Privatschule

Organisation - in diesem Falle: dem Schulministerium - und ihren Mitarbeitern - in diesem Falle: den Lehrerinnen und Lehrern - entwickelt werden.

Es ist ein Ausweis politischer Größe, meine Damen und Herren, Maßnahmen evaluierbar zu konzipieren und somit der Korrektur zugänglich zu machen, oder sie gar zurückzunehmen, wenn sie sich als Fehler erweisen. Es ist ein Beleg für Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern, wenn Wandel so gestaltet wird, dass er motiviert und nicht demotiviert.

Denn man kann als Nebeneffekt von G 8 feststellen, dass sich viele pädagogische Entwicklungen abzeichnen, die interessanterweise aus dem Musterkoffer der Reformpädagogik stammen. Die Frage ist, ob das nur rhetorisch geschieht. Wenigstens diese Maßnahmen sollten ernsthaft und planerisch ­ also von Evaluation und Wandlungsmanagement begleitet ­ angegangen werden, wie zum Beispiel die versprochene Verschlankung der Lehrpläne mit dem ernsthaften Bemühen, sich wirklich auf unverzichtbare Kerne zu beschränken und somit zu definieren, was alle Jugendlichen am Ende der Pflichtschulzeit mindestens wissen und können müssen.

Ein weiteres Beispiel ist eine tatsächliche pädagogische und materielle Unterstützung solch komplexer pädagogischer Anforderungen wie Rhythmisierung und Individualisierung, damit sie nicht nur Zumutung an die Lehrerschaft sind. Ein drittes Beispiel ist die am tatsächlichen Bedarf orientierte Einrichtung von Förder- und Ergänzungsunterricht und eine Wirkungsevaluation, die ihre Verbesserung ermöglicht, damit diese Maßnahmen tatsächlich zur Reduktion von Chancenungleichheit beitragen können. Dass dies alles einfacher, sinnvoller, effektiver und entspannter in der alten Zeitspanne statt unter dem Diktat der Komprimierung hätten passieren können, sollte noch gesagt werden.

Geht man davon aus, dass die Verkürzung der für den Hochschulzugang notwendigen Schuljahre insbesondere wegen der die Bundesländer übergreifenden Dimension kaum mehr rückgängig zu machen ist, sollte wenigstens über Alternativen zum aktuellen Modell nachgedacht werden. Eine Alternative ist die oft diskutierte ­ gerade wurde sie auch schon von Frau Keens angesprochen ­ Kürzung der gymnasialen Oberstufe.

Diese Kürzung ist eine alternative Strukturierung der Schulzeit, die wahrscheinlich schon deshalb gefahrlos ist, weil sie die erfolgreichsten Lerner betrifft. Innerhalb dieser Alternative gibt es Varianten. Eine interessante Variante ist die Einführung einer flexiblen Jahrgangsstufe 11. Wenigstens drei sinnvolle und realisierbare Optionen sind zu nennen: Erstens. Das flexible oder freie Jahr ermöglicht Auslandsaufenthalte oder Praktika von Schülern, ohne dass sie etwas versäumen.

Zweitens. Schüler mit gewissen Lernschwierigkeiten oder aus nicht-gymnasialen Bildungsgängen, die in die gymnasiale Oberstufe wechseln wollen, könnten ihr Wissen und Können verbessern oder Versäumtes nachholen.

Drittens können diejenigen, die ihre Bildungskarriere beschleunigen wollen, das elfte Schuljahr überspringen.

So könnte die Lernzeit liberalisiert und nicht-formale Qualifikationen könnten verrechnet werden. Strukturen ließen sich so individualisieren. Es scheint nicht plausibel zu sein, meine Damen und Herren, die Schule durch Strukturen statt durch Lernen, also durch Inhalte und Kompetenzen, zu organisieren. Wo ist das große empirische Forschungsvorhaben, das ermittelt, was an der Schule verbindlich gelernt und erfahren werden muss, damit junge Menschen eine Chance auf ein erfülltes Leben haben?

Dirk Norpoth (VDP Privatschulverband NRW e. V.): Der Verband Deutscher Privatschulen begrüßt die Entscheidungen im Zusammenhang mit der Verkürzung der Schuljahreszeit.

Wir erkennen in der sogenannten Ganztagsoffensive erhebliche Anstrengungen, die wahrscheinlich die Haushaltsmöglichkeiten austarieren. Die Privatschulen erwarten aber, dass die Privatschulen und Schulen in freier Trägerschaft durch die Ihnen bekannte Verkopplung und enge Anbindung der Organisation der privaten Ersatzschulen an die Regelschulen in gleicher Weise an diesem Projekt beteiligt werden.

Soeben ist vorgeschlagen worden, ein Sonderkontingent für diese Schulen zu schaffen. Dem stehen wir offen gegenüber - sei es beim Sonderkontingent oder bei der bisherigen Planung. Auf jeden Fall muss die gesetzlich und von der Verfassung sowieso vorgesehene Ankopplung der Ersatzschulen erfolgen.

