Zunächst möchte ich etwas zu dem Begriff Kopfnoten sagen

Mathia Arent-Krüger (VBE NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Abgeordnete! Sehr geehrte Damen und Herren! Unsere Stellungnahme liegt Ihnen vor. Darüber hinaus möchte ich noch einige Anmerkungen machen.

Zunächst möchte ich etwas zu dem Begriff Kopfnoten sagen. Der VBE hält es für wichtig, sich von diesem Begriff zu lösen. Es darf nicht um Kopfnoten gehen, wie sie früher auf den Zeugnissen standen, es geht um Rückmeldungen zum Arbeits- und Sozialverhalten. Das sollte man auch genauso benennen. Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten auf den Zeugnissen haben ausschließlich einen pädagogischen Zweck. Sie stellen eine Rückmeldung an Schüler und Eltern dar und kein Disziplinierungsmittel.

Deshalb hält der VBE die Aussage, die die Schulministerin in der Plenardebatte am 14. Mai 2008 und auch vorher schon mehrmals in den Medien getroffen hat, für völlig verfehlt. Sie lautete: Niemand muss sich in der Schule schlecht benehmen, (...). Wir Lehrerinnen und Lehrer vergeben keine Noten für gutes oder schlechtes Benehmen. Wir bewerten auch nicht das, was das Elternhaus den Kindern mitgibt.

Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten sind wichtig. Es sind zwei wesentliche Dimensionen menschlichen Verhaltens und spielen eine entscheidende Rolle im Hinblick auf die Erfüllung des Bildungs- und Erziehungsauftrags von Schulen. Arbeits- und Sozialverhalten sind darüber hinaus auch zwei entscheidende Dimensionen schulischen Lernens und vermitteln Aufschluss darüber, wie Leistungen zustande kommen; denn Lernen beschränkt sich nicht nur auf Fachwissen. Es ist nicht einseitig intellektuell orientiert, sondern umfasst den ganzen Menschen.

Aussagen zum Arbeits- und Sozialverhalten beschreiben einen Istzustand und sollten bzw. müssen auch Veränderungshinweise beinhalten. Es geht um Rückmeldungen, die Schülern und Eltern helfen sollen. Solche Rückmeldungen haben die Grundschulen schon lange vor der neuen Regelung gegeben. Dafür haben sie Verfahren entwickelt. Für den VBE ist nicht nachvollziehbar, weshalb diese entwickelten, erprobten und von den Eltern anerkannten Verfahren jetzt nicht mehr angewendet werden.

Es wird so viel von individueller Förderung und eigenverantwortlicher Schule geredet.

Zur individuellen Förderung gehören auch individuelle Rückmeldungen. Zur eigenverantwortlichen Schule gehört auch, dass die Schule ihre eigenen Instrumente entwickelt und anwendet. Statt den Schulen diese Freiheiten zu lassen, wird mit einem Monstrum namens Handreichungen wieder detailgenau reguliert.

Der VBE vertritt die Auffassung, dass das aktuelle Verfahren unangemessen und nicht handhabbar ist. Wenn es um Rückmeldungen geht, genügt es völlig, das Arbeits- und Sozialverhalten von Schülerinnen und Schülern in einer beschreibenden Form auf dem Zeugnis oder einer dem Zeugnis beigelegten Anlage wiederzugeben.

Ziffernnoten sind hier wenig differenziert und aussagekräftig, deshalb sollte darauf verzichtet werden.

Ein weiterer Punkt sind die Fehlzeiten auf Abschlusszeugnissen. Da dieses Problem seit jeher strittig ist, bedarf es zunächst einmal der Klärung, ob datenschutzrechtliche Gründe dagegen sprechen und die Rechte des Einzelnen verletzt werden.

Der VBE ist der Meinung, dass das Verfahren zur Beurteilung des Arbeits- und Sozialverhaltens keineswegs so bleiben kann, wie es ist. Wir halten einen Dialog mit allen Beteiligten deshalb für unverzichtbar und fordern die Schulministerin erneut auf, alle Beteiligten an einen Tisch zu holen, um zu einem abgestimmten und tragfähigen Verfahren zu kommen.

Dr. Bernhard Keller (Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Unsere schriftliche Stellungnahme liegt Ihnen vor, deshalb möchte ich nur in aller Kürze einige ergänzende Bemerkungen machen.

Aus der Sicht der Arbeitgeber wird das Arbeits- und Sozialverhalten sehr gut durch die sechs angegebenen Persönlichkeitsmerkmale beschrieben. Ich glaube, dass in dieser Hinsicht eine große Übereinstimmung besteht, umso wichtiger sind Kopfnoten.

Es wäre zu prüfen, ob es bei sechs Noten bleiben muss, möglicherweise reichen vier Noten aus.

Auf diese zu verzichten, würde vor allem schwachen Schülerinnen und Schülern mit guten Kopfnoten schaden. Sind diese Schülerinnen und Schüler engagiert und leistungsbereit, sollten sie eine Chance bekommen, auch wenn die Fächernoten keinen Anlass zum Jubel bieten. Es geht um die Chance, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Auch im Ausbildungskonsens wird ähnlich argumentiert.

