Justizvollzugskrankenhaus

Dr. Patrick Debbelt (LWL Klinik Hemer/Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein Westfalen): Dass es nur zwei Besuche pro Jahr sind, liegt daran, dass ich das außerhalb meiner Dienstzeit mache.

(Gerd Stüttgen [SPD]: Das soll ja keine Kritik sein!)

­ Ich will es nur erklären. ­ Deshalb kann ich einfach nicht mehr anbieten. Natürlich wäre es sinnvoll. Deshalb plädiere ich ja für eine bessere Vernetzung. Es gibt auch genügend andere Leute, die das ebenfalls machen können. Es ist relativ egal, ob ich dort stehe oder ob Herr von Schönfeld dort steht. Er kann das genauso gut vortragen. Je mehr Menschen sich dort engagierten, desto besser wäre es. Wenn eine Vernetzung stattfindet, sind allerdings auch kompetente Leute in den Anstalten vertreten.

Dr. Carl-Ernst von Schönfeld (Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Bethel): Selbst bei bestem pädagogischen Geschick ist es mit einer Fortbildung von zwei Stunden aber nicht getan.

Frank Sichau (SPD): In ihrem Antrag haben die Grünen auch einen Ausbau der sozialtherapeutischen Abteilungen gefordert. Die Sozialtherapie haben wir jetzt ausgenommen; denn das würde uns heute überfordern. Unsere Philosophie war immer, dass man das mit Kooperationspartnern macht ­ auch wenn wir offensichtlich zum Teil gelernt haben, dass man das durchaus in einer Klinik macht. Ich bin da noch auf einem anderen Stand. Das muss man sich dann eben noch überlegen.

Hier ist der Aspekt der Nachsorge thematisiert worden. Die meisten Inhaftierten sind auf Zeit bestraft und werden irgendwann entlassen. Es ist eine ganz wichtige Aufgabe der Bewährungshilfe, die psychisch kranken Entlassenen an das psychiatrische System in den Regionen heranzuführen, damit es keinen Abbruch der Behandlung gibt. Das ist auch eine Aufgabe der Haftentlassungsvorbereitung.

Meine letzte Bemerkung bezieht sich auf die posttraumatische Belastungsstörung, die nach meiner Erinnerung ­ da bin ich aber nicht sicher ­ von Herrn Wittfoot angesprochen worden ist. Das hört sich sehr schlimm an. Nach meinem Eindruck können Sie die Betroffenen auch nicht mehr heilen, sondern sie im Grunde genommen nur noch instand setzen ­ in Anführungsstrichen ­, mit dieser psychischen Behinderung zu leben. Vielleicht können Sie aber noch kurz etwas dazu sagen.

Monika Düker (GRÜNE): Mich interessiert noch einmal die Spezialfrage der Frauen.

In der Studie kommt die entsprechende Problematik auch sehr gut zum Ausdruck.

Wie sollen wir denn in Nordrhein-Westfalen mit den Frauen umgehen, Herr Debbelt?

Herr Wittfoot hat ja für spezialisierte Abteilungen plädiert. Sehen Sie das ähnlich?

Und wie sieht derzeit die Bedarfsdeckung speziell für Frauen aus? Schließlich ist die Verbindung von Sucht und Trauma hoch problematisch. Ich kenne das, weil ich schon einige Male das Abschiebehafthaus Neuss besucht habe. Dort trifft man viele von Menschenhandel betroffene Frauen. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, unter welcher Vielzahl von Krankheiten Zwangsprostituierte leiden. ­ Würden Sie angesichts der Spezialprobleme von Frauen im Vollzug ähnlich wie Herr Wittfoot für eine spezialisierte Einrichtung für Frauen plädieren?

Dr. Patrick Debbelt (LWL Klinik Hemer/Justizvollzugskrankenhaus Nordrhein Westfalen): Auf jeden Fall. Man muss dabei natürlich berücksichtigen, dass der Anteil der Frauen im Strafvollzug sehr gering ist.

(Frank Sichau [SPD]: 1.014! ­ Monika Düker [GRÜNE]: Nach den mir vorliegenden Zahlen sind es 926! Von den Teilnehmern an der Untersuchung waren aber 50 % betroffen! Da kommt doch einiges zusammen!)

­ Natürlich. Deshalb wäre es auf jeden Fall wichtig, eine Einrichtung zu schaffen, in der Frauen behandelt werden.

Im Moment sieht es wie folgt aus: Frauen können wir auf unserer Station nicht behandeln. Sie werden in der Somatik aufgenommen und durch den Konsiliardienst von uns mitbetreut ­ sowohl psychiatrisch als auch psychotherapeutisch.

(Monika Düker [GRÜNE]: Sie werden also in einer anderen Abteilung untergebracht, aber von Ihnen behandelt?)

­ Sie werden von uns konsiliarisch mitbehandelt, ja. ­ In Eickelborn ist auch eine Einrichtung, wo sie behandelt werden können.

(Monika Düker [GRÜNE]: Warum können Sie sie nicht in Ihrer Abteilung aufnehmen?)

­ Weil das Strafvollzugsgesetz eine klare Trennung von Frauen und Männern vorsieht, die ich räumlich nicht gewährleisten kann.

Dr. Jens Wittfoot (JVA Hannover, Fachbereich Medizin): Die Frage nach der posttraumatischen Belastungsstörung ist noch offen. Ich sehe das aus eigener Erfahrung nicht so pessimistisch. Speziell unter weiblichen Strafgefangenen befinden sich zwar sehr viele sehr schwer und sehr chronisch Traumatisierte. Im Strafvollzug sind sie aber zunächst einmal in einer gesicherten Situation. Das heißt: Man weiß, wann die Entlassung stattfinden wird. Der Zugang zu Drogen ist nicht so leicht wie draußen. Die Bedrohung durch Täter ist weitgehend auszuschließen. ­ In dieser Situation können wir vorsichtig mit einer Behandlung anfangen. Genau das sollten wir auch tun. Meines Erachtens ist es gerade umgekehrt wie von Ihnen vermutet. Bei dieser Klientel kann unter den klaren Voraussetzungen innerhalb des Justizvollzuges eine Behandlung sogar leichter sein, weil die Drogenabhängigen, um die es sich überwiegend handelt, es draußen häufig nicht schaffen, abstinent zu leben. Ich sage das auch nicht nur theoretisch. Ich bin selber in weit fortgeschrittener traumatherapeutischer Fortbildung und arbeite im Vollzug tatsächlich mit solchen Menschen. Das würde ich nicht tun, wenn ich nicht auch die Erfolge sehen würde.

Vorsitzender Dr. Robert Orth: Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Damit sind wir am Schluss des Fachgesprächs angelangt. Ich danke Ihnen herzlich für den wert vollen Input, den Sie uns heute ergänzend zu Ihren schriftlichen Ausführungen gegeben haben. Ihre Ausführungen fließen in das Protokoll und damit in die weitere Behandlung des Antrags der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ein.