Unfallversicherung

Vorsitzender Günter Garbrecht: Kneipe als Sozialraum, das ist eine neue Begrifflichkeit ­ eine interessante Variante, muss ich gestehen.

Dr. Hubert Koch (Verband zertifizierter Nichtraucherschutzsysteme e. V.): Die in unserem Verband zusammengeschlossenen Unternehmen bauen Anlagen, mit denen Schadstoffe aus der Luft gefiltert werden können, und sind insbesondere im Arbeitsstättenbereich tätig. Diese Unternehmen haben etliche Anstrengungen unternommen, auch Anlagen zum technischen Nichtraucherschutz zu konstruieren. Mit Frau Dr. Pötschke-Langer bin ich darüber seit Längerem im Gespräch. Wir haben neue Anlagen zu präsentieren, die absoluten Schutz vor Passivrauchen gewährleisten.

Insofern befürworten wir erstens die Regelung in § 3 Abs. 2 des Gesetzentwurfes zu den Raucherräumen, bitten aber darum, dort ergänzend die Raucherkabinen gleichgewichtig mit den Raucherräumen zu verankern.

Zweitens begrüßen wir die Innovationsklausel im Gesetzentwurf ausdrücklich. Frau Dr. Pötschke-Langer und ich haben in der letzten Woche an einem Symposium der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gaststätten teilgenommen, bei dem neue technische Anlagen vorgestellt worden sind. Bitte belassen Sie diese Klausel im Gesetz, um die Nutzung von Innovationen in Zukunft auch möglich zu machen.

Lassen Sie mich ein Beispiel aus dem Kraftfahrzeugsektor nennen. Als man erkannt hat, dass die Autoabgase schädlich sind, hat man nicht das Auto verboten, sondern Katalysatoren eingeführt. Unser technischer Nichtraucherschutz ist mit Katalysatoren vergleichbar.

Christina Lecke (Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes Nordrhein-Westfalen): Sehr geehrter Herr Vorsitzender!

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Wir danken dafür, dass wir heute unsere Stimme erheben dürfen. ­ Einzelheiten entnehmen Sie bitte unserer Ihnen vorliegenden Stellungnahme aus dem Oktober dieses Jahres. Ergänzend zu dem, was wir dort ausgeführt haben, möchte ich an dieser Stelle auf zwei wesentliche Aspekte Bezug nehmen.

Erstens. Wie der Vertreter des Landesjugendamtes bereits ausführlich dargelegt hat, erschwert ein absolutes Rauchverbot in den Einrichtungen der Jugendhilfe die pädagogische Arbeit. Wir halten es für äußerst kontraproduktiv, wenn in einer stationären Jugendhilfeeinrichtung der Nichtraucherschutz derart manifestiert ist, dass ein rauchender Jugendlicher dort quasi keinen Eingang finden kann ­ es sei denn, er lässt seine Zigaretten vor der Tür. Wie man in der stationären Jugendhilfe dann den pädagogischen Auftrag erfüllen kann, entzieht sich unserer Fantasie.

Zweitens will ich Ihr Augenmerk auf einen Punkt lenken, der heute noch nicht angesprochen worden ist. Wir möchten dafür streiten, dass es auch für die stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Pflege Ausnahmeregelungen in dem Sinne gibt, wie sie Herr Zimmer von der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen erwähnt hat ­ und zwar noch etwas ausführlicher, als sie bereits im Gesetzentwurf stehen. Nach dem jetzigen Wortlaut des Entwurfes dürfte es zum Beispiel in keinem Altenheim einen Raucherraum geben. Ob man mit der Konzentration des Rauches auf einen Raum zufrieden ist oder nicht, ist ein anderes Problem. Nach unserer Auffassung muss es aber möglich sein, dass in Altenhilfeeinrichtungen lebende Raucher auch in dieser Unterbringungsform, die ihre Heimstatt ­ und im Regelfall ihre letzte Heimstatt ­ ist, ihre Gewohnheiten beibehalten dürfen.

An anderer Stelle diskutieren wir den Entwurf eines neuen Heimgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen. In diesem Zusammenhang ist ein wesentliches Thema, dass Menschen, die in stationäre Einrichtungen einziehen, dort ein lebenswertes Leben ermöglicht sein soll. Wollen Sie wirklich, dass Menschen den Einzug in ein Heim allein deshalb scheuen, weil sie dann nicht mehr rauchen dürfen? Das darf nicht sein, denke ich.

Insofern ist es notwendig, im Gesetzentwurf zum einen Klarstellungen dahin gehend vorzunehmen, dass das Rauchen in Einzelzimmern möglich ist ­ und zwar in einer gerichtsfesten Regelung.

Zum anderen meinen wir ­ ich erinnere an das eben genannte Stichwort Kneipe als Sozialraum ­, dass das Rauchen auch in anderen Räumen möglicherweise ­ je nach Ausrichtung der Einrichtung ­ erlaubt sein müsste, wenn es dort eine Vielzahl von Rauchern gibt. Sonst verlieren wir aus dem Blick, dass den betroffenen Menschen wesentliche Möglichkeiten genommen werden.

