SGB-II-Klientel

Auf der anderen Seite haben wir es ­ das wird manchmal tabuisiert ­ aber auch mit Leuten zu tun, die seit Generationen arbeitsresistent sind und noch nie einen Arbeitsplatz gesehen haben. Dass für diese beiden sehr unterschiedlichen Gruppen das gleiche Gesetz gilt, ist nicht so einfach.

Um auf Ihre Fragestellung zurückzukommen: Ich halte eine unabhängige Beratung ­ auch aus eigenem Interesse, nämlich um die Gerichte zu entlasten ­ für unumgänglich. Wenn Sie jetzt nachfragen, ob ich das quantifizieren könne, kann ich Ihnen von vornherein sagen: Das kann kein Mensch sagen.

Markus Leßmann (Arbeitskreis der Optionskommunen in NRW / Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW): Lassen Sie mich zunächst einen Punkt klarstellen, weil das auch bei Herrn Schmeltzer in der Auslegung meiner Wortmeldung etwas durcheinandergegangen ist. Ich habe gesagt, dass die Finanzierung der Arbeitslosenzentren keine Pflichtaufgabe ist. Ich habe nicht gesagt, dass die Wahrnehmung von Beratungsleistungen und das Angebot von psychosozialen Dienstleistungen keine Pflichtaufgabe sei. Da ist das richtig, was Frau Eicker-Bix gesagt hat. Nach § 16 Abs. 2 SGB II ­ und für die anderen Personenkreise gemäß anderen Sozialgesetzen ­ ist die ganzheitliche soziale Betreuung inklusive psychosozialen Leistungen, Schuldnerberatung und anderen Dingen natürlich eine kommunale Dienstleistung. Es ist eine Pflichtleistung.

Der genaue Umfang dieser Pflichtleistung steht sicherlich im Ermessen. Nach § 16 Abs. 2 SGB II können diejenigen psychosozialen und gleichgestellten Leistungen erbracht werden, die für die Eingliederung des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in das Erwerbsleben erforderlich sind. Darüber, ob jede Schuldnerberatung, die ein Hilfeempfänger gerne hätte, schon als Pflichtaufgabe darunterfällt, oder ob man dann theoretisch prüfen müsste ­ was ich für sehr schwierig halte ­, ob diese Schuldnerberatung wirklich in Richtung Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt positiv wirkt, brauchen wir uns hier nicht zu streiten.

Ich habe aber nicht in Abrede gestellt, dass das eine kommunale Aufgabe ist. Es ist jedoch definitiv keine Pflichtaufgabe, sie in der jetzigen Form zu finanzieren oder sie in Form der Arbeitslosenzentren wahrnehmen zu lassen. Deswegen ist auch die Übernahme der jetzt ausfallenden Landesfinanzierung definitiv keine Pflichtaufgabe.

Da mag mir jemand aus dem Gesetz etwas anderes ableiten; ich sehe das an dieser Stelle nicht.

Für mich wird Folgendes deutlich: Wir müssen uns einmal sehr intensiv die verschiedenen Tätigkeitsbereiche der Arbeitslosenzentren ansehen. Das wird hier sehr vermischt. Der Ausgangspunkt der Arbeitslosenzentren war vor allen Dingen die Unterstützung der Arbeitslosen in einem sehr diffusen Hilfesystem bei dem ­ so haben Sie das bezeichnet ­ Wecken von Selbstmotivationskräften und bei ihren Integrationsbemühungen in den Arbeitsmarkt. Diese Aufgaben nehmen wir heute anders wahr.

Jetzt setze ich mir wirklich einmal den Hut der Optionskommunen auf, weil ich da unmittelbarer sprechen kann; bei den Argen ist ja die BA mit im Boot. Wir als Opti onskommunen würden schon sehr deutlich für uns in Anspruch nehmen, dass wir die Beratung, was Integration in den Arbeitsmarkt angeht und was ganzheitliches Fallmanagement angeht ­ diese Aufgabe, die unsere kommunale Aufgabe ist ­, durch eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und somit durch eigene Strukturen wahrnehmen ­ unter Einbindung von Beratungsangeboten wie zum Beispiel Schuldnerberatung unserer Partner, zu denen auch gemeinnützigen Verbände usw. gehören.

Das ist der Aufgabenbereich, der heute jedenfalls für die SGB-II-Klientel nach meiner Einschätzung wahrgenommen wird.

Folgendes muss ich auch sehr deutlich sagen: Hier wird es so dargestellt, als sei die Integration in den Argen und in den Optionskommunen eine Integration unter Druck.

Dem widerspreche ich vehement. Gehen Sie bitte alle gemeinsam davon aus, dass sowohl in den Argen als auch in den Optionskommunen sehr erfahrene Fallmanager sitzen, die genau wissen, dass eine Integration, die von Anfang an nur unter Androhung von Sanktionen erfolgt, nicht die zielführendste Form der Motivation gerade von Menschen mit multiplen Integrationshemmnissen ist, sondern dass eine Integration natürlich umso erfolgreicher ist, wenn man in den Beratungsgesprächen erreicht, dass man gemeinsam von dem vereinbarten Weg überzeugt ist. Das ist genau der Weg. Es wäre sehr hilfreich, wenn sowohl die Landespolitik als auch andere nicht andauernd transportieren würden, dass es in den Argen und in den Optionskommunen immer unter dem Sanktionsschwert laufe; denn das würde auch die Akzeptanz verstärken. Ich bitte einfach darum, fairer mit den Beratungsangeboten und den Integrationsbemühungen umzugehen.

