterstützt als auch die öffentliche

Kindererziehung optimiert. - Das sind zwei politische Felder, in denen zurzeit zwar einiges auf dem Weg ist, in denen wir aber noch lange nicht am Ziel sind.

Karin Ressel (Technikzentrum Minden­Lübbecke): Das Technikzentrum hat in der Arbeit mit rund 190.000 Jugendlichen festgestellt, dass 90 % der Jugendlichen keinerlei Ahnung haben, was sich hinter Berufen und Berufsbezeichnungen verbirgt. Wir haben festgestellt, dass Jugendlichen grundlegendes Erfahrungswissen aus Berufen fehlt, dass Jugendliche mit vielen Prospekten zugeworfen werden und dass die Praxis in der Regel fehlt. Aus der Forschung wissen wir, dass alle haptischen Erlebnisse, die Menschen erfahren, zu 90 % haften bleiben.

Aus dieser Erfahrung heraus haben wir ein System geschaffen, das sich Berufsparcours nennt. In diesem Rahmen bringen wir Jugendliche der Klassen 8 bis 10 mit Unternehmen zusammen. Langfristig ist unser Ziel, dass Jugendliche die Chance haben, jedes der 50 Berufsfelder, in die die Berufe zukünftig wahrscheinlich eingruppiert werden, persönlich praktisch zu erleben, um anschließend die Chance zu haben, das richtige Praktikum oder die richtige Ausbildung zu wählen.

Die Betriebe sind absolut aufgeschlossen, bei dieser Art der Findung von Ausbildungsund Praktikumsplätzen mitzumachen. Das zeigt die Zahl von 2.500 Betrieben. Im Übrigen gibt es eine interessante Erfahrung aus Niedersachsen. Dort hatte VW die Auflage, eine bestimmte Quote von Mädchen einzustellen. Diese Mädchen kamen aber nie.

Nach diesen Berufsparcours ist es VW jetzt gelungen, die Mädchenquote zu erfüllen.

Das zeigt, dass es sehr wohl Möglichkeiten gibt, Mädchen zu erreichen. Bei dem praktischen Tun in den Parcours entdecken Mädchen plötzlich, dass sie einen Beruf besonders spannend finden, den sie vorher noch nie erlebt haben, und sehen auf der anderen Seite auch, dass der Beruf Bürokauffrau etwas mit Papier und Ausfüllen zu tun hat und ihnen eigentlich gar nicht liegt.

Aufgrund dieser Erfahrungen sind wir dazu übergegangen, auch geschlechtsspezifische Trainingsprodukte zu entwickeln, die auch in Kindergärten, Grundschulen oder weiterführenden Schulen eingesetzt werden können. Ich könnte darauf hinweisen, dass so etwas eine Zukunft haben sollte - vielleicht auch zusammen mit der Initiative Sachen machen. Jedenfalls geht es darum, den Jugendlichen insgesamt und speziell den Mädchen die Chance zu geben, etwas Praktisches auszuprobieren.

Zur Quote: Fachfrauen haben sich unterhalten. Wir haben festgestellt, dass zehn von 100 Mädchen wirklich technikinteressiert sind. Sie wissen auch, dass sie entsprechend begabt sind, und brauchen nur eine geringe Hilfestellung, um den richtigen Weg zu finden. Das sind die Vorzeigefrauen, die wir überall finden und kennen. Außerdem haben wir 20 % latent begabte Mädchen. Sie wissen es nicht. Ihnen muss der Rücken gestärkt werden. Sie müssen die Information haben, dass ein fehlendes WC kein Hinderungsgrund ist, weil es diese Regelung gar nicht mehr gibt. Ihnen muss gesagt werden, dass sie gut sind, dass sie tough sind, dass sie das schon hinkriegen würden.