Dass die Unternehmen es ernst meinen und bereit sind, sich um die schwächeren Schülerinnen und Schüler zu kümmern, unterstreicht ein Tarifvertrag, den vor wenigen Wochen der Verband der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen und die IG Metall NRW unterzeichnet haben. Dabei geht es um die Förderung durch Integration in den Arbeitsprozess mit dem Angebot, nach spätestens einem Jahr einen Ausbildungsplatz bereitzuhalten. Ob Tarifvertrag oder gute Kopfnoten, wir müssen uns nicht nur aus gesellschaftspolitischen Gründen um die Schwächeren kümmern, auch die demografische Entwicklung zwingt uns dazu.

Im Begründungstext des Gesetzentwurfs wurde angemerkt - Zitat -, die Lehrerinnen und Lehrer seien für die Benotung des Arbeits- und Sozialverhaltens nicht ausgebildet. Für diese Feststellung fehlt uns jegliches Verständnis. Selbstverständlich können Lehrerinnen und Lehrer das Arbeits- und Sozialverhalten benoten. Wenn nicht die Lehrerinnen und Lehrer, wer dann?

Kopfnoten und die Aufnahme von Fehlzeiten in Abschlusszeugnissen sind in der Tat - so wie es im Gesetzentwurf festgestellt wird - nicht revidierbar. Das gilt für alle Noten und Texte auf Zeugnissen, auch in der Arbeitswelt. Deshalb läuft der Vorwurf der Nichtrevidierbarkeit ins Leere. Bei Bewerbungen muss man sich mit diesem Sachverhalt auseinandersetzen und sich gegebenenfalls auch kritischen Fragen stellen. Die Nichtrevidierbarkeit hat dann hoffentlich erzieherische Wirkungen, nämlich bei schlechten Kopfnoten sein Arbeits- und Sozialverhalten zu revidieren. Das ist sehr häufig bitter nötig bei unangemessenem Arbeits- und Sozialverhalten. Noten sind in solchen Fällen unverzichtbar. Sie werden vom Leser der Zeugnisse ernst genommen, das sollten Schülerinnen und Schüler auch wissen. Wer in diesem Kontext von Disziplinierung von Schülerinnen und Schülern spricht, argumentiert am Thema vorbei. Unangemessenes Verhalten auf Zeugnissen gutachterlich zu beschreiben, würde nicht ernst genommen.

Als Resümee möchte ich festhalten, dass sich die Landesvereinigung der Arbeitgeberverbände nach wie vor für Kopfnoten ausspricht.

Andreas Meyer-Lauber (GEW NRW): Sehr geehrter Herr Vorsitzender! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte etwas zu dem Gesetzentwurf sagen, um den es hier geht: Aus Sicht der GEW ist § 49 Abs. 2 Schulgesetz entbehrlich. Der Vorschlag der Grünen hinsichtlich einer Novellierung dieses Paragrafen enthält verschiedene Elemente, auf die ich kurz eingehen möchte.

Erstens zu dem Punkt, dass die Kopfnoten nicht auf Abschluss- und Abgangszeugnissen auftauchen sollen: Ich halte das gerade in der aktuellen Diskussion für eine wichtige Frage. Bei allen Bemühungen der Landesregierung, sonst auf die Vergleichbarkeit zu anderen Bundesländern oder europäischen Entwicklungen einzugehen, isoliert sich Nordrhein-Westfalen mit sechs Kopfnoten auf Abschlusszeugnissen, insbesondere in der zehnten Klasse und beim Abitur, bundes- und europaweit deutlich. Vergleichbare Abiturzeugnisse gibt es nicht. Das ist insofern eine Sonderrolle, die man als Bevorzugung oder Benachteiligung interpretieren kann; das will ich Ihnen überlassen. Es ist auf jeden Fall eine Unikatregelung, die meines Erachtens modernen Entwicklungen, wie sie in anderen Ländern deutlich werden, nicht entspricht.

Es gibt dabei noch ein Sonderproblem, auf das ich Sie hinweisen möchte, weil es Sie demnächst beschäftigen wird. Ob die Vergabe von Kopfnoten im Abitur, in der gymnasialen Oberstufe überhaupt rechtmäßig ist, wird noch zu prüfen sein. § 18 Abs. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die gymnasiale Oberstufe zählt abschließend auf, welche Konferenzen es gibt. Es gibt im Halbjahr 13/II keine Konferenz für den Schüler, die überhaupt über Kopfnoten entscheiden kann. Wie man damit umgeht, mögen die Landesregierung oder die Verwaltungsgerichte entscheiden; das werden wir sehen. Nur, es ist Handlungsdruck da, weil es in wenigen Wochen Abiturzeugnisse gibt, und die Schülerinnen und Schüler heute - demnächst vielleicht noch öfter - zeigen, dass sie damit nicht einverstanden sind und das nicht wollen.

Der zweite Vorschlag in dem Entwurf der Grünen ist, die Notierung von Fehlzeiten auf Zeugnissen aufzugeben. Auch das halte ich für durchaus machbar und kein großes Problem. An der Stelle sei gesagt, dass für besondere Fälle immer schon im Schulrecht unter der Rubrik Bemerkungen für die Lehrerkonferenz, die zuständige Jahrgangs- oder Versetzungskonferenz, die Möglichkeit bestand, Anmerkungen zu machen. Diese Regelung sollte bleiben, sie ist aber auch von § 49 Abs. 2 nicht berührt.

Der dritte Vorschlag ist, die Kopfnoten in Ziffernform aufzulösen zugunsten von beschreibenden Aussagen auf Zeugnissen nach Grundsätzen, die die Schulkonferenz entwickelt.