Wohlfahrt

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Die Bekämpfungskonzepte der Polizei zur Reduzierung von Jugendkriminalität setzen ebenfalls auf Vernetzung und Zusammenarbeit mit anderen Institutionen. Landesweit zeigt eine Vielzahl von Projekten, dass insbesondere Ordnungspartnerschaften erfolgreich Lösungen zur Bekämpfung der Jugendkriminalität erarbeiten und umsetzen.

Hierzu möchte ich fünf lokale Beispiele aufzeigen.

Erstens: Mit dem Projekt Jugendliche Intensivtäter haben Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt in Mönchengladbach die Zahl der Delikte von Mehrfachtätern im Alter von 14 bis 18 Jahren innerhalb eines Jahres fast halbiert. In regelmäßig stattfindenden Sicherheitskonferenzen der beteiligten Behörden wird nach einem intensiven Informationsaustausch festgelegt, welche straffälligen Jugendlichen in das Interventionsprogramm aufgenommen werden. Die Aufnahme in das Programm bedeutet für die Jugendlichen, dass sie von Polizei und Jugendamt intensiv beobachtet werden und individuelle Hilfsangebote erhalten.

Das Projekt wurde im September 2005 mit dem Deutschen Förderpreis Kriminalprävention ausgezeichnet.

Zweitens: Das Polizeipräsidium Köln setzt seit Beginn des Jahres 2005 mit seiner umfassenden Bekämpfungskonzeption gegen Intensivtäter, die alle Altersgruppen umfasst, im Kern auf eine konsequente und offensichtliche Beobachtung der rund 100 als Intensivtäter anzusehenden Kinder, Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen. Die Täter werden beobachtet und angesprochen, bis hin zum zweiwöchentlichen Hausbesuch mit einer sogenannten Gefährderansprache. Die Zielgruppe soll von weiteren Straftaten abgehalten werden, indem das Entdeckungsrisiko durch polizeiliche Befassung mit ihren Personen deutlich gemacht wird; hier wird auf Abschreckungseffekte gesetzt. Ein weiterer Baustein der Konzeption ist die enge Kooperation mit der Justiz bei Ermittlungsverfahren gegen Intensivtäter; Staatsanwaltschaft und Amtsgericht sorgen nach Übernahme der Ermittlungsakten dafür, dass es zügig zur Hauptverhandlung kommt.

Drittens: Die Konzeptionen der Kreispolizeibehörden Düren, Gelsenkirchen und Unna zur Reduzierung von Kinder- und Jugenddelinquenz sind ebenfalls erfolgversprechend.

Auch sie berücksichtigen die Notwendigkeit einer effektiven Zusammenarbeit mit der Justiz und den Jugendämtern. Die Projekte sind alle individuell nach Analyse der örtlichen Probleme und Rahmenbedingungen entwickelt und weisen daher auch spezifische Unterschiede aus. Während die meisten Projekte sich auf die Intensivtäter konzentrieren, stellt die Kreispolizeibehörde Gelsenkirchen die sog. Gefährderansprache beim Ersttäter, bei dem eine Karriere als Mehrfachtäter eher wahrscheinlich ist, in den Mittelpunkt des Projekts. Ziel ist es, eine Verhaltensänderung durch Einstellungswandel zu bewirken. Das Projekt wird mit dem Ziel einer Wirkungsevaluation bis zum Jahresende 2007 wissenschaftlich begleitet.

Viertens: In dem seit 1997 bestehenden Jugendhilfe-Netzwerk Essen-Katernberg, einer Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt, arbeiten Polizei, Jugendamt, Arbeiterwohlfahrt, Krisenhilfe, Schulen, Kindergärten, örtliche Moscheevereine, katholische und evangelische Kirchengemeinde und Bezirksvertretung im Rahmen einer Ordnungspartnerschaft seit Jahren eng und vertrauensvoll zusammen. Neben dem ursprünglichen Zweck, kriminelle Karrieren von Kindern und Jugendlichen zu verhindern oder zu unterbrechen,

5. Sitzung (öffentlich) ei-hoe trägt das Netzwerk dazu bei, dass Bürgerinnen und Bürger, Muslime und insbesondere aber muslimische Vereine, sich mit ihrem Stadtteil identifizieren und friedlich miteinander leben.

Die folgenden Aktivitäten zeigen, dass dieses Netzwerk gerade auch durch das Engagement von Moscheevereinen erfolgreich ist:

- Der Imam der arabischen Moschee übt sozialen Druck auf die Eltern der großen Zahl von jungen libanesischen Schulverweigerern aus.

- Die Moscheevereine klären über das geänderte Waffenrecht auf mit der Folge, dass eine Vielzahl von Waffen freiwillig abgegeben wurde.

- Die Imame der beteiligten Moscheevereine unterstützen im Rahmen von Gewaltpräventionsarbeit die Standpunkte der Polizei und fordern dazu auf, die deutschen Gesetze einzuhalten.

- Sie distanzieren sich öffentlich von Gewalt und Terrorismus, so zum Beispiel der Imam der arabischen Moschee jeweils unmittelbar nach den Anschlägen von New York und Madrid.

- Im Auftrag der Bundeszentrale für politische Bildung hat das PP Essen gemeinsam mit den Polizeibehörden in Berlin und Stuttgart ein Konzept zur Kooperation von Polizei und Moscheevereinen erarbeitet. Das Konzept wurde unter dem Projektnamen Transfer interkultureller Kompetenz am 29. November 2004 in Berlin vorgestellt.

