Steuerberater

Die Kommunikation läuft in einem viel stärkeren Maße als früher über das Internet und das Telefon. Deshalb habe ich in meiner schriftlichen Stellungnahme dargelegt, dass solche Informationsforen eingerichtet werden müssen. Bei der Beratung zur beruflichen Integration haben die Beratungsstellen KOBER und MADONNA eine landesweite Beratung übernommen und einen Internetauftritt dazu eingerichtet. Dort gibt es natürlich auch Informationen darüber, wie man sich in der Prostitution professionalisieren kann sowie Links zu Selbsthilfeorganisationen und Hurenorganisationen, Behörden usw.

Wir glauben, dass die Beratung zur Legalisierung in der Prostitution, zu Anmeldungen, zur Frage, welche Behörde zuständig ist und wo die besten Arbeitsstätten sind, am besten über einen Internetauftritt stattfinden kann. Nutzerinnen werden sicherlich Prostituierte sein, die dieser Tätigkeit freiwillig und bewusst nachgehen. Es gibt aber auch eine ganze Menge jugendlicher Frauen, die sich mit dem Gedanken tragen, als Prostituierte zu arbeiten. Sie gehen aber nicht in Beratungsstellen, sondern nutzen diese Kommunikationsmöglichkeiten. Die Frauen, die gelegentlich anschaffen gehen, tun das auch. Das Gleiche gilt für Prostituierte, die überhaupt keine Probleme haben.

Zu uns kommt nur eine Auswahl von Frauen, die in irgendeiner Weise Probleme haben. Keine Probleme zu haben, bedeutet aber nicht gleichzeitig, auch kein Informationsbedürfnis zu haben.

In der Landesarbeitsgemeinschaft Recht/Prostitution haben wir uns zu einem Seminar getroffen und dazu auch die Beratungsstellen aus anderen Landesteilen eingeladen. In Köln und im östlichen Ruhrgebiet mit Essen, Dortmund und Bochum gibt es relativ viele Beratungsstellen; dabei ist viele ein Euphemismus. Das Münsterland, das östliche Westfalen und das Sauerland sind völlig unterversorgt, obwohl es dort sehr viele Klubs und selbstständige Prostituierte gibt. Es ist wirklich darüber nachzudenken, wie dort eine flächendeckende Versorgung mit Streetwork, aber auch mit Anlaufstellen geschaffen werden kann.

Zur Kondomverordnung nur ganz kurz: Die Bundesarbeitsgemeinschaft Recht/Prostitution, in der die Beratungsstellen für Prostituierte zusammengefasst sind, hat gerade eine Erklärung zu Hygienestandards herausgegeben, die sie ­ wie auch wir in Nordrhein-Westfalen ­ wichtig findet. Wir glauben aber, dass eine Kondomverordnung für Betriebe gelten muss und nicht die einzelne Prostituierte herangezogen und verurteilt werden darf. Zudem muss es verwaltungstechnisch dort verortet werden, wo es hingehört, nämlich bei der Behörde, die auch ansonsten für Hygienekontrollen zuständig ist ­ und nicht bei der Polizei wie in Bayern.

Vorsitzende Elke Rühl: Herr Mösgen, Frau Kieninger, Frau Westerhorstmann und Frau Steffens haben Fragen an Sie gerichtet.

RD Jörg Mösgen (Finanzamt Dortmund-West): Frau Kieninger und Frau Steffens haben die landeseinheitlichen Regelungen und die Abgeltungssteuer nach dem Düsseldorfer Verfahren angesprochen. Frau Westerhorstmann hatte zusätzlich noch nach Zahlen gefragt.