Vor allem im SGB-II-Bereich ist die Sanktionsmöglichkeit für alle Beteiligten immer das letzte Mittel. Wir von der kommunalen Seite finden es jedenfalls sehr kritisch, dass in BA-Statistiken auch Sanktionsquoten abgefragt werden. Was überhaupt der Aussagegehalt einer solchen Sanktionsquote ist, ist mir völlig schleierhaft. Das kann nämlich heißen, dass Mitarbeiter der Arge besonders sanktionslustig sind. Es kann auch heißen, dass die Betroffenen besonders arbeitsmarktresistent sind und deswegen sanktioniert werden müssen. Diese Quote hat in unseren Augen überhaupt keine Aussagekraft. Für uns sind Sanktionen das letzte Mittel. Je mehr wir das gemeinsam transportieren würden, desto stärker würden wir auch die Akzeptanz der eigentlichen Aufgabenträger befördern. Das hielte ich für wichtig. Ich halte es für ein bisschen gefährlich, wie hier darüber diskutiert wird.

Ich bin jetzt immer beim Bereich der Integrationsunterstützung. Hier gilt nach wie vor die Aussage: Diese Aufgabe nehmen wir ­ jedenfalls im SGB-II-Bereich ­ in eigenen Strukturen wahr. Daher sehen wir es auch nicht als verpflichtend an, sie ­ mit entsprechenden finanziellen Konsequenzen ­ von anderen wahrnehmen zu lassen.

Der Hauptpunkt, der hier in der Diskussion eine Rolle spielt, und auch der Hauptpunkt der jetzt steigenden Inanspruchnahme, von der unter anderem Herr Riedel gesprochen hat, ist nicht der Bereich der Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt und der entsprechenden psychosozialen Beratung. Vielmehr geht es inzwischen in erster Linie um etwas, was ich als Beratung im Leistungsrecht und Rechtsberatung bezeichnen möchte. Das ist ein völlig anderer Aufgabenbereich, der in meinen Augen auch vollkommen anders zu bewerten ist. Herr Dr. Brand hat ja die Verantwortung für den Schlamassel relativ deutlich benannt ­ so deutlich, wie das für einen Vorsitzenden Sozialrichter möglich ist ­, indem er gesagt hat: Das Gesetz ist suboptimal.

Wenn der Gesetzgeber ein solches Gesetz hinterlässt ­ seitens der Bundesagentur noch durch eine unzureichende Software in der Abwicklung unterstützt ­, wäre es schon ein starkes Stück, wenn wir dann Beratungsinstitutionen bezahlen müssten, die bei der Gängigmachung eines solchen Gesetzes, das wir wirklich nicht zu verantworten haben, Hilfestellung leisten. Liebe Parlamentarier, wenn das so sein sollte, dann liegt die Finanzverantwortung dafür bitte auch bei dem, der die ganze Sache verbrochen hat.

Mehrfach sind die Bescheide kritisiert worden ­ auch von Ihnen, Herr Garbrecht. Den Befund würde ich hundertprozentig teilen. Die Aussteller der Bescheide müssen aber nun einmal dieses Gesetz umsetzen ­ und das auch noch mit den Folgerungen, die ihnen die Sozialrechtsprechung zu Fragen wie Einzelanspruchsaufstellung usw. schon im Rahmen des BSHG auferlegt hat.

Vorsitzender Günter Garbrecht: Das hat Herr Dr. Brand zu verantworten.

Markus Leßmann (Arbeitskreis der Optionskommunen in NRW / Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW): Es ist ja die richtige Rechtsprechung. Ein Bescheid kann aber immer nur so lesbar sein, wie das Gesetz und die damit verbundene Rechtsprechung es ermöglichen, das Ganze deutlich auszudrücken. Die Verantwortung dafür, dass die Bescheide in der Tat für den Normalsterblichen und teilweise auch für den juristisch Vorgebildeten kaum zu verstehen sind, liegt meines Erachtens weder bei den Argen noch bei den Optionskommunen. Deshalb sollten wir die entsprechende Beratung bitte auch nicht bezahlen müssen.

Herr Kern hat nach den weißen Flecken gefragt. Das kann ich Ihnen auch nicht sagen; denn hier gilt dasselbe wie bezüglich der Frage nach den Finanzierungsbeiträgen. In Nordrhein-Westfalen gibt es meines Wissens keine Übersicht ­ zumindest nicht im Bereich der kommunalen Spitzenverbände ­, wie genau die Arbeitslosenzentren ihre regionalen Zuständigkeiten aufgeschlüsselt haben. Jedenfalls liegt sie uns nicht vor.

Zur Finanzierung: Sie haben gesagt, wir verträten jetzt die Auffassung, dass das Land allein für diese Aufgabe zuständig sei. Ich habe doch gerade deutlich gemacht, dass wir die Beratungsfunktion usw. durchaus als kommunale Aufgaben betrachten, dass wir aber die Entscheidung, ob wir das in diesen bisher vom Land unterstützten Systemen machen, gegebenenfalls nach anderen Kriterien treffen müssen. Dort spielt der finanzielle Bereich eine Rolle.

Frau Steffens hat gefragt, ob es Sinn macht, jetzt über das Ganze zu diskutieren.

Diese Frage stelle ich mir natürlich bei allem, was wir im Zusammenhang mit dem SGB II im Moment erörtern. Im Optionsbereich macht es Sinn, dies jetzt zu diskutieren ­ wobei wir im Optionsbereich auch in Bezug auf das von Herrn Dr.