Ausbildung

Andreas Meyer-Lauber (GEW NRW, Essen): Ich kann mich dem durchaus anschließen. Vielleicht sollte man die Frage umgekehrt stellen und fragen: Welche Kompetenzen brauchen Schulen denn in der Beratung und Weiterhilfe nach der Inspektion? Und wie kommt man an sie heran? ­ Ob das Ganze dann privat oder öffentlich stattfindet, ist eigentlich eine nebensächliche Frage. Im Moment liegt die Hauptschwierigkeit darin, überhaupt solche qualifizierten Personen zu finden. Teilweise sind sie im Hochschulbereich zu finden, teilweise auch im Bereich der Schulverwaltung ­ das muss man deutlich sagen ­, teilweise in anderen Bundesländern und teilweise ­ was dann zu teuer wird ­ transatlantisch. Insofern ist das größte Problem, überhaupt solche Kompetenzen einkaufen zu können ­ egal auf welchem Weg.

Wir würden uns wünschen, dass im Kontext der Modernisierung der Lehrerausbildung auch die Forschung über Schulen und Schulentwicklung an den Hochschulen so ausgebaut wird ­ so verstehe ich Ihren Vorschlag auch ­, dass dort selbst mehr Kompetenz geschaffen wird. Von dort aus könnte dann vielleicht auch ein Schub in Sachen Entwicklungsberatung auf wissenschaftlicher Basis entstehen.

Drs. Paul Dovermann (Inspectie van het Onderwijs, Eindhoven): Ich möchte zwei Bemerkungen machen. Erstens. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass wir aus einem ganz anderen Konzept heraus arbeiten und ich mich manchmal sehr wundere, wenn ich höre, wie Leute sprechen, oder sehe, wie sie sich untereinander verhalten.

Entschuldigen Sie, dass ich das einmal anspreche. Zum Beispiel frage ich mich: Wer ist besser imstande, die Kompetenzen der Lehrer zu beurteilen, als der Schulleiter selbst? Soll da jemand von außen kommen und das ihm vorschlagen? ­ Ich glaube nicht.

Meines Erachtens hat jeder Lehrer ein Anrecht darauf, im Hinblick auf seine eigenen Kompetenzen, die in der Schule, in der er arbeitet, notwendig sind, alljährlich vom Schulleiter beurteilt zu werden ­ und nicht nur vom Schulleiter, sondern auch von seinen Kollegen und von den Schülern. 360-Grad-Feedback heißt das. Jeder Lehrer hat ein Anrecht darauf, sich von zwei oder drei Klassen beurteilen zu lassen, bevor er ein Begleitungsgespräch mit dem Schulleiter hat. Dieses Gespräch und die vorausgegangene Beurteilung durch die Schüler und seine Kollegen führen zum Ausfüllen seines persönlichen Entwicklungsplans. Dann weiß man als Schulleiter doch ganz genau, wie die Hasen laufen. Oder?

Zweitens. Vor dem Hintergrund, dass die Lehrer in Nordrhein-Westfalen verbeamtet sind, habe ich mich auch gefragt ­ Sie entschuldigen diese Bemerkung ­: Wie funktionieren die Kompetenzentwicklung und die Fortbildung bei den Beamten in NRW im Allgemeinen? Wie werden sie überhaupt fortgebildet? ­ Für die Beamten in diesem Haus gilt das doch sicherlich in gleicher Weise.

Ich als Inspektor werde von Kollegen während einer schulischen Evaluation beurteilt.

Kollegen gehen mit mir auf Schulbesuch und beurteilen mich. Mein Chef bekommt diese Beurteilung. Mein Chef geht auch einmal mit auf Schulbesuch. Außerdem wird jede Schule nach der schulischen Evaluation befragt, wie ich diese Schulevaluation vorgenommen habe. In diesem Zusammenhang werden auch Noten vergeben. Das alles wird in Utrecht in einem großen Computer verarbeitet. Alle meine Arbeit in der Schule wird auf einem Blatt Papier in Prozentsätzen festgehalten. Dieses Papier gehört mit zu dem Gespräch, das mein Chef mit mir führt und bei dem es darum geht, wie ich mich als Inspektor entwickle und wo Nachholbedarf besteht.

Darauf habe ich ein Anrecht. Ich freue mich, dass mein Chef sich so für mich interessiert. Nur so bin ich in der Lage, mich fortzubilden und meinen Ambitionen und meinem Ehrgeiz auch einen Platz zu geben.

Vorsitzender Wolfgang Große Brömer: Danke schön. ­ Wir sollten jetzt nicht noch den Beamtenstatus diskutieren. (Drs. Paul Dovermann [Inspectie van het Onderwijs, Eindhoven]: Es war auch nicht gut, dass ich das angesprochen habe! Das war ein wenig vorlaut!)

­ Es ist immer gut, wenn auch dazu Denkanstöße gegeben werden, Herr Drs. Dovermann. Aber das kriegen wir heute nicht ausdiskutiert, glaube ich. ­ Gibt es noch Fragen an die Sachverständigen? ­ Ein Statement noch. Herr Prof. Hansis, bitte.