Ich möchte Ihnen zunächst ganz kurz die steuerliche Systematik erläutern: Es werden immer Begriffe erwähnt, mit deren Gebrauch man etwas vorsichtig sein muss, weil sie rechtlich nicht ganz zutreffend sind. Grundsätzlich gibt es für die Prostitution ­ ich beziehe mich dabei auf die Frauen ­ ganz klare steuerrechtliche Regelungen im Ertragsteuerrecht, also bei der Einkommensteuer, egal ob die Frauen abhängig beschäftigt oder selbstständig sind. Wenn die Prostituierten die Tätigkeit selbstständig ausüben, kommt zur Einkommensteuer noch die Frage nach der Umsatzsteuer oder Mehrwertsteuer hinzu. Wenn die Frauen relativ viel verdienen, kommt möglicherweise auch noch die Gewerbesteuer hinzu. Diese Regelungen gelten für mich als Finanzbeamten genauso wie für einen selbstständigen Steuerberater.

Ob hinterher tatsächlich Steuern gezahlt werden müssen, ist auch davon abhängig, in welcher Größenordnung die Prostituierten tätig sind: Eine Dame, die nur am Ende des Monats kurz auf den Straßenstrich geht ­ um es einmal salopp zu sagen ­ wird möglicherweise gar keine Probleme mit dem Finanzamt bekommen, weil sie unter dem Grundfreibetrag liegt und somit gar keine Steuern anfallen. Manchmal wird um diese Tatsache ein großes Geheimnis gemacht. Ich vermute, von den hinter den Frauen stehenden Personen wird möglicherweise eine Angst geschürt, die gar nicht berechtigt ist. Somit muss die Finanzverwaltung ein bisschen aufpassen, nicht zum Büttel der Hintermänner und Zuhälter zu werden, indem man das Finanzamt mit der Argumentation missbraucht, es hätte die Hintermänner und Zuhälter gezwungen, bestimmte Beträge zu zahlen, die sie sich von den Prostituierten wiederholen.

In Dortmund aber auch über Dortmund hinaus wollen wir einen Weg finden, wenigstens einen Teil des Steueranspruchs zu sichern. Vor etlichen Jahren hat irgendjemand dieses Düsseldorfer Verfahren eingeführt. Dabei handelt es sich nicht um eine eigenständige Steuer, sondern einfach nur um ein Verwaltungsverfahren bzw. eine Modalität, Steuern als eine Vorauszahlung zu erheben, so wie Sie etwa bei der Lohnsteuer Vorauszahlungen leisten. Am Jahresende steht dann die Steuerlast tatsächlich fest. Mit dem Düsseldorfer Verfahren wird versucht, im Vorfeld Teilbeträge einzunehmen. Das ist aus fiskalischer Sicht besser, als gar nichts zu erhalten. Damit versucht man also, wenigstens einen ganz kleinen Obolus aus diesem Bereich zu bekommen.

Wir wissen natürlich nicht, was in diesem Gewerbe verdient wird. Das ist so ähnlich wie mit der Schwarzarbeit, die Sie vorhin ansprachen, Frau Westerhorstmann. Wenn ich in der Zeitung Schätzungen der Steueranteile aus der Schwarzarbeit lese, staune ich immer über den Sachverstand der Damen und Herren. Bei der Prostitution ist es so ähnlich: Alle wissen, dass zum Teil jedenfalls viel Geld verdient wird, aber niemand weiß, wie viel. Es gibt eine große Bandbreite, angefangen von der vielleicht bulgarischen Prostituierten, die eine Dienstleistung verrichtet, bei der sie mit 5 anfängt. Damit wird sie am Monatsende wahrscheinlich gar nicht erst der Steuer unterliegen, wenn sie eine normale Steuererklärung abgeben würde wie Sie und ich. Auf der anderen Seite gibt es vielleicht das Luxus-Callgirl, das dann mit sehr großen sechsstelligen Beträgen nach Hause geht, wie immer kolportiert wird. Was aber richtig ist, wissen wir nicht. Ähnlich verhält es sich auch mit der Besteuerung der organisierten Kriminalität, wo wir genauso gut sind wie bei der Prostitution. Dort erzielen wir nur zufällige Ergebnisse.

