Was haben wir getan was müssen wir tun. Zu dieser Fragestellung will ich auf sechs Punkte

5. Sitzung (öffentlich) ei-hoe vember 2005 von allen Fraktionen zum Ausdruck gebracht worden. Es ist offenkundig, dass es auch bei uns deutliche Integrationsdefizite bei Sprache, Bildung, Ausbildung und Beschäftigung gibt, und diese Tatsache muss man offen ansprechen. Aber weder ist die Situation der jungen Zugewanderten hier so perspektiv- und hoffnungslos wie in vielen Städten Frankreichs, noch sind unsere Stadtteile in einem Ausmaß segregiert, wie dies in den Banlieues, den Außenbezirken, der Fall ist. Gleichwohl müssen uns die Unruhen in Frankreich Mahnung sein, alles zu tun, um Integration kraftvoll voranzubringen.

Was haben wir getan, was müssen wir tun? - Zu dieser Fragestellung will ich auf sechs Punkte eingehen.

Erstens: Mit der erstmaligen Schaffung eines Integrationsministeriums haben diese Landesregierung deutliche Zeichen dafür gesetzt, dass wir eine ganzheitliche Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen verfolgen. Ihr oberstes Ziel ist es, den Zugewanderten einen sicheren und festen Platz in unserer Gesellschaft zu geben. Gleichzeitig gilt: Wir wollen eine Integrationspolitik, die auch fordert, die von vornherein deutlich macht, was wir von den Menschen mit Zuwanderungsgeschichte erwarten: die uneingeschränkte Anerkennung unserer Verfassung und eigene Anstrengungen, sich auf Deutsch verständigen zu können und sich sozial zu integrieren.

Zweitens: In der Regierungserklärung vom 13. Juli 2005 ist der zentrale Stellenwert der Integration für die Zukunftsfähigkeit Nordrhein-Westfalens deutlich markiert worden.

Hier sind auch die Schwerpunkte gesetzt worden, die verhindern sollen, dass es zu ähnlichen Entwicklungen wie in Frankreich kommt.

Drittens: Damit jeder einzelne junge Mensch entsprechend seinen Talenten und Fähigkeiten die Schule erfolgreich durchlaufen kann, werden wir so früh wie möglich durch die vorschulische Sprachförderung die Grundlagen für den Schulerfolg legen. Hierfür werden wir ab dem 4. Lebensjahr in den Tageseinrichtungen für Kinder den Sprachstand feststellen und den Spracherwerb fördern. Das ist eine steuernde Maßnahme zur Prävention sozialer Ausgrenzung.

Viertens: Menschen muslimischen Glaubens sind Teil unserer Gesellschaft. Die Frage, wie sich die Muslime in Nordrhein-Westfalen organisieren, muss von den Muslimen und ihren derzeit vorhandenen Organisationen selbst beantwortet werden. Aber die Landesregierung bietet Unterstützung dabei an, zu einer einheitlichen Vertretung der Muslime auf Landesebene zu kommen, die Gesprächspartner von Landtag und Landesregierung sein kann.

Fünftens: Die Landesregierung strebt einen regulären Religionsunterricht für Muslime in deutscher Sprache an, unter deutscher Schulaufsicht und durchgeführt von in Deutschland ausgebildeten Lehrkräften. Wir wissen, dass der Weg dahin nicht einfach sein wird.

Bei diesem Vorhaben kann die Landesregierung aber auf dem Angebot der Islamkunde aufbauen, das es seit 1999 gibt und mittlerweile in ca. 120 Schulen angeboten wird.

Sechstens: In der Regierungserklärung ist die fraktionsübergreifende Integrationsoffensive vom 19. Juni 2001 als Grundlage für eine zukunftweisende Integrationspolitik der Landesregierung bestätigt worden. Hierzu gehören neben der vorschulischen Sprachförderung vor allem

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- die Arbeit der Regionalen Arbeitsstellen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien - kurz RAA genannt -, die mittlerweile in 27 Städten erfolgreich als Integrationsagenturen arbeiten,

- die Neukonzeption der Migrationssozialarbeit der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege in Nordrhein-Westfalen, die in einer gemeinsamen Anstrengung gezielt auf die Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen und auf die Handlungsfähigkeit in sozial belasteten Stadtteilen ausgerichtet wird,

- die vielfältigen Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, insbesondere der offenen Kinder- und Jugendarbeit,

- die Unterstützung der Städte, Kreise und Gemeinden in NRW bei der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes und der Optimierung kommunaler Integrationsanstrengungen, unter anderem durch das Programm Kommunale Innovationen in der Integration,

- schließlich die Stadtentwicklungspolitik - um anzureißen, was mit ganzheitlicher Integrationspolitik gemeint ist, ohne alle Bereiche aus unterschiedlichen Ressortzuständigkeiten zu nennen -, die wesentliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration schafft. Die Landesregierung wird das vom Landtag 2002 einstimmig beschlossene Programm Soziale Stadt NRW konsequent fortführen und weiterentwickeln.

Bei aller Notwendigkeit engagierter Integrationspolitik gilt: Nicht nur der Staat ist gefordert, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt sind in der Pflicht, ebenso jeder einzelne Zuwanderer. Perspektiv- und Hoffnungslosigkeit dürfen nicht um sich greifen. Wir müssen alles unternehmen, um denjenigen Zuwanderern, die sich ihrerseits anstrengen, tatsächlich auch Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Mit nicht gelingender Integration wollen und werden wir uns nicht abfinden.

