Wir versuchen mit dem Erlass vom 28092006 die polizeiliche Kriminalprävention in Nordrhein Westfalen grundlegend neu zu gestalten

Wir haben versucht, die Zusammenarbeit zwischen Schule und Polizei zu intensivieren. Wir haben erstmals verbindliche Richtlinien entwickelt, die zum 31. August 2007 in Kraft getreten sind. Begleitend hat das Innenministerium die Führungskräfte der Kreispolizeibehörden in mehreren Besprechungen für das Handlungsfeld Kriminalität an Schulen mit besonderer Ausrichtung auf Gewaltkriminalität und Drogenmissbrauch sensibilisiert. Präventive Projekte und Maßnahmen wurden von fast allen Kreispolizeibehörden entwickelt und umgesetzt.

Wir versuchen mit dem Erlass vom 28.09.2006 die polizeiliche Kriminalprävention in Nordrhein-Westfalen grundlegend neu zu gestalten. In diesem Erlass wird geregelt, dass die Polizei ihre Kenntnisse zur Prävention von Jugendkriminalität insbesondere an Erziehungsverantwortliche vermittelt, zum Beispiel durch Vorträge vor Lehrern und Eltern sowie durch Teilnahme an Podiumsdiskussionen. Die pädagogische Arbeit ist dann vor allem eine Angelegenheit der Lehrkräfte. Ein wichtiges Element der Kooperation ist häufig die sogenannte Schülersprechstunde von Bezirksdienstbeamten.

Das Innenministerium hat mittlerweile an 13 Standorten das Projekt Gelbe Karte eingerichtet, wo zeitnah erzieherische Reaktionen erfolgen sollen, ohne dass eine förmliche Hauptverhandlung stattfindet.

Seitens des Schulministeriums haben wir vor Kurzem die Notfallpläne für Schulen vorgestellt. Auch das war wichtig. Wir haben uns die Notfallpläne aus Berlin und aus Thüringen angeschaut, wo nach dem Vorfall von Erfurt auch Entsprechendes gemacht wurde. Wir stellen fest, dass unsere Notfallpläne wahrscheinlich demnächst auch im Saarland übernommen werden. Es stellt sich heraus, dass alle Länder merken, wie wichtig es ist, dass Schulen klare Handlungsanweisungen haben, wenn ein Vorfall in der Schule passiert.

Wir haben mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Unfallkasse Nordrhein Westfalen Empfehlungen zur schulpsychologischen Krisenintervention an den Schulen erarbeitet und umgesetzt, und wir haben mit diesen jetzt auch ein Netzwerk geschaffen.

Wenn wir von Gewalt in Schulen sprechen, müssen wir, denke ich, das Thema sehr weit fassen. Dazu gehört auch das Mobbing gegen Lehrkräfte im Internet; auch das ist Teil der Gewaltproblematik an Schulen. Wir haben die Bezirksregierungen angewiesen, in den Fällen, in denen dies tunlich ist, Strafanträge gegen Betreiber von Internetseiten zu stellen. Wir haben gemeinsam mit dem Innenministerium eine Beschwerdestelle für Internetmobbing bei der Bezirksregierung Düsseldorf eingerichtet, die ebenfalls allen Fällen nachgeht. Der betriebsärztliche Dienst hat eine Hotline geschaltet, an die sich betroffene Lehrkräfte wenden und wo sich auch beraten lassen können.

Außerdem haben wir Handlungsempfehlungen an alle Schulen gegeben, wie bei Internetmobbing zu reagieren ist, worin alle Anschriften stehen und die Rechtslage dargestellt ist. Dabei sind wir allerdings im Moment ein bisschen unglücklich über die Rechtsprechung in diesem Bereich. Vielleicht ändert sich ja dort noch etwas. Aber es ist eine schwierige Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz der Lehrkräfte.

