Tourismus

Sehen Sie die hier aufgezählten Konflikte auch? Falls ja: Wie sind diese Konflikte Ihres Erachtens zu lösen?

Rolf Born (Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen): Wir haben es innerhalb der Landwirtschaft in der Tat mit zwei Richtungen zu tun. Zum einen gibt es die Betriebe, die weiterhin produzieren. Diese Betriebe sind, wie ich eben ausgeführt habe, auf die landwirtschaftlichen Nutzflächen angewiesen. Zum anderen gibt es eine Reihe von Betrieben, die eine betriebliche Diversifizierung gewählt haben und insbesondere Serviceleistungen im Tourismus anbieten ­ Stichwort: Agrotourismus. Für diese Betriebe wäre der Nationalpark natürlich durchaus positiv und eine Hilfe, um diesen Betriebszweig weiterentwickeln zu können. Für die anderen Betriebe ist es hingegen insbesondere wichtig, dass sie auch weiterhin ihre Flächen erreichen können. Das gilt natürlich auch für die Betriebe, die diversifizieren. Auch diese Betriebe müssen selbstverständlich erreichbar sein. Vieles hängt davon ab, was in der Diskussion über das Wegekonzept letztendlich entschieden wird.

Dr. Lebrecht Jeschke: Ich habe mit großem Interesse verfolgt, was hier an Argumenten dafür und dagegen und an Bedenken geäußert worden ist. Ich glaube, in Deutschland wurde bisher kein Nationalpark gründlicher vorbereitet, als das hier bei diesem Vorhaben der Fall ist. Eine so breite Diskussion der Probleme in der Öffentlichkeit hat es bei keinem anderen Nationalpark gegeben, obwohl ­ das können Sie mir glauben ­ überall dort natürlich auch Probleme zuhauf zu lösen waren. Die Entwicklung hat aber gezeigt, dass Probleme lösbar sind, wenn der politische Wille vorhanden ist. Der politische Wille muss da sein, die entstehenden Probleme zu lösen.

Dann werden die Mittel und Wege dahin auch gefunden werden. Es wird in vieler Hinsicht auf Kompromisse ankommen.

Gestatten Sie mir noch eine Bemerkung zum Sinn und zum Inhalt eines Nationalparks. Dabei handelt es sich ja um ein Schutzgebietsmodell, das in den USA seinen Ursprung hat. Bei seiner Entwicklung ist von Anfang an festgelegt worden, dass Schutzgebiete, zu denen der Mensch keinen Zutritt hat, nicht Nationalpark sein dürfen. Zum Nationalparkkonzept gehört also der Mensch als Besucher ­ als Bedürftiger, wirkliche Natur zu erleben. Nur ein Nationalpark kann dies so uneingeschränkt und so gut vermitteln. Kein anderes Schutzgebiet kann das so gut wie der Nationalpark mit einer ausgefeilten Besucherbetreuung. Hier erlebt der Besucher wirklich eine neue Qualität von Natur, nämlich die vom Nutzungsdruck befreite Natur. Im Nationalpark beginnt er zu begreifen, was Naturschutz im Kern ist.

Die Konflikte sind also lösbar. Das gilt auch für das Wegekonzept. Wir haben zum Beispiel im Nationalpark Müritz Hunderte Kilometer Wege stillgelegt. Die Bevölkerung hat zunächst selbstverständlich auch Ach und Weh geschrien. Inzwischen ist das überhaupt kein Thema mehr. Das Wegekonzept, das Sie jetzt in der Vorbereitungsphase des Nationalparks erarbeiten, wurde bei uns vielfach hinterher erstellt.

Dann war es natürlich auch nicht einfacher; denn es ist schlichtweg unmöglich, einen Nationalpark gegen die Mehrheit der Bevölkerung durchzusetzen.

Ich denke, hier sind die Chancen gegeben, nach allen Regeln des demokratischen Rechtsstaats einen Nationalpark zu begründen, der langfristig gesehen auf jeden Fall ein Segen für die Region und ein Meilenstein für den Naturschutz in Deutschland sein wird. Das ist meine Überzeugung.

Friedhelm Ortgies (CDU): Ich habe noch eine Frage, die in dieselbe Richtung geht.

Herr Prof. Wachowiak, wie bewerten Sie dieses ­ in Anführungsstrichen ­ Konfliktpotenzial, bei dem unter anderem das Verkehrsaufkommen, die Schutzwürdigkeit und die Akzeptanz in der Bevölkerung eine Rolle spielen? Das wäre für unsere politische Entscheidung sehr wichtig.

Prof. Dr. Helmut Wachowiak (Internationale Fachhochschule Bad Honnef · Bonn): Ich bin gar nicht sicher, dass diese Frage richtig an mich adressiert ist; denn die Rolle unserer Fachhochschule in diesem Prozess war ja, sich die ökonomischen Aspekte eines Nationalparks, vor allen Dingen auch im Unterschied zu einem Naturpark, vorzunehmen. Diesbezüglich haben wir uns eingebracht.

Das Problem, das bei der gesamten Bewertung der touristischen Folgewirkungen und damit in der Konsequenz auch der verkehrlichen Folgewirkungen besteht, ist, dass keine hinreichenden Informationen zu den touristischen Strömen vorliegen. Es gibt relativ gute Möglichkeiten, den übernachtenden Fremdenverkehr in der Region zu fassen. Dies ist auch durch eine entsprechende Studie, die Ex-ante-Evaluation der regionalökonomischen Wirkungen des Tourismus im angedachten Nationalpark Siebengebirge, erfolgt.