Vorsitzender Winfried Schittges: Herzlichen Dank für Ihre Vorträge. Wortmeldungen hierzu? - Herr Dr. Rudolph, bitte.

Dr. Karsten Rudolph (SPD): Ich möchte mich zunächst bei Herrn Behrendt und bei Herrn Schulten für die Berichte bedanken. Uns war das Thema wichtig. Hätte man die französische Politik vor einem halben Jahr gefragt, ob die Vorstädte von Paris und anderen Städten in Aufruhr sind und dort Autos brennen, hätten die wahrscheinlich gesagt: Das wäre bei uns gar nicht möglich; das kommt gar nicht in Frage. - Und jetzt ist es eine Sache der Polizei, die versucht, das in den Griff zu bekommen.

Deswegen ist es meines Erachtens gut, dass man sich dann, wenn man solche Ereignisse in Nachbarländern sieht, vergewissert, ob die eigenen Maßnahmen der Integrationspolitik, aber auch die polizeiliche Seite so ausgerichtet sind, dass man solche Entwicklungen nach Möglichkeit vermeidet.

Zunächst zu dem Bericht zur polizeilichen Seite. Ich musste dabei etwas schmunzeln; das war aber nicht auf Sie bezogen. Ich habe gestern Abend mit deutschen und niederländischen Studierenden den Film. Die fetten Jahre sind vorbei gesehen. Als Sie von

5. Sitzung (öffentlich) ei-beh den eventuell gewaltbereiten subkulturellen erlebnisorientierten Jugendgruppen sprachen, fiel mir das wieder ein; dann ging es auch noch um Serientäter und Banden. Ich habe zur Kenntnis genommen: Das gesamte Phänomen von möglichen Gewalttätergruppen ist von der Polizei sozusagen unter Beobachtung. Es gibt auch Maßnahmen und Initiativen, von Ordnungspartnerschaften bis hin zu Einzelprojekten, die Sie nannten, die eine nordrhein-westfälische Polizei zeigen, die sich - ich glaube, so viel Kritik am Nachbarn darf erlaubt sein - von der französischen Polizei positiv unterscheidet.

Zwei Bemerkungen zur Integration. Erstens fand ich Ihre Ausführungen, Herr Schulten, ganz in Ordnung. Ich würde mir wünschen, dass die Integrationspolitik der Landesregierung mehr in dieser sachlichen und fachlichen Richtung verläuft und nicht durch Debatten um deutsche Leitkultur gestört wird.

Das Zweite ist: Wir würden uns natürlich freuen, wenn bei den von Ihnen nur mittelbar angesprochenen Förderprogrammen, etwa die Maßnahmen zur sprachlichen Integration oder auch die anderen Integrationsmaßnahmen, die offensichtlich bevorstehenden Haushaltskürzungen um 20 % beim nächsten Haushalt nicht all das dementieren würden, was Sie uns vorstellen. Dann hätten wir zwar einen Integrationsminister; er wäre aber, zumindest was die finanzielle Ausstattung angeht, wirkungsloser als jede Landesregierung zuvor, die keinen Integrationsminister hatte. Darauf brauchen Sie jetzt nicht zu antworten; ich möchte es Ihnen nur mitteilen, vielleicht um es den politisch Verantwortlichen auszurichten.

RAng Dr. Hans Walter Schulten (MGFFI): Wenn Sie gestatten, zwei kurze Bemerkungen dazu. Der eine Punkt: Herr Minister Laschet hat nicht von einer deutschen, sondern einer gemeinsamen Leitkultur gesprochen.

Zu dem anderen Punkt, was die Förderprogramme angeht, darf ich ein Beispiel nennen.

Das Programm Kommunale Innovationen in der Integration ist im ersten Nachtrag noch unter der alten Regierung bewilligt worden. Die neue Regierung hat entsprechende Verpflichtungsermächtigungen in den zweiten Nachtrag aufgenommen, sodass die begonnenen Programme in den 39 Städten mit verminderten Finanzmöglichkeiten - das muss man einfach sehen, weil die angesichts der Haushaltskonsolidierung nicht ausgeschlossen sind - im nächsten Jahr fortgesetzt werden können.

Monika Düker (GRÜNE): Schönen Dank für die Vorträge. Ich finde im polizeilichen Bereich die Herangehensweise aus meiner Sicht sehr unterstützenswert, dass man sich als Polizei nicht davor drückt, sondern versucht, in die gefährdeten Gruppen - Sie sprachen Intensivtäter, aber auch Einzeltäter, die gesamte Bandbreite, an - hereinzukommen und dass man da etwas ausprobiert. Gefährderansprachen haben sich in der Vergangenheit ja auch schon bewährt, insbesondere bei dem Phänomen der Hooligans und bei anderen Gewaltgruppen. Wir kennen aus Köln das Konzept mit den Klaukids; in der Hinsicht gibt es auch interessante Ansätze.

Eines fand ich besonders wichtig, und das würde ich für meine Fraktion noch verstärken, nämlich das Thema Ordnungspartnerschaften vor Ort, das heißt den Versuch zu unternehmen, zwischen Moscheevereinen und der Polizei noch stärker Vertrauen aufzubauen. Aus meinen Gesprächen, die ich mit muslimischen Verbänden geführt habe,