Dr Rolf Jessewitsch Museum Baden führt auf die Frage von Prof

Für dieses Internetprojekt könne er sofort 5 Millionen bekommen, müsse aber 5 Millionen an Eigenmitteln bereitstellen, die er nicht aufbringen könne. In Italien oder in Frankreich würde dieser Betrag vom Staat gezahlt. Wahrscheinlich sei es in Deutschland ähnlich; das sei aber für dieses konkrete Projekt bisher kaum geschehen.

Dr. Rolf Jessewitsch (Museum Baden) führt auf die Frage von Prof. Dr. Sternberg aus, der Autor des ersten Buches mit dem Titel. Die Kunst der verschollenen Generation sei von dem Sammler Dr. Gerhard Schneider beraten worden, von dem die Sammlung der Stiftung stamme. Urheber der Diskussion über die verfemte Literatur in den 70er-Jahren sei Jürgen Serke gewesen, der zuerst eine Serie im Stern und anschließend ein Buch über andere Literaturgeschichten zu Böhmen und der DDR herausgebracht habe, das immer wieder neu aufgelegt werde. Auch mit seiner Sammlung könne man einen Bezug zum Ursprung der Aufarbeitung herstellen. Man schaffe also nichts Neues, sondern bringe diese Grundlagen der Öffentlichkeit zu Gesicht.

Michael Solf (CDU) kann nicht nachvollziehen, dass es solange gedauert habe, dieses Thema in einem größeren Rahmen aufzuarbeiten. Aus seiner Jugend in den 50er-Jahren wisse er von Literaturgesellschaften beispielsweise in Siegburg und in Bonn. Schriftsteller, die zuvor nicht hätten lesen dürfen, hätten aus ihren Werken gelesen. Irgendwann habe das aufgehört. Er könne sich auch an ein Werk aus den 50er-Jahren mit dem Titel. Die vergessenen Expressionisten erinnern. Er frage sich, worauf dieses kollektive Verdrängen beruhe. An sich müsse es doch an jeder Hochschule zwei oder drei Germanisten, Künstler usw. geben, die für sich den einen oder anderen Namen entdeckt und dazu schon geforscht hätten. Die besondere Aufgabe des Zentrums für Verfemte Künste dürfte deshalb darin bestehen zu vernetzen, was möglicherweise nur vor Ort bekannt sei.

Dr. Rolf Jessewitsch (Museum Baden) pflichtet Michael Solf bei, es handele sich um ein Stück Kulturgeschichte. Von Freiherr von Boeselager, der der Widerstandsgruppe 44 angehört habe, stamme die Aussage, in den ersten Tagen des Aufbaus habe man nicht nach hinten blicken wollen. Das sei aber ein weites Thema. Darüber hinaus hätten die Museen ab den 50er-Jahren auf den abstrakten Expressionismus reagiert und Figürliches gerade aus der Vergangenheit eigentlich nicht mehr gesammelt. Nun würde man auf die Sammlungen Privater zurückgreifen.

Hajo Jahn (Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) erinnert daran, es werde seit einiger Zeit eine öffentliche Diskussion darüber geführt, dass es in der Gruppe 47 Antisemitismus gegeben habe. Bis auf wenige Ausnahmen trügen die Exilanten berühmte Namen wie Thomas Mann, um den die DDR gebuhlt habe. Da er nicht in die Bundesrepublik habe zurückkehren wollen, sei er in die Schweiz gegangen. Die Exilanten seien nicht erwünscht gewesen. Gottfried Benn habe Thomas Mann und Else Lasker-Schüler, die für Tausende andere stünden, vorgeworfen, ins Ausland gegangen zu sein. Weil tolle Leute nach Hollywood gegangen seien, wolle man auch das Thema Film aufgreifen. Das gelte auch für Kabarettisten, Architekten usw. Man habe ihnen vorgeworfen, weggegangen zu sein, während die Hiergebliebenen den Bombenhagel durchlitten hätten.

Nach dem Wiederaufbau und der Erinnerungskultur müsse man sich jetzt auf die Guten und Anständigen besinnen. Mit ihnen solle man nicht nur in den Universitäten, sondern in der breiten Öffentlichkeit arbeiten. Deswegen spreche man nicht von einem Museum, sondern von einem Zentrum. Deshalb gebe es auch die Internetprojekte.

Prof. Dr. Thomas Sternberg (CDU) betont, er halte diese Arbeit für außerordentlich ehrenwert und wichtig; jedoch müsse sie nicht neu erfunden werden. Sehr intensive Arbeit dazu gebe es schon lange. Deshalb frage er kritisch, ob sich das Museum Baden mit einem solchen Projekt nicht übernehme. Aus seinem eigenen Germanistikstudium wisse er, wie viele Doktorarbeiten zum Thema Exilliteratur, verfemte Literatur und Untergrundliteratur es bereits seinerzeit gegeben habe. Natürlich hätten sich auch musikhistorische und musikwissenschaftliche Institute intensiv damit beschäftigt.

