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Das muss sich durch die Mitgliedschaft in der Kammer widerspiegeln. Wir bitten darum, die Monomitgliedschaft für die Ärztinnen und Ärzte im nächsten Schritt gesetzlich zu verankern. Für die anderen Gesundheitsberufe ist das nicht erforderlich. Wir sehen aber auch, dass das angesichts der Zeitschiene zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie nicht mehr in einem Schnellverfahren möglich sein wird. Deshalb möchte ich die Monomitgliedschaft heute nur als einen Wunsch für das nächste Jahr ansprechen.

Dr. Anne Bunte (Ärztekammer Westfalen-Lippe, Arbeitsgruppe Kindergesundheit): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir beziehen uns ausschließlich auf Art. 1 des Gesetzentwurfs und hier auf § 32a des Heilberufsgesetzes zur Meldepflicht der Ärzte. Aus welcher Gruppe komme ich? Herr Dr. Schwarzenau hat die Kammer an sich bereits beschrieben. Ich vertrete eine Arbeitsgruppe, die sich aus den Praktikern zusammensetzt, nämlich aus Kinderärzten in den Kliniken und in der Praxis, aus Ärzten aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst und aus Hausärzten, die bei uns in vielen ländlichen Regionen die Kindervorsorgeuntersuchungen durchführen. Wir haben also praktische Erfahrung.

Wir gehören zur Gruppe der Bedenkenträger. Nach dem Gesetzentwurf soll im Heilberufsgesetz festgelegt werden, dass Ärztinnen und Ärzte die Kinder melden sollen.

Das Heilberufsgesetz unterscheidet sich substanziell von denen im bezüglich der Geburtenzahlen kleinen Saarland und im Stadtstaat Bremen. Die Dimension hier ist eine ganz andere. Der Datenumfang ist nicht festgelegt. Deshalb haben wir uns mit diesem Punkt noch einmal sehr intensiv beschäftigt.

Wie meine Vorredner kann ich für unsere Arbeitsgruppe nur deutlich sagen, dass wir das Handlungskonzept mit den 15 Maßnahmen für einen besseren und wirksameren Kinderschutz in Nordrhein-Westfalen sehr begrüßen. Aber bei einzelnen Maßnahmen sind wir doch etwas nachdenklich geworden. Wir haben uns die Frage gestellt, ob durch eine Meldepflicht der durchgeführten Früherkennungsuntersuchung wirklich das Ziel eines besseren und wirksameren Kinderschutzes erreicht wird. Welchen Aufwand muss man betreiben, um die 5 % der Kinder zu erreichen, die zum Beispiel an den Untersuchungen U5 bis U7 nicht teilnehmen? Im Rahmen der gibt es dazu Zahlen des Landesmoduls Schleswig-Holstein, in dem differenziert aufgelistet wird, wie viele Kinder regelmäßig, teilweise oder eben auch gar nicht teilgenommen haben. Wir stellen uns die Frage, ob es sich bei der Erfassung eines so hohen Anteils derjenigen Kinder, die teilgenommen haben, um diejenigen Kinder herauszufiltern, die daran nicht teilgenommen haben, wirklich um Bürokratieabbau handelt.

Ich habe das Heft zur Früherkennungsuntersuchung mitgebracht, um noch einmal sehr deutlich zu machen, dass wir über die Früherkennungsuntersuchung sprechen.

Dort steht: Zweck dieser Untersuchung ist die Früherkennung von Krankheiten, die die normale körperliche und geistige Entwicklung Ihres Kindes in nicht geringfügigem Maße gefährden. Früherkennung ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

Ich habe ein ganz normales Heft dabei, wie Herr Dr. Romberg es eben nannte, als er seine Erfahrungen mit dem Elterngeld beschrieb. Was wird denn von den Eltern erfragt? Es geht um Krampfanfälle und Miktionsstörungen. Erhobene Befunde sind: Körpermaße, die Haut, Brustorgane und Bauchorgane. Schon stellt sich die Frage, die eben auch schon angesprochen worden ist, ob eine solche Früherkennungsuntersuchung wirklich geeignet ist, herauszufinden, ob ein Kind in seiner Familie nicht richtig behandelt wird.

Gerade im September ist die Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses erschienen. Darin schreibt er sehr klar, dass sich durch Tests im Rahmen von Vorsorgeuntersuchungen drohende Kindesmisshandlungen nicht verhindern oder aufdecken lassen. ­ Wir sind Praktiker. Als wir uns zusammengesetzt haben, haben wir aus unserer praktischen Erfahrung heraus in dem Schreiben, das wir unter anderem Ihnen, Herr Vorsitzender, zugeleitet haben, Folgendes formuliert: Missbrauch und Gewalt sind mittlerweile in vielen Fällen so subtil geworden, dass sie noch nicht einmal während der Früherkennungsuntersuchung auffallen.

Diejenigen, die es bei ihren eigenen Kindern oder bei ihren Enkelkindern erleben, wissen, dass es immer eine Zeitspanne gibt, in der man ein Kind sehr gezielt zu einer Früherkennungsuntersuchung mitnehmen kann. Wo werden denn die meisten Fälle von Misshandlungen festgestellt? Das geschieht nicht bei der Früherkennungsuntersuchung, sondern bei Notfällen. Diese Erfahrung hat unsere Arbeitsgruppe, die sich aus dem breiten Spektrum derjenigen zusammensetzt, die sich um die Kindergesundheit kümmern, gemacht.