In diesem Zusammenhang darf man nicht vergessen, dass wir zum Beispiel auch demenziell erkrankte Menschen in stationären Einrichtungen versorgen. Mir persönlich ist es lieber, wenn jemand quasi unter Aufsicht raucht und wir sichergehen können, dass andere Menschen nicht durch Feuer gefährdet werden, als dass in Einzelzimmern geraucht wird, in denen nicht permanent jemand danebenstehen kann, um aufzupassen, dass nichts passiert.

Dr. Lutz Gollan (Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich kurz fünf Punkte ansprechen, die aus Sicht der kommunalen Spitzenverbände wichtig sind.

Erstens: die Kostenfrage für die Kommunen als zuständige Verwaltungsbehörden.

Wir haben schon im Vorfeld klargemacht und sind weiterhin der Auffassung, dass das Konnexitätsprinzip bislang nicht ausreichend eingehalten worden ist. Wir rechnen mit weitergehenden Kosten, als sie bis jetzt im Gesetzgebungsverfahren veranschlagt wurden. Vor diesem Hintergrund pochen wir darauf, dass die Kosten auch tatsächlich nachgehalten werden und wir zu einem späteren Zeitpunkt gegebenenfalls entsprechende Forderungen nach dem Konnexitätsprinzip geltend machen können.

Zweitens: das Rauchverbot in Schulgebäuden. Was hier dazu gesagt wurde, unterstützen wir ausdrücklich. Wir halten es für sehr problematisch, wenn in einer Schule eine außerschulische Veranstaltung stattfindet, sei es in der Turnhalle oder in der Aula, und am nächsten Tag dort Sportunterricht abgehalten wird oder Klausuren geschrieben werden ­ zumal sogar im Einleitungstext des Gesetzentwurfes steht, dass auch in Räumen, in denen aktuell nicht mehr geraucht wird, kontinuierlich Schadstoffe abgegeben werden, die sich während des Rauchens an Wänden, Tapeten, Gardinen und Möbeln abgesetzt haben.

Drittens. Es soll die Möglichkeit eingeführt werden, in Gaststätten bei geschlossenen Gesellschaften im Einzelfall vom Rauchverbot abzusehen. Wir würden es begrüßen, wenn auch für Kultur- und Freizeiteinrichtungen eine entsprechende Ausnahmeregelung vorgehalten würde; denn wir sehen da keinen erheblichen Unterschied.

Viertens. Wie wir in unserer Stellungnahme erwähnt haben, stellt sich die Frage, wer im Sinne von § 6 des Gesetzentwurfes letztendlich verantwortlich ist, wenn in Behörden geraucht wird. Wir halten es für sinnvoll, entsprechend der bundesgesetzlichen Regelung vorzusehen, dass die Behördenleitung die dafür zuständige Stelle ist; denn sonst wäre es zum Beispiel denkbar, dass in den Landesministerien ein Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt Düsseldorf vorstellig werden müsste.

Fünftens. Insgesamt regen wir an ­ das ist natürlich mit das Schwierigste; dafür plädieren wir aber ­, eine möglichst ausnahmefreie Gesetzgebung zu schaffen. Insbesondere für die Vollzugsbehörden wäre es nämlich äußerst schwierig, im Einzelfall schlimmstenfalls mit dem Millimetermaß nachzuprüfen, ob ein bestimmter Raum rauchfrei ist oder nicht. Eine möglichst einfach zu handhabende Regelung dürfte im Sinne aller sein.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Herzlichen Dank für Ihre Stellungnahmen. Damit haben wir schon die Hälfte der veranschlagten Zeit verbraucht. Das liegt aber noch im Zeitplan. ­ Jetzt kommen wir zur Fragerunde der Abgeordneten.

Ursula Meurer (SPD): Frau Dr. Pötschke-Langer, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände nimmt unter III. umfangreich zum Rauchen in Außenbereichen der Gaststätten Stellung. Sollte nach Ihrer Auffassung das Rauchen auf den Terrassen im Innenbereich von Einkaufszentren verboten sein? Muss das Gesetz an dieser Stelle klarer gefasst werden?

Frau Dr. Pötschke-Langer, ist mit der von Manfred Rentrop von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung ­ die bei der heutigen Anhörung nicht vertreten ist und daher nicht selber Stellung nehmen kann ­ vorgeschlagenen Formulierung der Nichtraucherschutz sichergestellt? Sie lautet: Die Leitung der jeweiligen Einrichtung hat bei allen Ausnahmeentscheidungen nach diesem Gesetz Vorkehrungen zu treffen, um die Rauchfreiheit und den gesundheitlichen Schutz der übrigen sich in der Einrichtung aufhaltenden Personen zu gewährleisten. Ist dies nicht möglich, ist die Rauchfreiheit so weit wie möglich zu gewährleisten. Frau Dr. Pötschke-Langer, Herr Dr. Gaßmann und Herr Gass, das vom Bundesministerium für Gesundheit geförderte Projekt Rauchfrei am Arbeitsplatz wurde von 2002 bis 2005 durchgeführt. Die Ergebnisse liegen vor.