Die Unterscheidung zwischen der nach 1945 rezipierten nicht gegenständlichen und der gegenständlichen Kunst sei sehr wichtig. Die gegenständliche Kunst habe zum Teil im kirchlichen Bereich überlebt; so kenne er eine ganze Menge gegenständlicher Künstler, die weitergearbeitet und Aufträge bekommen hätten. Der Unterschied zwischen den Exilanten und den Hiergebliebenen sei sehr groß. Er frage sich daher, ob bei diesem komplexen Gebiet unter Einschluss aller Künste im Museum Baden wirklich ein umfassendes Zentrum für diese Problematik entstehen könne.

Darüber hinaus gebe es zwei verschiedene Begriffe, nämlich verfemte Künste und verfolgte Künste. Bei der Bezeichnung Zentrum für Verfemte Künste könnte man sich fragen, ob sich die Ausstellung alleine auf den Zeitraum von 1933 bis 1945 beziehe oder auch verfemte Künste in anderen Perioden und anderen Ländern einschließe.

Dr. Rolf Jessewitsch (Museum Baden) stimmt Herrn Prof. Dr. Sternberg aus ganzem Herzen zu. Als er die Sammlung von Gerhard Schneider zum ersten Mal gesehen habe, sei er der Meinung gewesen, man müsse sie unbedingt ausstellen, sie sei aber für Solingen drei Nummern zu groß und vielmehr für ein großes Haus geeignet.

Jedoch habe er sich entschlossen, es zu versuchen. Mithilfe von Sponsoren sei es gelungen, den ersten Katalog mit 550 Seiten herauszubringen, der, wie ebenfalls ein zweiter, schnell vergriffen gewesen sei. Der dritte Katalog werde im Mai oder Juni erscheinen.

Es sei zwar ein großes Projekt, aber so etwas werde nicht landauf, landab gemacht.

Solch eine ständige Präsentation gebe es nur in Solingen, in anderen Museen nur Wechselausstellungen, da sie nicht über die Bestände verfügten, weil nicht gesammelt worden sei. Ohne eigene Mittel habe man zwei Sammlungen gewinnen können.

Zukünftig werde man eine dritte namhafte Sammlung von bildender Kunst ins Haus holen, ohne sie ankaufen zu können, weil die Sammler in die Jahre kämen und sich sehr verantwortungsbewusst überlegten, ihre Sammlungen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, damit sie nicht auf dem Kunstmarkt auseinandergerissen würden.

Fachlich könne man das Thema nicht alleine aufarbeiten. Deshalb sei die Kooperation im Bereich der bildenden Kunst und der Literatur mit den Fachleuten der Zentren an der Universität in Hamburg und der Technischen Universität in Berlin sehr wichtig, mit denen man in engem Kontakt stehe. Sie schrieben mit an den Katalogen und würden Material zutragen; im Gegenzug informiere man die, sodass es einen sehr regen Austausch gebe. Im Bereich der Musik führe man gelegentlich Konzerte durch.

Darüber hinaus hätte man gerne eine Ausstellung zum Thema entartete Musik gezeigt, die jetzt im Foyer der Tonhalle in Düsseldorf unter dem Titel. Das verdächtige Saxophon zu sehen sei.

Das Projekt sei sehr groß und mutig. Man könne es nur durch private Initiative und durch Kooperation leisten, da es andernfalls in Solingen nicht machbar sei. Anderswo finde es aber de facto nicht statt.

Hajo Jahn (Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft) führt ergänzend aus, es gebe neben Else Lasker-Schüler auch noch andere Künstler, die in mehreren Kunstsparten zu Hause gewesen seien und Mehrfachbegabungen gehabt hätten. Else sei aber vor über 20 Jahren der Auslöser der Idee für dieses Zentrum gewesen, wozu man die Gesellschaft gegründet habe. Als Studioleiter des WDR habe er den Vorstandsvorsitzenden und den Aufsichtsratsvorsitzenden von Bayer Leverkusen gekannt.

Er sei Berliner, Heimatvertriebener, Flüchtling, habe als Kind wegen seines Besitzes verbotener Bücher die Leibesvisitationen in der DDR erlebt. Deswegen habe man seine Mutter und später auch seinen Adoptivvater bedroht, der in Gefangenschaft gewesen sei.

Else Lasker-Schüler stehe wie eine Metapher für das, was Deutschland seinen Besten angetan habe. 1933 sei sie von Nazihorden in Berlin zusammengeschlagen worden und in die Schweiz geflohen, wo die Fremdenpolizei sie bespitzelt habe und sie einem Schreibverbot unterlegen habe. Politiker der Großen Koalition unter Willy Brandt sowie Politiker der CDU hätten später gesagt, das sei in dieser Form ein Fehler gewesen.

Über Paul Hindemith, bei dem es sich um den berühmtesten Komponisten handele, der Werke von Else Lasker-Schüler vertont habe, sei von dem schrecklichen, aber in seiner Art doch sehr intelligenten Goebbels das schreckliche Wortspiel gebraucht worden: Hindemith, her damit, weg damit.

Else Lasker-Schüler habe immer wieder aus der Schweiz ausreisen müssen, um eine neue Aufenthaltsgenehmigung bekommen zu können. Dies sei nach ihrer dritten Ausreise jedoch nicht mehr geschehen, sodass sie nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in Palästina, das ein britisches Mandatsgebiet gewesen sei, habe bleiben müssen. Jedoch habe sie die Sprache dieses Landes nicht gelernt.