Prof. Dr. Hermann Hansis (Alfred-Müller-Armack-Berufskolleg, Köln): Weil danach nicht gefragt worden ist, würde ich gerne noch zwei Dinge ansprechen. Erstens. Wie ich in meinem Einführungsstatement schon zum Ausdruck gebracht habe, neige ich persönlich dazu, die Ankündigungen der Qualitätsanalyse nicht zum Anlass für außerordentliche Aktivitäten zu nehmen, soweit das geht. Ich will nicht ausschließen, dass man dadurch angeregt werden kann. Die Frage ist aber natürlich auch, wie die Schulleitung selbst damit umgeht. An dieser Stelle neige ich eher dazu, die Dinge herunterzufahren. Wenn ich die Verordnung unter diesem Gesichtspunkt lese, stören mich zwei Vorgaben darin.

Zum Ersten heißt es dort: In der Regel sollen während der Unterrichtsbesuche keine Klassenarbeiten geschrieben und keine schulischen oder außerschulischen Veranstaltungen durchgeführt werden.

Dass keine schulischen Veranstaltungen durchgeführt werden sollen, ist sowieso merkwürdig. Ich halte aber grundsätzlich jede Besonderheit anlässlich der Inspektion für nicht unbedingt hilfreich. Wenn Klassenarbeiten anstehen, stehen sie an; dann sollte nicht irgendetwas gedreht und geschoben werden. So etwas müsste eigentlich zulässig sein. Ich bitte wirklich darum, zu überprüfen, ob das so sein muss.

Zum Zweiten steht in der Verordnung: Schulleiterinnen und Schulleiter werden nicht im Unterricht besucht.

Auch das finde ich nicht in Ordnung. Ich wüsste nicht, was dazu Anlass geben sollte, Schulleitungen herauszunehmen. Warum soll ich mich nicht derselben Zufallsauswahl stellen? Ich finde das sogar fast diskriminierend, um es einmal so herum aus zudrücken. Was der Anlass dafür war, weiß ich nicht. Ich weise einfach einmal darauf hin, weil dieser Punkt hier nicht angesprochen worden ist.

(Zuruf: Auch Schulleitungen haben ein Recht auf ein 360-Grad-Feedback!)

­ Wenn Sie so wollen; klar.

Zweitens. In der Einladung haben Sie sich auch nach der wissenschaftlichen Begleitung erkundigt. Danach ist jetzt nicht mehr gefragt worden. Deswegen möchte ich gerne Folgendes zu Protokoll geben: Ich hielte eine wissenschaftliche Begleitung für hilfreich ­ insbesondere unter der Fragestellung, ob sich das, was an Prozessbeobachtung stattfindet ­ was ja im Hinblick auf die Ergebnisse in starkem Maße Hoffnungscharakter trägt ­, denn auch in durch die wissenschaftliche Begleitung vielleicht ermittelbaren Ergebnissen widerspiegelt.

Eingangs habe ich ja angedeutet, dass es nach meinem Dafürhalten in gewisser Weise eine Schieflage gibt. Wir haben mehr eine Prozessorientierung als eine Ergebnisorientierung ­ was sicher zum Teil der Not geschuldet ist, dass wir viele Ergebnisse nicht so formulieren können, wie sie eigentlich formuliert werden müssten, um sie dann auch überprüfbar zu machen. Das kann aber nicht der Endzustand der Qualitätsanalyse sein. Letztendlich ist für die Qualität von Schule entscheidend, was am Ende herauskommt, und nicht, wie die Prozesse waren.

Solange das ­ warum auch immer ­ so ist, solange die Prozessqualitäten also stärker im Blickpunkt stehen als die Ergebnisqualität, wäre es aber hilfreich, wenn im Wege wissenschaftlicher Begleitung überprüft werden könnte, ob es denn einen einigermaßen brauchbaren inneren Zusammenhang zwischen Prozess- und Ergebnisqualitäten gibt.

Die jetzige Regelung wird mit dem Hinweis begründet, Hilbert Meyer habe sämtliche wissenschaftlichen Untersuchungen dazu ausgewertet. Er räumt aber auch ein, dass vieles davon einfach didaktische Norm und didaktische Plausibilität ist. Ein Großteil der Untersuchungen, die er zitiert, ist auch nur für einzelne Spezialgebiete treffsicher.

Man kann also mit Sicherheit nicht sagen, dass diese zehn Kriterien guten Unterrichtes eine hinreichende Prognosefähigkeit im Hinblick auf Ergebnisse haben.

Deswegen lautet meine Bitte: wenn wissenschaftliche Begleitung, dann vielleicht mit dieser spezifischen Fragestellung, um auch stärker in eine Ergebnisorientierung hineinzukommen.

Vorsitzender Wolfgang Große Brömer: Danke schön. ­ Alle Ihre Ausführungen sind natürlich zu Protokoll genommen worden. Das Protokoll wird auch schnellstmöglich zur Verfügung gestellt.

Meine Damen und Herren, mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich möchte mich bei allen Sachverständigen recht herzlich bedanken. Heute sind sehr umfangreiche und ganz wesentliche Anregungen für die weitere politische Begleitung der Qualitätsanalyse formuliert worden. Diese Anhörung war aus meiner Sicht sehr anregend. Noch einmal herzlichen Dank!

(Beifall)

Ich wünsche Ihnen allen noch einen schönen restlichen Nachmittag und einen guten Abend. ­ Die Sitzung ist geschlossen.