Wertschöpfungskette

Jens Baganz (MWME) berichtet für die Landesregierung.

Dr. Andreas Diez (VCI), Waldemar Bahr (IG BCE) und Andreas Ahrens (Institut für Ökologie und Politik geben Statements ab und beantworten Fragen.

Die Fraktionen vereinbaren, das Thema in der Plenarsitzung am 9. Oktober 2005 beantragt, die heutige Sondersitzung durchzuführen.

Um die Auswirkungen auf den Industriestandort Nordrhein-Westfalen zu erörtern, sei ferner gebeten worden, je einen Vertreter des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE) einzuladen. Für den VCI sei Dr. Andreas Diez anwesend und für die IG BCE Waldemar Bahr.

Darüber hinaus habe die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gebeten, Andreas Ahrens vom Institut für Ökologie und Politik in Hamburg hinzuziehen. - Die Vorsitzende heißt die drei Herren herzlich willkommen.

Dr. Jens Baganz (MWME) berichtet über den aktuellen Stand im REACH-Gesetzgebungsverfahren:

Ich werde meinen Kurzvortrag in drei Abschnitte einteilen: 1 Allgemeine Anmerkungen zur Zielsetzung von REACH und zur Einordnung durch die Landesregierung 2 Stand der EU-Gesetzgebung 3 Position der NRW-Landesregierung Allgemeine Anmerkungen zur Zielsetzung von REACH und zur Einordnung durch die Landesregierung REACH ist 1998 gestartet worden durch einen Auftrag der Umweltminister im EURat, der die Kommission aufgefordert hat, das EU-Chemikalienrecht sehr umfassend zu prüfen. Die Kommission hat im Jahre 2001 ein Weißbuch Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik vorgelegt. Dieses Weißbuch war die Basis für nachfolgende Diskussionen.

Es gab schließlich einen Verordnungsentwurf, und im Mai 2003 begann die auf acht Wochen angesetzte öffentliche Konsultation, in deren Folge rund 6.400 Stellungnahmen bei der Kommission eingegangen sind. Im Oktober 2003 hat der Europäische Rat, dem die Staats- und Regierungschefs der EU angehören, die Federführung für die weitere Behandlung des Gesetzesvorhabens dem Rat für Wettbewerbsfähigkeit übertragen.

Ende 2003 hat die Kommission ihren Verordnungsvorschlag verabschiedet. Kernstück dieses Verordnungsvorschlages ist das sogenannte REACH-Verfahren, das Verfahren zur Registrierung, Evaluierung und Autorisierung von chemischen Stoffen.

Die Landesregierung befürwortet die Zielsetzung, die mit REACH verbunden ist, ausdrücklich. REACH bringt nach unserer Einschätzung eine Reihe von Vorteilen mit sich, die die bisherigen Regelungen, die sehr verstreut waren, alleine nicht erreicht haben. Eine wesentliche Neuerung von REACH ist, dass neben den immanenten Stoffeigenschaften nunmehr auch die Verwendungen für die verschiedenen chemischen Stoffe in den Blick genommen werden und damit die gesamte Wertschöpfungskette berücksichtigt wird.

Weiterhin sehen wir es als vielversprechend und in die richtige Richtung weisend an, dass die Pflicht zur Gewährleistung der Sicherheit der auf dem Markt vorhandenen Chemikalien vom Staat Richtung Wirtschaft verlagert wird. Sie wissen, dass der Koalitionsvertrag der Koalitionsparteien auch vorsieht, einen Dialog Wirtschaft und Umwelt einzurichten, der zurzeit von den zuständigen Ressorts erarbeitet wird. Auch hier wird es darum gehen, Verantwortungen im Sinne von Kooperation zu übertragen. In diese Richtung zielt auch REACH.

Schließlich wird durch das neue REACH-System die künstliche Unterscheidung zwischen neuen und alten Stoffen, die bis dahin die Chemikaliengesetzgebung der Europäischen Union gekennzeichnet hat, aufgehoben. Bisher wurde zwischen Altstoffen, also Stoffen, die vor 1981 auf den Markt gekommen waren, und neuen Stoffen, die nach 1981 in den Verkehr gebracht wurden, unterschieden. REACH wird dazu beitragen, auf diese aus unserer Sicht nicht sinnvolle Unterscheidung zu verzichten.

Wir bewegen uns hier in einer politischen Gemengelage, die uns auch aus verschiedenen anderen Zusammenhängen bekannt ist. Es geht letztendlich darum abzuwägen zwischen dem immer notwendigen und sinnvollen Schutz der Bevölkerung vor Gesundheitsrisiken aller Art auf der einen Seite und dem Hinweis und der Wertlegung darauf, dass wir uns nicht selber Äste absägen dürfen, auf denen wir sitzen.

Die Gefahr, die von REACH ausgehen kann, wenn es zu einer Überbürokratisierung kommt, ist einerseits ein Kostenproblem, das entstehen würde, wenn die Bürokratisierungskosten, die durch REACH verursacht werden, zu hoch ausfallen. Es ist weiterhin das Risiko in den Blick zu nehmen, dass bestimmte chemische Stoffe, die heute am Markt verfügbar sind, vom Markt genommen werden. All dies geschieht in einer Weltmarktlage, in der wir zur Kenntnis nehmen müssen, dass Nicht-EU-Hersteller von solchen Anforderungen, wie sie REACH stellen wird, verschont bleiben. In dieser Gemengelage gilt es - wie immer -, einen Abwägungsprozess durchzuführen, der mit Augenmaß betrieben wird. Genau das ist Gegenstand der bisherigen Beratungen sowohl auf der nationalen Ebene in der Bundesrepublik als auch auf EU-Ebene.