Wir haben festgestellt, dass potenzielle Amoktäter häufig das Internet nutzen, um ihren Plan anzukündigen. Deshalb hat die Polizei in Nordrhein-Westfalen beim Landeskriminalamt eine sogenannte Internetwache eingerichtet, um es den Bürgerinnen und Bürgern zu erleichtern, der Polizei ein entsprechend auffälliges Verhalten auf einfachem Weg mitzuteilen, sodass die Polizei reagieren kann. Diese Internetwache wird derzeit technisch wie inhaltlich ausgebaut. Wir haben seit Februar 2008 die Abläufe bei der Entgegennahme und Bewertung von Anzeigen so gesteuert, dass die örtliche Kreispolizeibehörde rund um die Uhr unverzüglich ihre Maßnahmen treffen kann.

Uns war dabei wichtig, dass die Schulen feste Ansprechpartner bei der Polizei haben und dass umgekehrt die Polizei auch feste Ansprechpartner in unseren Schulen hat.

Das zeigt sich insbesondere bei Amoklagen. Gerade da kommt es sehr auf den Zeitfaktor an. Es besteht in aller Regel für die Schulen ein enormer Handlungsdruck, dem sie so wohl noch nie ausgesetzt waren. Ich stelle auch selbst fest, wie unsicher Lehrkräfte und auch Schulleitungen sind, wenn solche Fälle auftreten, weil das doch ein Einschnitt in jeder Schule ist.

Das, was im Bereich der Polizei geschehen ist, vor allem das Amoktraining, hat sich meines Erachtens bewährt. Wir haben in Emsdetten sehr deutlich gesehen, dass sich diese Arbeit, die ja eine Reaktion auf Erfurt war, im polizeilichen Bereich sehr bewährt hat.

Ich möchte Ihnen jetzt einmal die Zahlen dazu nennen. Herr Innenminister Dr. Wolf hatte die Zahlen mit Stand Ende November schon kurz nach dem Vorfall in Köln veröffentlicht. Wir haben sie uns jetzt zum Stand 31. Dezember 2007 angeschaut. Wir hatten von November 2006 bis zum 31. Dezember 2007 insgesamt 463 sogenannte WE-Meldungen. Das sind Wichtige Ereignisse, die alle etwas mit Amok zu tun hatten. Wir erfassen seit Emsdetten diese Zahl, um einen Überblick zu haben. In weniger als 10 % der Fälle wurden dann strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet. In Einzelfällen gab es Einweisungen durch Amtsärzte in psychiatrische Einrichtungen.

Es ist für alle Beteiligten so, dass in solchen Fällen der Adrenalinspiegel steigt. Das Innenministerium und auch das Schulministerium werden regelmäßig von diesen WE-Nachrichten unterrichtet. Man erkennt nicht immer sofort, ob es sich um Gefahrenlagen handelt oder nicht. Zum Glück sind es in den meisten Fällen Schmierereien und Unbedachtheiten. Man muss dazu auch sagen, dass die Fallzahlen um ein Jahresdatum, wie wir es im November hatten, dramatisch ansteigen, und man muss leider auch feststellen, dass wir umso mehr Nachahmertaten haben, umso größer die Medienberichterstattung ist. Das ist ja ein Phänomen, das wir nicht nur hier, sondern auch in anderen Bereichen kennen. Wenn irgendwo etwas geschehen ist, können wir sehr schnell feststellen, dass sich die Zahl der Nachahmer ­ wie jetzt nach Köln ­ signifikant drastisch erhöht.

Wir müssen erreichen ­ und wir tun das auch ­, dass sogenannte Trittbrettfahrer schnellstmöglich Sanktionen erhalten. Damit versucht man auch klarzustellen, dass das kein Kavaliersdelikt ist. Dennoch nehmen es viele junge Menschen leicht und meinen, es sei nujr ein Scherz, wenn sie in die Toilette so etwas hereinschmieren wie Ich laufe morgen Amok. Es versetzt aber vom Hausmeister bis zum Schulleiter eine ganze Schule in Aufregung, weil man eben nie weiß, was tatsächlich dahintersteckt.