Den Ausführungen kann man sich weitgehend anschließen. Allerdings hat beispielsweise Herr Dr. Röscheisen davon gesprochen, dass die Zahl der Tagesgäste in dieser Region irgendwo zwischen 3 und 5 Millionen liegt. Es gibt gute Gründe, zu sagen, dass es deutlich weniger sind. Es gibt aber auch sehr gute Gründe, zu sagen, dass die Zahl auch in diesem Bereich liegen kann. Man weiß es eben nicht.

Das führt zu dieser Problematik. Wenn wir darüber nachdenken, welche positiven Aspekte eines Nationalparks zu vermuten sind, können wir das nur dann fundiert tun, wenn wir die Basis kennen. Das tun wir aber nicht. Im Prinzip wissen wir bis heute nicht verlässlich, wie viel Tagesausflugsverkehr stattfindet. Das verhindert die gezielte Betrachtung der freizeitmotivierten Frequenzen, die sehr hoch verdichtet an den Wochenenden und auch in den Ferien auftauchen. Insofern kommt es sehr stark darauf an ­ Sie haben die Akzeptanz in der Bevölkerung angesprochen ­, dies herauszufinden.

An dieser Stelle bin ich vor allen Dingen bei denen, die die Chancen einer Nationalparkgründung betonen. Ich halte es für enorm wichtig, darüber zu informieren, dass das Produkt Nationalpark ­ wir nennen es Produkt; das soll jetzt nicht abwertend sein; aus Sicht des Tourismus ist der Nationalpark für uns aber ein Produkt ­ aufgrund verschiedener Argumente eine höhere Wertigkeit hat als ein Naturpark. Alle Seiten sind sich ja auch darüber einig, dass dadurch eine höhere touristische Nach frage zu erzielen sein wird. Dies kann aber nur dann passieren, wenn damit gleichzeitig eine Qualitätssteigerung verbunden ist.

Man darf die Nationalparkgründung also nicht instrumentalisieren, um ein Gegengewicht zu anderen Bedenken zu schaffen. Das kann der Tourismus nicht leisten. Damit würde man den Tourismus und auch die touristischen Argumente überstrapazieren.

Vielmehr muss man darüber nachdenken, was passiert, wenn der Nationalpark kommt. Die Erfahrungen aus anderen Nationalparkregionen zeigen, dass es insbesondere zu einer qualitativen Aufwertung kommen kann. Aufgrund des fehlenden Materials und der fehlenden Untersuchungen liegen für das Siebengebirge bezüglich dieser qualitativen Aufwertung keine verlässlichen regionalen Daten vor. Das muss man noch einmal festhalten. Alle bislang abgegebenen Stellungnahmen basieren auf Vergleichszahlen und auf deutschlandweiten Erhebungen. Es gibt keine lokal oder regional spezifischen Erhebungen in diesem Bereich. Insofern ist das Ganze auch viel Kartenleserei. Man kann allerdings vermuten, dass vor allen Dingen beim übernachtenden Fremdenverkehr eine Steigerung zu erwarten sein wird.

Dafür bedarf es auch einer professionellen Vermarktung; denn wenn die Touristen dann hier sind, erwarten sie auch qualitativ hochwertige Informationen. Dort muss man ansetzen ­ insbesondere vor dem Hintergrund, dass die derzeitigen Vermarktungsstrukturen im Siebengebirge alles andere als geeignet sind, diese Qualität zu erreichen. Wir kennen ja die Problematik der Tourismus Siebengebirge die an der Landesgrenze zu Rheinland-Pfalz nicht alle Kommunen als aktive Gesellschafter beteiligt. Das heißt: Wenn man hier überhaupt über die touristischen Aspekte spricht, muss man natürlich auch berücksichtigen, dass eine Nationalparkgründung gleichzeitig einer professionellen Tourismusvermarktung bedarf.

Diese Argumente zusammen kann man wiederum nehmen, um zu prüfen, wie man die Akzeptanz in der Bevölkerung gewährleisten kann. Meiner Meinung nach kann sie dann gewährleistet werden, wenn es gelingt, ein glaubhaftes Konzept vorzustellen, mit dem man aus der Nationalparkgründung heraus einen Qualitätstourismus entwickeln kann ­ und gerade nicht einen ungesteuerten Tourismus, der sich letzten Endes nur in den Tagesausflugsfrequenzen niederschlägt und langfristig sogar zu einem negativen Verlauf der touristischen Entwicklung führen könnte.

Eine negative Entwicklung würde sich nämlich dann einstellen, wenn ein Nationalpark ausgewiesen würde, es gleichzeitig aber nicht gelänge, über eine professionelle Vermarktung auch die Glaubwürdigkeit dieses neuen touristischen Highlights in einer Weise sicherzustellen, dass die Besucher gerne wiederkommen, weil sie zufrieden sind, und auch weitersagen, dass sich das Wiederkommen lohnt.

Insofern geht das Ganze Hand in Hand. Mit der Schaffung eines Nationalparks Siebengebirge ist eine sehr große Chance verbunden, gleichzeitig auch die tourismuswirtschaftliche Entwicklung in dieser Region nach vorne zu bringen.