Mit der Meldepflicht der Ärzte ist etwas Gutes intendiert; das ist unstrittig. Aber was bedeutet es in der Umsetzung? Was ist mit der ärztlichen Schweigepflicht? Sie ist die Grundlage für ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis. Momentan erleben wir auf verschiedenen Ebenen, dass es infrage gestellt wird. Wie soll der Arzt den Eltern, die mit ihrem Kind an Früherkennungsuntersuchungen teilgenommen haben, erklären, dass ihre Daten in einem Umfang weitergeleitet werden, der durch Rechtsverordnung geregelt werden soll? Denn in diesem Moment können die Ärzte ihn nicht einmal benennen. Bei diesen Dingen ist vieles noch offen.

Was ist mit Befunden, wie Herr Dr. Schwarzenau sie angesprochen hat? Finden sich Hinweise auf eine Vernachlässigung bzw. auf Kindesmisshandlung, wird der Arzt immer eine Güter- und Interessenabwägung durchführen. Aus ihrer Erfahrung haben die Kollegen im Notdienst Netze aufgebaut. Dass die Ärztekammern an diesem Punkt aktiv sind, sieht man daran, dass sie verschiedene Infoblätter für diejenigen Kollegen herausgeben, die verunsichert sind, weil sie nicht ständig damit zu tun haben. Im Gesundheitsamt ist das das tägliche Brot, in der einzelnen Praxis aber nicht.

Diesen Punkt gehen wir sehr aktiv an. Auch durch Qualifikationen und Fortbildungen kann man sehr viel erreichen.

Die Kammerversammlung der Ärztekammer Westfalen-Lippe hat sich ebenso wie der Deutsche Ärztetag gegen die Meldepflicht der Ärzte ausgesprochen. Gerade bei dem Ziel, einen optimalen Kinderschutz zu erreichen, sollte die als 15. Maßnahme in Ihrem Handlungskonzept genannte Studie zum Kindesschutz abgewartet werden, in der es vor allem um die Forschung zu familiären Risiken bei Kindesmisshandlung geht. Denn es gibt ein hohes Engagement aller beteiligten Ärzte. Die Kinder- und Hausärzte haben zum Teil ein sogenanntes Recall-System. Mit dem Einverständnis der Eltern bestellen sie die Kinder ganz bewusst wieder ein. Dabei rufen sie zuvor noch einmal an, weil eine Vorsorgeuntersuchung durchaus eine Viertelstunde bis halbe Stunde in Anspruch nimmt und sie natürlich für die Praxis erreichen möchten, dass die Kinder tatsächlich kommen.

Auf der anderen Seite steht eine unzureichende bzw. fehlende Nutzung dieser Maßnahme. In Schleswig-Holstein sind es 16 %. Wir kennen die sozialen Gründe: Viele Eltern haben einen niedrigen sozialen Status; das zeigen die Daten aus Schleswig Holstein sehr schön. Ein weiterer Punkt ist der Migrationshintergrund, der bereits angesprochen worden ist. Diese Familien werden aber auch durch die geplante Maßnahme ­ sprich: durch ein Anschreiben ­ schlecht erreicht. Gerade Gesundheitsämter und Kinderkliniken haben viel Erfahrung damit, wie oft Briefe zurückkommen, weil die Eltern umgezogen sind. Gerade in diesem Bereich gibt es eine hohe Fluktuation.

Wenn Sie Daten haben wollen, verweise ich Sie auf Zahlen aus den Reihenuntersuchungen der Zahnärzte: Obwohl die Kinder einen Zettel mitbekommen und obwohl die Eltern angeschrieben werden, stellen die Zahnärzte bei der nächsten Untersuchung im folgenden Jahr fest, dass bei einem nicht unerheblichen Prozentsatz der Kinder ­ bis zu einem Drittel ­, die sie dann wiedersehen, nichts passiert ist. Hierzu kann ich natürlich nur Einzeldaten nennen, weil keine landesweiten Daten vorliegen.

Deshalb äußere ich noch einmal die große Bitte aus dem Arbeitskreis: Statt diese nicht unerheblichen Mittel in den Ausbau des Meldewesens zu investieren, sollten sie in die Aufsuchendenhilfen gesteckt werden. Viele Frühwarnsysteme arbeiten zurzeit ehrenamtlich. Jeder von uns weiß, dass ehrenamtliches Engagement begrenzt ist.

Es ist sicherlich ein sehr guter Schritt, aber es kann nicht systematisch und langfristig wirken. Wir sehen es anders, als es Herr Dr. Fischbach beschrieben hat: Eltern können durchaus motiviert werden, mit ihren Kindern an Früherkennungsuntersuchungen teilzunehmen. Wir wissen, dass Bonussysteme dabei einen sehr guten Effekt haben. Das beschreiben auch die Krankenkassen selber. Als Ärzte stehen wir selten im Einvernehmen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen, aber an dieser Stelle machen wir die gleiche Erfahrung.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Sie haben eben von einem Schreiben gesprochen, das Sie mir geschickt haben. Ich war davon ausgegangen, dass Sie noch eine Stellungnahme abgeben. Dieses Schreiben werde ich nun aber als Zuschrift in die Beratung einführen.

Monika Konitzer (Psychotherapeutenkammer NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehe davon aus, dass Sie Verständnis dafür haben, dass ich mich in meiner mündlichen Stellungnahme ausschließlich auf die geplante Änderung des Namens der Psychotherapeutenkammer beziehe.

Wir alle wissen aus unserem eigenen Leben, welche Bedeutung der Name hat, mit dem man aufgewachsen ist. Diejenigen von Ihnen, die verheiratet sind oder waren,