Zwischenzeitlich hat das PP Essen ergänzend einen Filmbeitrag und eine Broschüre Gemeinsam aktiv für Essen / Miteinander der Kulturen ­ Polizei im Dialog erstellt. Sie werden für die polizeiliche Fortbildung genutzt. Neben anderen wird das PP Essen für sein vorbildliches Engagement Mitte Dezember 2005 mit dem Landespreis für innere Sicherheit 2005 ausgezeichnet.

Das Innenministerium hat im letzten Jahr ein Handlungskonzept der Polizei des Landes Nordrhein-Westfalen zur Früherkennung islamistischer Terroristen in Kraft gesetzt.

Das Konzept berücksichtigt neben Früherkennungs- und Gefahrenermittlungsaktivitäten der Polizei auch den Aspekt der Gefahrenminderung durch Vertrauensbildung zu Personen in gemäßigten muslimischen Institutionen. Hier sind Kontakte, ist persönliches Sich-Kennen- und Verstehen-Lernen wichtig.

Vertrauensvolle Kontakte zwischen Polizei und muslimischen Institutionen ermöglichen auch den Zugang zu jungen Muslimen und eröffnen damit auch Ansätze für Kriminalprävention. Die Polizei soll deshalb durch speziell fortgebildete Kontaktbeamte an der Vertrauensbildung von gemäßigten muslimischen Institutionen in die deutsche Staatsgewalt arbeiten. Zwischenzeitlich werden in einem Großteil der Kreispolizeibehörden es werden von Monat zu Monat mehr - entsprechende Kontaktbeamte eingesetzt. Die ersten Erfahrungen zeigen, dass gemäßigte muslimische Einrichtungen die festen Ansprechpartner der Polizei vermehrt annehmen und diese beispielsweise zu Veranstaltungen und Feierlichkeiten einladen.

Am 30. September 2005 wurde - mit einigen anderen Regelungen in dem Kontext der Neuausrichtung von Steuerung und Führung - ein Erlass Qualitätsoffensive in der 18 von 25

5. Sitzung (öffentlich) ei-hoe minalitätsbekämpfung den Abgeordneten übermittelt. Unter anderem wird in diesem Erlass allen Behörden vorgegeben, Intensivtäterkonzepte zur Kriminalitätsbekämpfung zu erarbeiten und umzusetzen. Serien- und Intensivtäter sowie Banden sollen verstärkt bekämpft werden mit dem Ziel, Serienstraftaten zu verhindern bzw. zu beenden. Bei den zuständigen Staatsanwaltschaften soll auf Absprachen zur bevorzugten Bearbeitung von Straftaten mit Intensivtätern hingewirkt werden.

Das Justizministerium wurde gebeten, bei den Staatsanwaltschaften dafür zu werben, sich entsprechenden Anregungen der Polizeibehörden vor Ort nicht zu verschließen.

Das Justizministerium ist dieser Bitte nachgekommen und hat die Generalstaatsanwälte mit Erlass vom 15. November 2005 darüber informiert, dass es die Bitte des Innenministeriums - ich zitiere nachdrücklich unterstützt, entsprechend der polizeilichen Schwerpunktbildung bei der verstärkten Bekämpfung von Serien- und Intensivtätern sowie Banden die Ermittlungsverfahren gegen diesen Beschuldigtenkreis in Absprache mit den Polizeibehörden auch bei den Staatsanwaltschaften bevorzugt und mit besonderer Beschleunigung zu bearbeiten.

Mit Erlass gleichfalls vom 30. September 2005 stellt das Innenministerium darauf ab, die polizeiliche Präsenz insbesondere und gezielt an erkannten Brennpunkten und Angsträumen zu verstärken.

In diesem Zusammenhang wurden auf örtlicher Ebene bereits von einigen Kreispolizeibehörden Präsenzkonzepte umgesetzt.

Darüber hinaus führen die Kreispolizeibehörden auf der Grundlage der dargestellten Gefährdungslage bis auf weiteres verstärkte Aufklärungsmaßnahmen in den späten Abend- und frühen Nachtstunden durch. Hierzu werden Wachdienstkräfte, die in einigen Kreispolizeibehörden durch Kräfte der Bereitschaftspolizei unterstützt werden, eingesetzt. Ich erwarte, dass wir das im Laufe der Woche einstellen können.

RAng Dr. Hans Walter Schulten (MGFFI): Gestatten Sie mir, ein paar Anmerkungen aus integrationspolitischer Sicht dazu zu machen.

Die gewalttätigen Unruhen in Frankreich haben natürlich auch eine Diskussion über die Zielsetzungen und die Wirksamkeit unserer eigenen Integrationspolitik ausgelöst. Diese Diskussion ist sinnvoll und notwendig. In Frankreich wird offen über das Scheitern der Integration debattiert. Zwar sind dort die jungen Einwanderer - um die geht es ja hauptsächlich - mehrheitlich im Besitz der französischen Staatsangehörigkeit und sprechen die Landessprache. Dieser formellen Einbindung in die Nation ist jedoch keine soziale Integration in die Schulen, in den Arbeitsmarkt und in die Stadtgesellschaften gefolgt.

Dies ist aber - das kann für uns eine Lehre sein, die wir aus den Unruhen ziehen - von großer Bedeutung.

Es gibt auch in Deutschland besorgte Stimmen, die vor französischen Verhältnissen warnen. Die dortige Situation ist aber nicht eins zu eins auf Deutschland oder gar auf Nordrhein-Westfalen übertragbar. Das ist auch in der Debatte im Landtag am 9.