Das Modell 9 plus 3 basiert auf einem KMK-Beschluss. Dabei sind die Spielräume der Länder natürlich begrenzt. Man hätte in der Vergangenheit schon viel eher zu dieser Schulzeitverkürzung kommen sollen, vielleicht nach der deutschen Wiedervereinigung. Das ist zwar auch diskutiert, aber recht schnell verworfen worden. Aber wir sind der Meinung, dass diese Entscheidung überfällig war.

Das Modell 10 plus 2 sehen wir ähnlich wie mein Vorredner. Es wäre also zu begrüßen, wenn man auf KMK-Ebene nach einigen Jahren der Erfahrung das jetzige, dreijährige Modell unter Einbeziehung der Jahrgangsstufe 10 noch einmal auf den Prüfstand stellt, um die mögliche Alternative einer zweijährigen Oberstufe in Erwägung zu ziehen. Wir halten sowieso für notwendig, sich bei der Schul- und bei der Unterrichtsentwicklung gerade in der Zeit beschleunigter Reformen immer wieder zu fragen, ob man auf dem richtigen Weg ist.

Wir begrüßen die Oberstufenreform im Grundsatz. Man sollte aber auf die Gleichwertigkeit der Fächer achten. Wir haben auch aufgrund der Verbindungen zu internationalen Schulen, die in unserem Verband sind, gut beobachten können, welche Erfolge diese Schulen mit ihren Schülern im anschließenden Studium haben, wenn sie das IB, das International Baccalaureate, anbieten, was nur sechs Abiturfächer vorsieht.

Überhaupt müssen im europäischen Ausland weniger Abiturfächer im Laufe der Oberstufe belegt werden als in Deutschland, wo acht Fächer in die Benotung eingehen. Man sollte auch einen Blick darauf werfen, wie es im Ausland oder bei den internationalen Schulen läuft.

Die KMK-Bildungsstandards dürfen auf keinen Fall unterschritten werden. Man braucht im Vergleich zu Schülern aus dem europäischen Ausland keinen Niveauverlust zu befürchten. Das zeigen auch unsere Erfahrungen mit den Schülern, die sehr häufig im Ausland studieren. Die Quote derjenigen, die ausländische Universitäten auswählen, ist an unseren Schulen größer.

Die Schulzeitverkürzung im Zusammenhang mit dem Ganztagsangebot ist zu begrüßen. Viele unserer Träger bieten über die Finanzierung durch den Staat frei finanzierte Ganztagsangebote an, die gar richtig bekannt sind, eben weil sie frei finanziert sind. Auch diese Schulen machen mit diesen Angeboten sehr gute Erfahrungen.

Die Ergänzungsstunden, die in der Stundentafel vorgesehen sind, müssten nach unserer Auffassung noch erweitert werden. Es gibt viele Schulen in unserem Verband, die normale Unterrichtslektionsstunden mit Übungsstunden beim Fachlehrer verbinden. Die Unterrichtsform müsste auch dem neuen System angepasst werden. Dafür braucht man einfach mehr Flexibilität im Stundenalltag. Das problemorientierte Lernen und das Lernen im Team bekommt ergänzend zum normalen Lektionsunterricht immer größere Bedeutung. Das kann nur stattfinden, wenn es flexiblere Stundenpläne gibt.

Das bringt mich zur Idee der selbstständigen oder autonomen Schule. Wir sind der Meinung, dass das Schulsystem insgesamt in die Freiheit entlassen werden und einen ähnlichen Status bekommen müsste, wie ihn die Schulen in freier Trägerschaft schon heute haben. Wir haben immer noch den Eindruck, dass Schule als Veranstaltung in Staatshoheit stattfindet - und weniger freie und autonome Schule nur noch unter staatlicher Aufsicht.

Ich glaube, dass eine selbstständige, freie und autonome Schule auch in staatlicher Trägerschaft die gesellschaftlichen Probleme und die Fragen von Weiterentwicklung und Reform unseres Schulwesens positiv beeinflussen würde. Wenn staatliche und private Schulen, ohne in irgendeinem Wettbewerb zu stehen, der nicht pädagogischer Art ist, diesen Weg bei gleicher Finanzierung gemeinsam gehen könnten, das heißt, dass auch die privaten Schulen in gleicher Weise wie die staatlichen Schulen refinanziert werden, könnten sich beide Systeme in gleicher Weise gut entwickeln.

Die stärkere Individualisierung des Unterrichts ist absolut notwendig. Die Individualisierung von Lernzeiten führt auch dazu - das können wir sehen -, dass die Abbrecher- bzw. die Schulversagerquote in solchen Schulen mit diesen Angeboten gegen null geht. Das ist auch das Ziel der Landesregierung.

Damon Raeis-Dana NRW): Lassen Sie mich das Problem der Landesregierung kurz umreißen: Mittlerweile ist das Totschlagargument Globalisierung bis zu unserer Landesregierung durchgedrungen. Anscheinend sind die Schülerinnen und Schüler aus NRW für globalisierte ökonomische Verwertungsprozesse vor allem zu dumm, zu alt und zu unflexibel: zu unflexibel, weil sich die Schülerschaft nicht von waghalsigen Pädagogikexperimenten vereinnahmen lässt, zu alt, weil die Landesregierung erst nach drei Jahren bei der Sitzenbleiberphase einlenkt und weil sich trotz eines völlig undurchdachten Konzepts das Turbo-Abitur