Insgesamt läuft es darauf hinaus, dass wir an drei Themen arbeiten sollten. Erstens müssen wir das Klima verändern. Zweitens ist ein Training durchzuführen, bei dem es darum geht: Was ist eine gute geschlechtsspezifische Elektro-Abisolierzange? - Drittens sollten wir den Mädchen den Rücken stärken, indem wir ihnen sagen, dass sie gut sind, ihnen also eine Krone aufsetzen.

In diesem Zusammenhang ist meine Idee, dass Fachfrauen zu sehen und zu erkennen sind. Vielleicht könnten wir das mit einer Kampagne am 8. März oder am Girls Day verbinden. In diesem Rahmen sollten sich alle Fachfrauen, die es gibt, also alle Ingenieurinnen, einmal zu erkennen geben - zum Beispiel durch ein Hemd mit der Aufschrift Technik ist Frauensache, wie ich es heute trage, oder durch eine andere Aktion, mit der sie in der Öffentlichkeit auffallen.

Dr. Eva Kronenwett-Löhrlein (Bundesagentur für Arbeit, Regionaldirektion NRW): Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich würde mit meinem Beitrag gerne zunächst einen ähnlichen Akzent setzen wie schon Frau Dorsch-Schweizer vom BIBB, indem ich den Titel Ihrer heutigen Veranstaltung leicht variiere. Wir könnten auch Junge Frauen in Berufen mit Zukunft sagen; denn junge Frauen sind auf den Feldern mit Zukunft schon da. Wenn wir über die Technik reden, sprechen wir über einen wichtigen, aber begrenzten Bereich. Es gibt viele andere Bereiche, die zukunftsfähig sind.

Vor dem Hintergrund der großen, stabilen, langfristigen Trends kann man insgesamt sagen, dass Frauen gar nicht so schlecht aufgestellt sind. Das galt beispielsweise in der Beschäftigungsentwicklung übrigens auch schon für die letzten 20 bis 30 Jahre. Wir haben diese Trends in unserer Stellungnahme noch einmal beschrieben. Das brauche ich nicht mehr zu wiederholen. Ich nenne nur den verschiedentlich schon angesprochenen Trend zur Wissensgesellschaft.

Die Berufsstrukturen der Frauen sind vor diesem Hintergrund also gar nicht schlecht.

Das gilt für das duale System. Wenn ich mir zum Beispiel den großen Block an Ausbildungen im Kaufleutebereich anschaue, kann ich nur sagen: Das passt zu einer Entwicklung in der Dienstleistungsgesellschaft - mit allen Problemen, die einzelne Berufe haben. Das gilt auch für den großen Bereich der Berufe im Gesundheitswesen. Frau Dorsch-Schweizer hat zu Recht darauf hingewiesen, dass damit natürlich auch Probleme verbunden sind. Grundsätzlich handelt es sich dort aber um einen Bereich mit Zukunft. Für viele andere Aufgaben gilt das ebenfalls.

Frau van Dinther hat das Stichwort Polizei genannt. Für mich ist es wirklich frappierend, wie dort innerhalb von ganz wenigen Jahren ein Männerberuf im Prinzip umgedreht worden ist. Man sollte vielleicht einmal genauer untersuchen, wie das passiert ist. Nicht vergessen sollten wir auch, dass es gerade im akademischen Bereich eine starke Positionierung der Frauen gibt. Seit Jahren liegt der Anteil von Frauen an der Zahl der Studienanfänger bei mittlerweile knapp 50 %. All dies passt zu dem Trend der Höherqualifizierung. Das haben wir mit dem unserer Stellungnahme beigefügten Schaubild unseres Forschungsinstitutes aus Nürnberg ja noch einmal verdeutlichen wollen.

In Bezug auf die Frage, wohin die Richtung der beruflichen Entwicklung geht und wo in Zukunft wirklich Mangel bestehen wird, sind die seriösen und klaren Aussagen relativ breit angelegt. Sie lauten - darauf hat sich unser Institut aus Nürnberg schon mehrfach festgelegt -, dass es einen verbreiteten Akademikermangel geben wird.