Vor dem Hintergrund der Überlegung, dem Fiskus wenigstens ein kleines Stück des Kuchens abzuschneiden, gab es wohl ursprünglich in Düsseldorf die Überlegung, pro Frau und Tag eine bestimmte Summe zu erheben. Nach diesem Düsseldorfer Modell handelt es sich dabei aber weder um einen Pauschalbetrag, noch um eine Abgeltungssteuer, wie Sie es bezeichnet haben, Frau Kieninger, sondern um eine Vorauszahlung. In Form einer Abgeltungssteuer im Vorfeld einen Betrag zu erheben, würde ich für verfassungsrechtlich sehr problematisch halten. Das steht meines Erachtens im Widerspruch zu fundamentalen Prinzipien des Steuerrechts. Man ist heute beim Steuerrecht nicht mehr ganz sicher, was alles erfunden wird, aber an diesem Punkt habe ich große Zweifel. Denn dann würden wir darauf verzichten, die Gesamtsumme ­ also was eigentlich verdient wird ­ ins Verhältnis zu setzen. Damit würde es sich eher um eine Gebühr als um eine Steuer handeln. Ich weiß nicht, ob dieses Vorgehen im Ergebnis zielführend wäre.

Das Vorgehen der Finanzverwaltung nach dem Düsseldorfer Verfahren ist höchst uneinheitlich, auch in Bezug auf die Beträge. Vor Ort gibt es immer wieder einzelne Finanzämter, die versuchen, in diesem Bereich tätig zu werden. Es hat sich auch herumgesprochen, dass sie das eigentlich tun sollten. In unserem Bundesland gibt es zurzeit noch keine klare Weisungslage oder etwas Ähnliches. Allerdings stellt sich immer die Frage, ob man so etwas überhaupt regeln sollte. Ein solches Verfahren vorzuschreiben, ist nur dann sinnvoll, wenn ein anschließender Verwaltungsvollzug die Umsetzung garantiert. Ansonsten haben wir einen Papiertiger. Dann würden möglicherweise Regelungen in die Welt gesetzt, um die sich keiner kümmert.

Rein pragmatisch sehe ich beim Düsseldorfer Verfahren das Problem, dass man möglicherweise überziehen kann. Nach meinen Erfahrungen ist es ganz entscheidend, wie hoch diese Vorauszahlungsbeträge angesetzt werden. Sind sie pro Frau und Tag zu hoch, ist die Akzeptanz dahin. Vor dem Hintergrund, was schon an Miete zu zahlen ist, wird es für die Frauen richtig schwierig, wenn auch noch der Fiskus kommt. Deshalb hat es sich als sinnvoll erwiesen, mit einer gewissen Bandbreite von 10 bis 25 zu arbeiten. Dabei mag es aufgrund der unterschiedlichen Wirtschaftskraft regionale Unterschiede geben.

In Absprache mit den Kollegen meiner vorgesetzten Dienstbehörde, der Oberfinanzdirektion Münster, plaudere ich ein wenig aus dem Nähkästchen. Es gibt Entwürfe mit dem Ziel, die Verfahren über einzelne Finanzämter hinaus einheitlich zu regeln.

Dabei handelt es sich um so etwas wie eine Gebrauchsanleitung, weil es rein praktische Probleme gibt. Wenn wir beispielsweise in Dortmund anfangen, Gelder zu erheben, stellt sich die Frage, wie diese Gelder eigentlich abgeführt werden. Dafür existieren auch gesetzlich geregelte Zuständigkeiten.

So gibt es in Dortmund vier Festsetzungsfinanzämter. Von der Prostituierten kann man aber nicht erwarten, dass sie weiß, wohin sie das Geld zahlen muss. Deshalb haben wir uns überlegt, es bei einem Finanzamt mit einer Finanzkasse zu konzentrieren. Die Damen sind aber immer irgendwie auf der Flucht: Nach drei Monaten wohnen sie woanders. Somit stellt sich die Frage der Erfassung, um rein technisch zu gewährleisten, dass solche Zahlungen ­ wenn sie denn geleistet worden sind ­ hinterher auch in Abzug gebracht werden können.