Wir haben zunehmend auch Hinweise über das Internet, dass uns etwa Kriminalämter aus Bayern, Schleswig-Holstein oder auch aus dem Ausland mitteilen, dass etwas im Netz steht. Über die IP-Adresse kann man ja sehr schnell feststellen, dass etwas aus Nordrhein-Westfalen kommt. Das nimmt sehr stark zu. Das Internet ist neben den Schmierereien auf den Toiletten das Hauptmedium, wo solche Amoktaten angekündigt werden. Sowohl die Polizei wie auch die Schule stehen immer vor der Frage: Ist das ernst gemeint oder nicht? ­ Gottlob sind die meisten Fälle nicht ernst gemeint.

Lassen Sie mich zusammenfassend sagen: Wir haben seitens der Landesregierung schon relativ früh ein 20-Punkte-Programm vorgelegt: Stopp der Kinder- und Jugendkriminalität. In diesem Programm sind auch die Maßnahmen im schulischen Bereich intensiv dargestellt.

Die Landesregierung hat den Landespräventionsrat neu konstituiert. Er hat zwischenzeitlich seine Tätigkeit aufgenommen und plant die weitere Arbeit.

Wir können vollständige Sicherheit an Schulen nicht garantieren. Ich glaube auch, dass wir alle kein Interesse an Zuständen haben, wie wir sie im Fernsehen aus Amerika sehen. Wir wollen keine Schleusen an den Schulen haben. Meines Erachtens ist es auch nur eine Scheinsicherheit, die dadurch entsteht. Wir sollten alles daran setzen, präventiv zu arbeiten, Jugendliche aufzuklären und die gesamten gewaltpräventiven Maßnahmen weiterzuführen. Dennoch wissen wir alle, dass wir Kriminalität, die es seit Menschengedenken gibt und die es auch an Schulen immer gegeben hat, nicht restlos werden eindämmen können.

Wir brauchen die Zusammenarbeit der Lehrerinnen und Lehrern mit den Eltern und dem schulischen Umfeld. Ich bin sehr froh darüber, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei und mit den Jugendämtern ­ auch die wird zusehends wichtiger ­ funktioniert.

Ursula Doppmeier (CDU) dankt für den ausführlichen Bericht. Es müsse zu denken geben, dass die Zahl der Intensivtäter zunehme. Das einzig Mögliche scheine ihr zu sein, schon sehr früh mit einer wertegebundenen Erziehung anzusetzen. Dabei sei die Zusammenarbeit mit den Eltern nicht erst in der Schule, sondern bereits in den Kindertagesstätten sehr wichtig. Wenn die Eltern das bei ihren Kleinkindern schon miterlebten, seien sie vielleicht auch eher bereit, sich später in der Schule einzubringen und Maßnahmen zu unterstützen, um Gewalt gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Die Aussage des Kriminologen Pfeiffer: Bildungsinvestition ist aktive Gewaltprävention, werde sicherlich allgemein unterstützt. Wenn man ein positives Schulklima schaffe, in dem der einzelne Schüler merke, dass er dem Lehrer nicht egal sei, sondern individuell gefördert werde, sei das der richtige Weg, aufkommende Gewalt im Keime zu ersticken.

Die Maßnahmen des vom Staatssekretär erwähnten 20-Punkte-Programms ­ etwa die Hereinnahme von Schulpsychologen und Sozialpädagogen ­ zeigten, wie wichtig ein breites Netzwerk innerhalb der Schule, aber auch außerhalb der Schule sei:

Dazu gehöre die Zusammenarbeit mit Eltern, mit der Polizei, mit Vereinen und dem übrigen Umfeld. Nur wenn man dort wach sei und jeglichen Gewalttendenzen entgegentrete, werde man auch an Schulen ein gutes Klima erreichen.